Einst hochbejubelt, werden wir es heute nicht mehr los: Plastik. Es findet sich überall, sogar als kleinste Teilchen in der Luft. Welche Gefahr besteht für Mensch und Umwelt durch Kunststoffe?
Fieberhaft forschen Wissenschaftler nach Ersatz für herkömmliches Plastik. Haltbar soll es sein und sich nach Gebrauch komplett auflösen. Harald Lesch zeigt, warum sich ein Blick in die Natur lohnt und welche neuen Wege aus der Plastik-Krise führen könnten.
Forscher fanden heraus, dass der Plastikzusatzstoff Bisphenol A möglicherweise die Bildung von sogenannter Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) bei Kindern beeinflusst: Kreidezähne! Eine Störung, die mittlerweile bei 30 Prozent der Sechs- bis Zwölfjährigen auftritt. Einzelne der bleibenden Zähne sind porös und extrem kariesanfällig – ohne dass die Zahnpflege vernachlässigt wurde. Ein großes Problem bei Zähnen, die eigentlich ein Leben lang halten sollten. Normalerweise entwickelt sich ein Zahn im Kiefer, bis der Zahnschmelz komplett ausgehärtet ist. Bei Kreidezähnen sind aber schon beim Durchbruch einzelne Zähne porös und weich. Der Verdacht der Forscher: Bei der Produktion von Plastik werden fast immer Zusatzstoffe wie der Weichmacher Bisphenol A eingesetzt. Dass sie austreten und über Lebensmittel in den menschlichen Körper gelangen, ist sehr wahrscheinlich. Bei Versuchen mit Ratten, denen über Wochen das Futter mit dem Plastik-Zusatzstoff angereichert wurde, zeigen sich deutliche Parallelen zu den Schäden bei Kreidezähnen von Kindern. Der Zusammenhang mit Bisphenol A erscheint eindeutig. Noch fehlt zwar der endgültige Beweis. Und doch: Viele Zahnärzte sehen derzeit in Bisphenol A die wahrscheinlichste Ursache von Kreidezähnen.
Hochrechnungen zeigen, weit über 95 Prozent der Plastikrückstände im Meer bestehen aus Mikroplastik: Teilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind. Experten vermuten nun beim Verzehr von belastetem Seafood auch eine Gefahr für den Menschen. Eine Forschungsstudie belegt: Muscheln aus Aufzucht vor der schottischen Küste enthalten in einer Portion im Durchschnitt gut 100 Mikroplastikpartikel. Doch auch bei Verzicht auf Meeresfrüchte sind wir allein durch die Luft Mikroplastik ausgesetzt. In Deutschland gelangen laut einer aktuellen Studie pro Jahr rund 330.000 Tonnen Mikroplastik in die Umwelt: in Flüsse, Böden, und kleinste Partikel verbreiten sich auch durch die Luft. Knapp 40 Prozent davon stammen aus dem Abrieb von Autoreifen, elf Prozent aus der Abfallentsorgung und 8,3 Prozent aus dem Abrieb von Fahrbahndecken und Baustellen. Mikroplastik aus Kosmetik spielt mit 0,7 Prozent nur eine Nebenrolle. Forscher vermuten, Mikroplastik könnte im menschlichen Organismus Reaktionen hervorrufen. In einem Versuch bringen sie menschliche Zellen mit Mikroplastik in Kontakt. Innerhalb von 24 Stunden sind Teilchen in die Zellen eingedrungen und sorgen für Vorstufen von Entzündungen. Entzündungskrankheiten an Organen wie beispielsweise Lunge oder Leber wären also theoretisch denkbar. Allerdings wird bei solchen Versuchen meist mit sehr viel höheren Konzentrationen gearbeitet, als sie bis jetzt in der Umwelt auftreten. Noch scheint die aktuelle Belastung für den Menschen durch Mikroplastik nicht besorgniserregend. Doch einmal in die Umwelt gelangt, lösen sich die Teilchen über Jahrzehnte – sogar Jahrhunderte nicht auf. Sie sammeln sich an und werden mit der Zeit immer kleiner – und so immer schwerer zu kontrollieren.
Bildquelle: Plastic Pollution Coalition
Seit über 100 Jahren setzen sich an den Mauern einer alten Hamburger Hafenanlage immer wieder kleine Rohölreste ab. Eine Verschmutzung im Schlick mit einer sehr ähnlichen chemischen Struktur wie Plastik. Und genau hier sind Wissenschaftler auf der Suche nach Bakterien. Bakterien, die Ölreste abbauen, um Energie daraus zu gewinnen – und die dann auch Plastik zersetzen können. Auch wenn es Hunderte verschiedene Arten von Plastik gibt, verbindet sie eine Eigenschaft: Die Kunststoffe bestehen aus langen Polymerketten, die nur schwer abbaubar sind. Nur bestimmte Bakterien produzieren spezielle Enzyme, die die Polymere aufspalten können. Erst wenn die langen Ketten mithilfe der Enzyme „zerlegt“ sind, können die Bakterien sie weiter abbauen. Die Forscher wollen die speziellen Enzyme der Bakterien isolieren. Doch dafür müssen sie zunächst die passenden Bakterien in der Schlickprobe finden. Keine einfache Aufgabe: Bis zu 10.000 verschiedene Bakterienarten sind in der Probe enthalten, von denen vielleicht nur eine ein passendes Enzym produziert. Nach Monaten der Analyse verschiedenster Proben zeigt sich ein erster Erfolg: Die Struktur eines Enzyms weist auf die Fähigkeit hin, Plastikpolymere zu spalten. Und es haben sich sogar Hinweise auf weitere Enzyme ergeben. Ein großes Problem des Plastikabbaus sind zudem die vielen verschiedenen Kunststoffarten. Eine Mischung, die sich nachträglich – wenn überhaupt – nur mit größtem Aufwand trennen lässt. Doch das ist die Voraussetzung dafür, dass man Plastik effektiv weiterverarbeiten oder abbauen kann. Das Ergebnis des Enzymtests: Gleich zwei Enzyme zeigen Wirkung – mit einer bis zu zehnfach höheren Effektivität als bereits bekannte. Ein Enzym, das gleich mehrere Kunststoffarten zersetzt, ist allerdings noch nicht gefunden. Bis eine technische Anwendung möglich wird, muss die Effektivität der Enzyme noch um mindestens den Faktor 1.000 gesteigert werden. Zum Beispiel in Becken von Kläranlagen könnten sie dann zum Plastikabbau eingesetzt werden.
In der Natur gibt es eine ganz besondere Faser, die den Kunststoff ersetzen könnte: Spinnenseide. Sie ist dünn, reißfest, hautfreundlich und biologisch abbaubar. Doch alle Versuche, auf natürliche Weise und in großen Mengen an den Wunderstoff zu gelangen, scheitern. Bei Massentierhaltung gehen Spinnen aufeinander los oder fressen sich sogar gegenseitig auf. Aber Forscher finden dennoch einen Weg, den Faden ohne Spinnen herzustellen: Manipulierte Bakterien verarbeiten Zucker zu einer Art „Seidenprotein“ – zunächst eine pulverförmige Substanz. Dieser Grundstoff lässt sich zu einem Faden spinnen, der äußerlich kaum von Spinnenfäden zu unterscheiden ist. Die künstliche Seide mit dem Namen „Bio-Steel“ lässt sich industriell weiterverarbeiten. Mittelfristig könnten damit viele Gewebe aus Kunstfasern ersetzt werden: wie zum Beispiel Schuhe, aber auch Funktionskleidung, Fleecedecken und Polster, die im Haushalt Quellen von Mikroplastikfasern sind. Zwar würde auch die neue Gewebeart durch Abrieb Mikrofasern freisetzen, doch Tests zeigen, dass sich die künstliche Spinnenseide mit der Zeit zersetzt. Schon heute werden Prototypen von Sportschuhen produziert: mit der Haltbarkeit von Kunststoff und der Hautverträglichkeit von Baumwolle. Selbst die Konstruktion von Flugzeugen soll in Zukunft mit künstlicher Spinnenseide möglich sein. Doch bis dahin ist noch ein langer Weg …
Die Reichweite eines Autos hängt wesentlich vom Gewicht ab. Deshalb wird auch in Zukunft der Anteil von Kunststoffen noch weiter steigen. Eine paradoxe Situation, denn weit über 95 Prozent aller Kunststoffe sind aktuell erdölbasiert. Um die Autos der Zukunft wirklich nachhaltig zu bauen, müsste deshalb viel mehr Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen eingesetzt werden. Am Fraunhofer Institut in Hannover wird an solchen Kunststoffen geforscht. Als mögliche Ersatzstoffe kommen Holz, Hanf- oder Flachsfasern infrage. Die Wissenschaftler suchen einen biobasierten Ausgangsstoff, der sich wie die extrem stabile und leichte, aber auf Rohöl basierende Carbonfaser verarbeiten lässt. Erste Tests zeigen, dass die Belastbarkeit der Flachsfasern ausreicht, um Carbonfasern in einigen Bereichen zu ersetzen. Auch haben die nachwachsenden Flachsfasern schon viele gute Eigenschaften wie splitterfreies Bruchverhalten. Die endgültige Stabilität entwickelt das Material aber erst, wenn in der Presse mit Hochdruck Zusatzstoffe und Harze injiziert werden. Dabei ist nach wie vor ein kleinerer Teil ölbasierter Komponenten unverzichtbar. Noch besteht der jahrzehntelange Forschungsvorsprung bei konventionellen Kunststoffen. So wird es noch dauern, bis beispielsweise ein Türrohling für ein Auto komplett aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden kann. Bleibt die Frage des ökologischen Nutzens: Der Anbau von Pflanzen für Kunststoffe steht in Konkurrenz zur Produktion von Lebensmitteln. Es sei denn, es würden landwirtschaftliche Abfallprodukte wie zum Beispiel Holzreste oder Weizenkleie zur Plastikproduktion verwendet. Bei diesen Materialien steht die Forschung jedoch erst am Anfang.
Was versteht man unter planetarer Gesundheit und warum ist sie so wichtig für uns?
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