Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung leiden zehn Prozent der Bevölkerung an behandlungsbedürftigen Ein- und Durchschlafstörungen. Obwohl die meisten Deutschen an Werktagen zwischen sieben und acht Stunden schlafen, fühlen sie sich dennoch müde und schlapp. Offenbar stimmt was mit unserem Schlaf nicht. Schlafen wir zu viel oder zu wenig? Gibt es so etwas wie ein Patentrezept, damit man morgens zu den wirklich Ausgeschlafenen gehört?
Warum guter Schlaf so wichtig ist
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Die Zellen unseres Gehirns verbrauchen bis zu 25 Prozent der gesamten Energie, die unser Körper benötigt. Bei diesem enormen Umsatz fallen große Mengen potenziell giftiger Proteinabfälle und zellulären Schrotts an. Wissenschaftler entdeckten, dass das Gehirn über ein effektives Drainagesystem verfügt, das sogenannte glymphatische System. Es führt besonders im Schlaf eine Art Gehirnwäsche durch und spült Abfälle aus den Hirnzellen. Die Abfallstoffe gelangen letztendlich in den Blutkreislauf und werden abgebaut. Bei Schlafstörungen arbeitet das glymphatische System nicht ausreichend: Schädliche Proteinabfälle können sich anhäufen.
Forscher sehen hier einen möglichen Zusammenhang mit Demenzerkrankungen. Sie vermuten, dass Schlafstörungen sogenannte Alzheimerprotein-Plaques im Gehirn fördern. Die Ablagerungen entwickeln sich zwischen und in den Hirnzellen. Dadurch stören sie die Weiterleitung von Signalen. Die Hirnzellen werden irreparabel geschädigt. Die Folge sind krankhafte Gedächtnisstörungen, unter denen Alzheimer-Patienten leiden. Forschungen zeigen, dass Alzheimer-Patienten oft etwa 20 Jahre vor der Diagnose der Krankheit an Schlafstörungen litten. Man sollte Schlafstörungen also auf jeden Fall ernst nehmen. -
Die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA hat in einer Untersuchung belegt, dass nach einem Nickerchen die Aufmerksamkeit erheblich steigt. Ein Mittagsschlaf wirkt sich positiv auf das Kurzzeitgedächtnis aus, steigert die Leistung und macht gute Laune. Die beste Zeit für den 20-Minuten-Energieschlaf ist zwischen 12 und 15 Uhr. Die Tendenz zum Mittagstief ist im menschlichen Biorhythmus angelegt. Blutdruck und Körpertemperatur sinken, in geringen Mengen wird zu der Zeit sogar das Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet. Durch den kurzen Schlaf wird ein fitmachender Gegenspieler aktiviert – das Wohlfühlhormon Serotonin. Das kurze Nickerchen ersetzt nicht den Nachtschlaf, kann uns aber den richtigen Kick für den Nachmittag geben.
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Unsere Schlafqualität sinkt durch unregelmäßige Schlafenszeiten und ein Leben unter künstlichem Licht. Wissenschaftler erforschen, welche weiteren Folgen ein von der Natur abgekoppelter Tagesrhythmus hat. Unsere zentrale innere Uhr stellt sich nach dem Tag-Nacht-Wechsel der Außenwelt, und jedes Organ wird mit dem Takt dieser Zentraluhr synchronisiert.
Die Uhren der inneren Organe werden zwar ebenfalls über die Zentraluhr im Gehirn getaktet, doch auch andere Faktoren bestimmen die Organaktivitäten. Beispielsweise beeinflusst Nahrungsaufnahme zur Schlafenszeit die „Uhr“ des Verdauungssystems. Die Verdauung arbeitet dann gegen den Takt der Zentraluhr. Auch die etwa 100 Billionen Bakterien, die im Darm siedeln, spielen eine Rolle für den Rhythmus. Sie sind entscheidend für die Verdauung. Mit der Aufnahme der Nährstoffe über die Darmwand bekommt der Körper das Signal: „Hier wird gearbeitet“ – obwohl es mitten in der Nacht ist.
Wissenschaftler vermuten, dass unser Tag-Nacht-Rhythmus grundsätzlich zudem die Darmflora synchronisiert. Essen während der Nacht wirkt dann auch für diese als Störfaktor. Die Untersuchungen offenbaren: Tatsächlich variieren Zahl und Aktivität der Bakterienarten im Laufe des Tages. Essen in der Nacht kann so auch den Mikrobenrhythmus aus dem Takt bringen. Bakterien, die besonders gute „Futterverwerter“ sind, nehmen Überhand. Die Folge ist Gewichtszunahme. So ein Leben gegen den Rhythmus bleibt eben nicht ohne Folgen. -
Beim natürlichen Heilungsprozess nach Verletzungen aktivieren chemische Signale bestimmte Bindegewebszellen – die Fibroblasten. Diese wandern aus dem Gewebe dorthin, wo die Wunde ist, vermehren sich und fördern die Bildung von Kollagen. Ein wichtiger Vorgang für die Wundheilung. Forscher haben herausgefunden, dass auch die Tageszeit einer Verletzung die Wundheilung beeinflussen kann. Wie alle Zellen haben Fibroblasten einen Tag-Nacht-Rhythmus – „Uhren-Gene“ steuern den Takt. Tagsüber ist der Zellstoffwechsel hoch. Entsprechend viel Aktin, ein für die Beweglichkeit wichtiges Protein, wird produziert. Anders in der Nacht: Die Gene versetzen die Zelle in „Ruhe-Modus“. Die Aktin-Produktion ist jetzt reduziert, entsprechend langsam „kriechen“ die Zellen. Und das soll entscheidend für den Heilungsprozess sein. Forscher meinen, die in der Nacht weit weniger aktiven Fibroblasten bewegen sich langsamer zur nächtlichen Wunde. Dadurch soll sich die Heilung verzögern.
Wieviel Schlaf braucht der Mensch?
Was macht Schlafqualität eigentlich aus und was sind die Ursachen für das Gefühl „unausgeschlafen“ zu sein, obwohl man eigentlich genug geschlafen hat? Der Schlafforscher Jerome Siegel von der University of California geht der Frage nach.
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Jerome Siegel beobachtet den Schlaf-Wach-Rhythmus von drei Naturvölkern: Den San aus Namibia, den Tsimanen aus den bolivianischen Anden und dem Volk der Hadza, in der Serengeti Tansanias.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (2/14)
Mit einem Aktometer, werden rund um die Uhr die Daten von 94 Probanden aufgezeichnet: Registriert werden Lichtverhältnisse, Außen- und Körpertemperatur, Aktivitätsprofile und Schlafenszeiten.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (3/14)
Die Auswertung ergibt: im Durchschnitt schlafen die Menschen sechs Stunden und 25 Minuten. Über Schlaflosigkeit klagt niemand.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (4/14)
Tagsüber sind bei allen drei Volksgruppen kaum Ruhepausen zu beobachten. Alle 94 Probanden sind durchgehend aktiv und bewegen sich viele Stunden am Tag.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (5/14)
Die Menschen gehen nicht mit der Sonne schlafen. Im Durchschnitt bleiben sie noch mehr als drei Stunden nach dem Ende der Tageslichtphase wach.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (6/14)
Jerome Siegel stellt bei allen untersuchten Gruppen ein ähnliches Schlafverhalten fest. Trotz unterschiedlicher Umgebung, Geschichte und Genetik.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (7/14)
Warum sind diese Menschen mit weniger als sieben Stunden Schlaf ausgeschlafen? Der Forscher glaubt: Die Völker leben im Einklang mit der Natur und profitieren von der Wirkung des Tageslichts.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (8/14)
In industrialisierten Gesellschaften stört Kunstlicht den natürlichen Takt. Dabei hat sich im Laufe der Evolution das Sonnenlicht als Taktgeber des inneren biologischen Rhythmus etabliert.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (9/14)
Sonnenstrahlen regen das Sehpigment Melanopsin auf unserer Netzhaut an. Die Sehnerven leiten die Information an den sog. Nucleus Suprachiasmaticus - der die innere Uhr synchronisiert.
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Da die Naturvölker ausschließlich mit dem Sonnenlicht leben, behält deren innere Uhr stets ihre biologische 24- stündige Taktung. Doch das Licht allein bestimmt nicht den guten Schlaf.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (11/14)
Notwendige Voraussetzung für erholsamen Schlaf ist auch die Absenkung der Körperkerntemperatur während der Nacht. Daher legen sich die Gruppen erst während der kühlsten Phase des Tages schlafen.
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (12/14)
Wir haben uns von den natürlichen Temperaturschwankungen entkoppelt. Beim Schlafen erweitern sich die Blutgefäße, die dicht unter der Haut liegen, sie geben Wärme ab. Durch die kühle Umgebung …
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (13/14)
Wir schlafen oft bei Raumtemperaturen über 19 Grad Celsius. Doch bei höheren Temperaturen schläft man schlechter, denn so kann die Körperkerntemperatur nicht um bis zu 0,4 Grad absinken, wie von …
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch? (14/14)
Um zu einem guten Schlaf zu kommen, sollten wir uns wieder an den natürlichen Rhythmen und Bedingungen orientieren.
Ein Kommentar von Harald Lesch
- Übrigens ... zum Schlaf
Der Schlaf ist einer unserer wertvollsten Schätze und deshalb sollten wir ihn uns nicht rauben lassen, sagt Professor Harald Lesch.