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Erde 2012: Das Interview

Der wissenschaftliche Jahresrückblick mit Harald Lesch

Es war ein Jahr der Rekorde – in vielerlei Hinsicht: der erste Mensch, der die Schallmauer durchbricht, der größte je gemessene Rückgang des Arktiseises, der Fund von Wasser auf dem Mars und der lang erhoffte Nachweis des Higgs-Teilchens – Ereignisse, die die Menschen 2012 den Atem anhalten ließen. Doch während sich Harald Lesch darüber freuen kann, gibt es jemanden, den das Treiben der Menschen gar nicht begeistert: Mutter Erde. Höchstpersönlich ist sie auch diesen Dezember wieder bei Abenteuer Forschung zu Gast, um aus ihrer Perspektive kritisch auf das gerade vergangene Jahr zurückzublicken.

Unsere Erde hat einiges zu beklagen – wenn sie denn klagen könnte. So fühlt sie sich ständig beobachtet: Über eintausend Satelliten nehmen sie Tag und Nacht ins Visier und erkunden ihre Haut bis in die kleinsten Falten und Poren. In einem ungewöhnlichen Streitgespräch versucht Harald Lesch, Mutter Erde von der Notwendigkeit dieser Beobachtung zu überzeugen.

Von Satelliten umschwärmt

2012 wurden mit 70 Raketenstarts 100 neue Satelliten ins All geschossen. Mehr als einmal kam es dabei zu Pannen. Im Oktober explodierte eine russische Rakete im Weltraum und hinterließ eine Trümmerwolke aus 500 Teilen. Kein Einzelfall: Im Weltraum sammelt sich der Müll an. Zusammen mit den aktiven Satelliten umkreist er in mehreren Hundert Kilometern Höhe mit hoher Geschwindigkeit unseren Planeten. Auch die Internationale Raumstation (ISS) ist von den rasenden Schrottteilen bedroht. Mutter Erde meint: Da sollte mal jemand richtig aufräumen!

Dennoch: Die Arbeit von Meteorologen, Geografen und Klimaforschern wäre ohne die künstlichen Trabanten heute nicht denkbar. Mithilfe von Satellitenaufzeichnungen können sie langfristige und großräumige Prozesse auf der Erde beobachten. So lassen sich die Reiserouten von Eisbergen in den Polarmeeren bestimmen. 100 Jahre nach dem Untergang der Titanic ist es also möglich, den riesigen Eisbrocken gezielt auszuweichen. Auch ihr Ursprung lässt sich erforschen: Der Eisberg, der die Titanic rammte, stammt vermutlich vom Jakobshavn Isbrae in Grönland, dem schnellsten Gletscher der Welt. Rund 10.000 Jahre dauerte seine Reise vom Inland zur Küste. Dort brach er ins Meer und machte sich auf seine langsame, aber stetige Reise nach Süden – bis er vor 100 Jahren in die Fahrspur des berüchtigten Luxusliners geriet.

Auf dem Weg zur Klimakatastrophe?

Dieses Jahrtausende alte Eis, aus dem die Eisberge entstehen, ist heute auf dem Rückzug. Die Bilder, die NASA & Co. aus dem Weltraum funken, zeigen deutlich: Nie zuvor ging das arktische Meereis so stark zurück wie in diesem Sommer. Das bedroht nicht nur die Tierwelt in der Arktis, sondern kann globale Folgen haben, weil es einen Rückkopplungseffekt erzeugt: Je weniger weiße Eisfläche die Sonnenstrahlung ins All reflektiert, desto wärmer wird es. Und je wärmer es wird, desto schneller schmilzt das Eis an den Polen. Zwar ist der Eisschild, der die Antarktis bedeckt, noch intakt, doch es mehren sich die Anzeichen, dass sich die Strömungsverhältnisse ändern könnten und es auch hier zu einem Rückgang des Küsteneises kommen kann.

Um bis zu 22 Meter könnte der Meeresspiegel dadurch ansteigen. Weite Gebiete in den Tropen und Subtropen würden unbewohnbar. Auch Mutter Erdes wilde Kinder könnten außer Rand und Band geraten: Wetterextreme wie tropische Wirbelstürme könnten sich häufen. Hurrikan Sandy, der Ende Oktober New York aus den Fugen hob, lieferte davon eine Kostprobe. Und doch wurde, global gesehen, 2012 wenig unternommen, um die Erderwärmung zu bremsen. Das zeigte sich dieses Jahr besonders an den mehr oder weniger ergebnislos zu Ende gegangenen Klimakonferenzen in Doha und Rio de Janeiro. Allein nach Rio wurden 15.000 Klimaexperten, Diplomaten und Politiker eingeflogen, doch am Ende gab es weder ein Abkommen noch konkrete Maßnahmenbeschlüsse für mehr Klimaschutz.

Neues von den Nachbarn

Nicht nur die Erde steht unter genauer Bobachtung der Forscher. 2012 gelang es ihnen, einen besonderen Blick auf unsere Nachbarplaneten, Mars und Venus, zu werfen. Denn am 6. Juni war ein äußerst seltenes Himmelsspektakel zu beobachten: ein Venustransit. Dabei tritt die Venus genau zwischen die Erde und die Sonne. Das passiert nur in großen zeitlichen Abständen, das nächste Mal wird es erst 2117 wieder so weit sein. Was das Ereignis für die Forscher interessant macht: Indem sie den Venusdurchgang genau studieren, erfahren sie vieles, was ihnen bei der Suche nach fremden Planeten helfen kann.

Große Freude herrschte bei den Marsforschern im kalifornischen Pasadena am späten Abend des 5. August (Ortszeit), als ihre Weltraumsonde den Mars Rover Curiosity sicher auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten absetzte. Übergeordnete Mission des Roboterfahrzeugs ist es, zu untersuchen, ob der Mars in der Lage ist oder in der Vergangenheit war, Leben zu beherbergen. Warum so viel Wirbel um einen Zwerg ohne flüssiges Wasser und mit viel zu dünner Atmosphäre gemacht wird, kann Mutter Erde nicht nachvollziehen. Schließlich kann es doch nur einen Planeten geben, auf dem das Leben wirklich lebenswert ist, meint sie und hat dafür ein paar überzeugende Argumente parat.
Mehr zum Thema: Planeten unter Beobachtung

Viel Lärm um Higgs

Wichtig ist und bleibt es daher, die Erde und das große Ganze besser zu verstehen. Bei der Suche nach Erkenntnis über den Aufbau der Materie stößt die Wissenschaft in immer kleinere Bereiche vor. Und auch wenn Mutter Erde über so viel Aufregung nur den Kopf schütteln kann – 2012 wurde ein Meilenstein auf diesem Weg erreicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat man am Kernforschungszentrum CERN in Genf das Higgs-Boson gefunden, ein winzig kleines Elementarteilchen, benannt nach dem Physiker Peter Higgs. Dieses Teilchen hilft den Forschern, eine Lücke zu schließen, die seit fünfzig Jahren in der bedeutendsten Welterklärungstheorie der Physik, dem Standardmodell, klafft. Ohne dieses Teilchen kann nicht schlüssig belegt werden, wie die kleinsten atomaren Bestandteile zu ihrer Masse kommen.

Das Higgs-Teilchen zeigt sich nach Berechnungen der Physiker nur unter extrem energiereichen Bedingungen, wie sie im Universum kurz nach dem Urknall geherrscht haben müssen. Um es nachzuweisen, musste am CERN ein Ringtunnel von knapp 27 Kilometer Umfang angelegt werden, der größte Teilchenbeschleuniger der Welt. Hier bringen die Forscher Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit und lassen sie aufeinanderprallen. Aus den Trümmern der energiereichen Kollisionen können sie mit besonderen Detektoren ablesen, ob dabei auch das Higgs-Boson entstanden ist – eine äußerst schwierige Puzzlearbeit. Entsprechend groß war die Freude über die mutmaßliche Entdeckung des lang ersehnten Teilchens, die am 4. Juli verkündet wurde. Sein Namensgeber Peter Higgs der heute 83-jährige emeritierte Physikprofessor, konnte den denkwürdigen Moment persönlich miterleben.

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