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Wie das Leben lieben lernte

Reise zum Ursprung eines großen Gefühls

Dirk Steffens unter Wasser mit Schildkröte

Um einen Partner zu finden, durchstreifen Unechte Karettschildkröten allein die Ozeane, Tausende Kilometer weit. Für "Faszination Erde" traf Dirk Steffens eine von ihnen - unter Wasser natürlich.

Datum:
16.02.2014
Verfügbarkeit:
Video leider nicht mehr verfügbar

Das Leben ist von Kampf geprägt. Seit jeher bestimmt das Ringen ums Überleben den Lauf der Dinge. Trotzdem entstanden Zuneigung und Sympathie, gibt es Partnerschaft und Kooperation. Wie konnten große Gefühle im Kampf ums Dasein bestehen? Wo liegen die Wurzeln von Mitgefühl und Liebe?

Glaubt man einem antiken Mythos, so kommt die Liebe aus dem Meer: Vor der Insel Zypern, beim Felsen der Aphrodite, soll die schaumgeborene Göttin den Wellen entstiegen sein – als Sinnbild weiblicher Schönheit und Ziel männlicher Begierde. Tatsächlich entwickelten sich die Urformen des Lebens im Meer. Sex ist allerdings eine relativ junge Erfindung der Evolution: Vor über 3,5 Milliarden Jahren entstanden die ersten Zellen. Sie vermehrten sich durch Teilung. Erst vor rund 500 Millionen Jahren kam es zur sexuellen Revolution. Einzeller begannen sich zu paaren, um Erbmaterial auszutauschen. Seitdem hat sich das Prinzip der geschlechtlichen Vermehrung erstaunlicherweise weitgehend durchgesetzt.

Erfolgsrezept der Evolution

Ginge es nur um die Zahl der Nachkommen, hätte Sex sich im Laufe der Evolution niemals so stark verbreiten können. Die ungeschlechtliche Vermehrung ist in dieser Hinsicht viel effizienter. Der Jungferngecko – oder vielmehr „die“, denn es sind ausschließlich Weibchen – hat schon viele Inseln in der Südsee, von Neuguinea bis Hawaii, besiedelt. Ihr Transportmittel sind Flöße aus Pflanzenteilen, die von Stürmen auf den Ozean getragen und auf eine Reise ins Ungewisse geschickt werden. Manche Inseln, wie der Hawaii-Archipel, wurden einst von einem vulkanischen Hotspot quasi aus dem Nichts erschaffen. Und wo nichts vorher war, finden Neuankömmlinge auch keinen Partner. Aber das Jungferngeckoweibchen hat den unschlagbaren Vorteil, dass seine Eier nicht von einem Männchen befruchtet werden müssen. Aus ihnen schlüpfen kleine weibliche Jungtiere, die allesamt genetisch identische Kopien seiner selbst sind. So konnte dieser Gecko auch die abgelegensten Lebensräume erobern.

Das Paradies für Sexmuffel hat jedoch eine Kehrseite: Die Geckos besitzen, abgesehen von selten auftretenden Mutationen, also zufälligen Veränderungen im Erbgut, identisches Erbmaterial. Auch ihr Immunsystem ist deshalb identisch und bleibt über Generationen weitgehend unverändert. Schlägt ein Krankheitserreger zu, gegen den der Gecko keine Abwehrkräfte besitzt, können alle anderen sich auch anstecken und dahingerafft werden. Bei der geschlechtlichen Vermehrung dagegen wird das Erbmaterial der Eltern immer wieder neu gemischt. Das steigert die genetische Variabilität: Alle Nachkommen haben ein etwas unterschiedliches Immunsystem. Beim Angriff eines Erregers könnte zumindest einer wirksame Abwehrmechanismen besitzen. So gesehen ist Sex also ein Erfolgsrezept der Evolution.

Stress mit dem Sex

Genetische Vielfalt verbessert die Chancen zu überleben enorm, doch sie hat ihren Preis. Partnerwahl und Paarung erfordern Aufwand und bedeuten oft Stress – bei manchen Tieren ganz besonders. Außergewöhnlichen Einsatz bringen die Männchen der Paradiesvögel in den Regenwäldern Neuguineas, um das andere Geschlecht zu betören. Weltweit gibt es kaum einen anderen Vogel, der so aufwendig um Partner wirbt.

Manche Tiere bringen ein noch viel größeres Opfer für die Liebe respektive den Sex: Die Gottesanbeterin ist eine gefährliche Jägerin. Ihre Vorderbeine sind höchst effektive Fanginstrumente, ein Angriff dauert nur 45 Millisekunden. Von ihrem Jagderfolg hängt das Schicksal ihres Partners ab. Denn wenn das Weibchen nicht satt geworden ist, kann es passieren, dass es das Männchen beim Paarungsakt buchstäblich vernascht. Mit einem grausamen „Kuss“ reißt es ihm dann den Kopf ab. Sein Hinterleib kann sich dennoch über Stunden weiter paaren. Das Opfer des Männchens verschafft dem Weibchen wertvolle Energie, was in Mangelzeiten einen Vorteil für den Nachwuchs bedeutet. Immerhin: Die Chance, die Paarung zu überleben, ist für die männlichen Insekten generell relativ hoch – solange sie sich von hungrigen Weibchen fernhalten. Anders bei der australischen Stuart-Breitfuß-Beutelmaus: Da die Weibchen nur für wenige Tage innerhalb von zwei Wochen im August empfängnisbereit sind, muss das Männchen in diesem Zeitraum so viele von ihnen wie möglich begatten. Aufgrund der extrem kurzen Paarungszeit ist die Konkurrenz durch Rivalen sehr hoch. Selbst wenn das Beutelmausmännchen erschöpft ist, treiben es die Hormone zum nächsten Rendezvous. Aber der Stress fordert seinen Tribut. Nach der Paarungszeit ist es wie seine Konkurrenten buchstäblich zu Tode erschöpft und stirbt.

Gemeinsam stark

Eine andere Fortpflanzungsstrategie haben staatenbildende Insekten wie die Termiten entwickelt. Bei einigen Termitenarten verzichten alle auf Sex – bis auf das Königspaar. Der Rest des Volkes von rund zwei Millionen Tieren kümmert sich darum, dass die Königin und ihr Partner gut versorgt sind und dass sie und ihre Nachkommen es angenehm kühl haben. Ihre riesigen Bauten zu errichten, ist eine wahre Höchstleistung. Die Termiten schaffen sie nur, weil sie zusammen einen Superorganismus bilden. Da alle Nachkommen von einem Königspaar abstammen, sind alle Geschwister. Die Verwandtschaft ist der Schlüssel für die besondere Beziehung der Termiten untereinander. Sorgen sie für die Königin, so sorgen sie gleichzeitig für die Geschwister in der nächsten Generation.

Gemeinschaft macht stark – das gilt sogar dann, wenn man nicht zu einer Familie gehört. Manche Arten der Webervögel in Afrika haben eine Lösung gefunden, um sich und ihren Nachwuchs durch die bitterkalten Nächte in der Savanne zu bringen: Sie ziehen ihre Jungen in Gemeinschaftsnestern groß. Die voluminösen Nester, an denen oft Generationen von Webervögeln arbeiten, bieten der Kälte weniger Angriffsfläche und schützen die Jungen vor Feinden. Schlangen finden in den nach unten offenen Grasnestern kaum Halt. So wird Kooperation von der Evolution belohnt.

Freunde fürs Leben

Die Vorzüge der Zusammenarbeit erschließen sich nicht nur den Beutetieren, sondern auch Jägern. Löwen sind die einzigen Großkatzen, bei denen Weibchen gemeinsam auf Jagd gehen. Sie schleichen sich an, jedes aus seiner Richtung, und umzingeln ihre Beute, zum Beispiel eine Gruppe von Zebras, um ihnen jeglichen Fluchtweg abzuschneiden. Gelingt es einer der Löwinnen, ein Tier zu reißen, bekommen auch die anderen Jägerinnen ihren Anteil ab. Aber die Zebras in der Savanne haben Verbündete: die wehrhaften Gnus. Die großen Gnuherden bieten Schutz, mit ihrem exzellenten Geruchssinn wittern sie Feinde auf große Entfernung. Zebras können dagegen besser sehen. In der Herde helfen die ungleichen Partner einander. So hat das Leben Partnerschaften hervorgebracht, die sogar die Artengrenze überschreiten. Entscheidend dabei ist ein gemeinsamer Vorteil.

Gezielt auswählen kann sich seine Kooperationspartner nur der Mensch. Er ist in der Lage, die Eigenarten und Fähigkeiten von Tieren für seine Zwecke zu nutzen. Ohne tierische Helfer hätten wir die Erde niemals bis in ihre extremen Lebensräume erobern können. Die Wüsten der Erde wären für uns undurchdringliche Barrieren geblieben, gäbe es nicht die Wüstenschiffe. Ganz allmählich haben sich die Vorfahren der Kamele an Hitze angepasst. Indem der Mensch das Kamel zähmte, gelang es viel schneller, die Wüsten zu bezwingen. Auch die Eiswüsten konnten wir nur mit vierbeiniger Hilfe überwinden. Für die Inuit in Grönland sind Schlittenhunde bis heute überlebenswichtig. Auf mehrtägigen Jagdexpeditionen sind Mensch und Hund aufeinander angewiesen. Deshalb hat der Mensch ein inniges Verhältnis zu den Tieren entwickelt und gelernt, die Bedürfnisse der Hunde zu erspüren.

Können Hunde uns verstehen?

Empathie, die Fähigkeit, sich in ein anderes Wesen hineinzuversetzen, scheint eine typisch menschliche Eigenschaft zu sein. Doch Wissenschaftler haben in Japan herausgefunden, dass die Hunde auch ihrerseits zum Mitgefühl fähig sind. Sie zählten, wie oft sich ein Hund von menschlichem Gähnen anstecken ließ. Das Ergebnis: Gähnte ein Fremder, ließ das die Tiere meist kalt. Erst wenn das eigene Herrchen gähnte, wurde auch der Hund müde. Dieses Anzeichen von Empathie wirkt noch erstaunlicher, wenn man die Vorfahren der Haushunde betrachtet: Wölfe. Wildlebend sind die Raubtiere unmöglich zu zähmen. Wie konnte aus dem „bösen Wolf“ der mitfühlende Hund werden?

Vor über 15.000 Jahren erkannten Menschen das Potenzial der Wölfe. Auf der Suche nach Abfällen kamen die Tiere in die Nähe von Siedlungen. Die Menschen duldeten die zutraulicheren Wölfe, die wilderen vertrieben sie. Über Generationen haben sie so eine strenge Auslese betrieben. Wölfe mit menschenfreundlicheren Eigenschaften wurden gefüttert und profitierten von der Partnerschaft. Aus diesen Tieren entwickelten sich schließlich unsere besten Freunde. Die Liebe der Hunde zu ihren Herrchen ist also menschgemacht.

Auch Tiere haben große Gefühle

Zwei Bonobos
Die gebrochene Hand eines Affen erregt die Aufmerksamkeit der anderen.
Quelle: BBC

Und wie sieht es bei unseren nächsten Verwandten im Tierreich aus? Haben sie Gefühle, die man mit Liebe gleichsetzen kann? Die unseren ähneln? Der Dschungel des Kongo ist die Heimat der Bonobos, eine Primatenart, die in erster Linie für ihr ausschweifendes Sexualleben bekannt ist. Mit Sex begegnen sie Spannungen in der Gemeinschaft und besänftigen einander. Ihre eigentliche Besonderheit in Sachen Liebe offenbart sich aber in ganz anderen Situationen: Wenn sich ein Tier verletzt hat, bringen ihm seine Gefährten Anteilnahme entgegen und scheinen mit ihm mitzuleiden. Noch kann man den Grad des Mitgefühls bei den Bonobos nicht bemessen. Beim Menschen ist man der Empathie schon wissenschaftlich auf der Spur. Sie ist in unserem Gehirn angelegt. Sogenannte Spiegelneuronen können die Empfindungen der anderen in uns abbilden. Das passiert auch, wenn wir emotionale Situationen in einem Film sehen: Wir identifizieren uns mit den Filmhelden.

Die Fähigkeit zur Empathie war in der menschlichen Evolution sicherlich eine Voraussetzung für die Liebe. Sie muss von Vorteil gewesen sein, denn sie hat Bindungen verstärkt und die Gemeinschaft zusammengeschweißt. Aber irgendwann im Laufe dieser Entwicklung sind die Gefühle so komplex geworden, dass sie begannen, ein Eigenleben zu führen, das weit über die biologische Notwendigkeit hinausgeht. Liebe: viel mehr als nur Sex, Empathie oder ein Neuronengewitter. Künstler, Philosophen, sogar Religionsstifter haben versucht, die Liebe zu beschreiben. Niemand konnte sie ganz erfassen. Liebe bleibt ein Mysterium.

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