Ampel ringt um Einigung: Haushaltschaos – Showdown im Kanzleramt

    Ampel ringt um Einigung:Haushaltschaos – Showdown im Kanzleramt

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    Kanzler Scholz, Vize Habeck und Finanzminister Lindner - im Hintergrund das Bundeskanzleramt im Dunklen.

    Bundeskanzler Scholz ringt mit Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner um eine Lösung im andauernden Haushaltsstreit. ZDFheute live mit Wirtschaftsweise Veronika Grimm.

    Ampel-Spitzen beraten zu 17-Milliarden-Loch

    Wie sieht der Weg aus – raus aus dem Milliardenloch im Bundeshaushalt 2024? Finanzminister Christian Lindner (FDP) beziffert es auf 17 Milliarden Euro. Im Kanzleramt beraten sie heute, wo und wie das Geld eingespart werden könnte. Kanzler Scholz (SPD), Vizekanzler Habeck (Bündnis90/Grünen) und Finanzminister Lindner sind unter Zeitdruck.
    Am liebsten würde die Ampel den Haushalt noch vor Jahresende unter Dach und Fach bringen: Der Haushalt könnte auch noch 2024 vom Parlament verabschiedet werden, aber die Weichen sollen vor der Kabinettssitzung am 6. Dezember gestellt werden. Ohne politische Grundsatzeinigung droht eine veritable Regierungskrise.

    Schuldenbremse: SPD und Grüne gegen FDP

    Die Positionen der Ampel-Parteien gehen weit auseinander. In der Diskussion über die Schuldenbremse erhält Bundeswirtschaftsminister Habeck Unterstützung durch den bei seinem Ministerium angesiedelten Wissenschaftlichen Beirat. Der spricht sich nach einem Bericht im "Handelsblatt" für eine Reform der Schuldenbremse aus.
    SPD und Grüne setzen sich sogar für das Aussetzen der Schuldenbremse im kommenden Jahr ein, dagegen: die FDP. Bundesfinanzminister Lindner bezeichnet die Einhaltung der Schuldenbremse und den Verzicht auf Steuererhöhungen als rote Linien für eine weitere Regierungsbeteiligung seiner Partei.

    Streitpunkt Bürgergeld-Erhöhung

    Und schlägt vor, die Erhöhung beim umstrittenen Bürgergeld zu stoppen. Die Grünen hingegen wollen das wie die SPD nicht. Habeck will stattdessen an die klimaschädlichen Subventionen ran und dort sparen.
    Ebenso befürwortet das Umweltbundesamt – von Robert Habeck geführt – Kürzungen bei der Pendlerpauschale und beim Dienstwagenprivileg vor. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert "für wichtige Generationenaufgaben wie Klimaschutz und Infrastruktur" Ausnahmen von der Schuldenbremse.

    Wirtschaftsweise Grimm bei ZDFheute live

    Wofür kann noch Geld ausgegeben werden? Wo lässt sich im Haushalt am besten einsparen? Wen betrifft die aktuelle Haushaltskrise konkret?
    Darüber spricht ZDFheute live mit der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm und ZDF-Hauptstadtkorrespondent Daniel Pontzen.

    Ampel-Verhandlungen unter Zeitdruck

    Die Verhandlungen zum Haushalt 2024 gelten insbesondere aufgrund der Differenzen zwischen SPD, Grünen und FDP als äußerst kompliziert. Sollte am heutigen Dienstag keine Einigung gelingen, wird eine Verabschiedung des kommenden Haushalts noch in diesem Jahr immer unwahrscheinlicher.
    Ein Ergebnis vor der morgigen Kabinettssitzung ließe der Regierung zufolge noch genug Zeit für das parlamentarische Verfahren in Bundestag und Bundesrat.

    FDP zieht rote Linien

    Dazu kommt: Vor allem die SPD steht wegen des am Freitag beginnenden Bundesparteitags unter Druck, eine Lösung im Haushaltsstreit zu präsentieren. Scholz zeigt sich am Montag jedoch zuversichtlich:

    Wir sind jetzt dabei, das einfach schneller und sehr, sehr zügig jetzt zu lösen, damit ganz schnell Klarheit herrscht.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

    Die Freien Demokraten wollen sich allerdings nicht drängen lassen und ziehen vor den möglicherweise entscheidenden Gesprächen heute rote Linien:

    Die Schuldenbremse steht für 2024, und Steuererhöhungen wird es nicht geben. (…) Diese beiden Linien sind allseits bekannt und im Koalitionsvertrag verankert.

    FDP-Haushaltsexperte Christoph Meyer gegenüber afp

    Wirtschaftsexperten für Änderungen bei Schuldenbremse

    Vor allem die Schuldenbremse könnte demnach das Zünglein an der Waage sein, um den Knoten zwischen den drei Regierungsparteien zu zerschlagen.
    Gegen ein dogmatisches Festhalten an der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse regt sich neben SPD und Grünen auch Widerstand unter Wirtschaftsexperten.
    Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, die auch die Bundesregierung berät, spricht sich im ZDF-Morgenmagazin für eine Reformierung der Schuldenbremse aus zugunsten von mehr staatlichen Investitionen, beispielsweise Erneuerbare Energien auszubauen.

    Wir sollten jetzt keine Schulden aufnehmen, um die Rente zu erhöhen.

    Prof. Monika Schnitzer, Wirtschaftswissenschaftlerin

    Auch Christian Kastrop, einer der Väter und Architekten der Schuldenbremse, verteidigt im Interview mit dem ZDF-heute journal, die Notwendigkeit der Schuldenbremse.

    Meiner Meinung nach kann sie nicht weg, wir brauchen sie immer noch. (...) Aber es heißt schon auch, dass man nach 14 Jahren Praxis drüber nachdenken kann, sie hier und da anzupassen.

    Prof. Christian Kastrop, Ökonom

    Ist genug Geld für Klimainvestitionen da?

    Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert von der Bundesregierung Ausnahmen von der Schuldenbremse zuzulassen. Vor allem für die kommunale Wärmeplanung, Gebäudesanierungen oder den Ausbau der Ladeinfrastruktur würden Gelder benötigt:

    Das ist auch deshalb gerechtfertigt, da im Vergleich der G7-Staaten Deutschland die geringste Staatsverschuldung hat und die Investitionen von heute den Wohlstand von morgen sichern.

    Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds zur "Rheinischen Post"

    Klimaaktivistin Luisa Neubauer rief die Ampel-Koalitionäre in einem RTL-Interview zur Aufnahme neuer Schulden auf, um den Klimaschutz zu stärken. Deutschland verschulde sich ohnehin bereits an den Lebensgrundlagen, an der jungen Generation sowie an den Menschen im globalen Süden.

    Diese Verschuldung findet jeden Tag statt.

    Luisa Neubauer, Fridays for Future

    Eines scheint klar: Sollte eine Ampel-Einigung in diesem Jahr ausbleiben, könnte die Regierungskoalition nach nur zwei Jahren im Amt gehörig ins Wanken geraten.
    Mit Material von dpa, AFP und Reuters.

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