Ukraine nimmt russische Öllager ins Visier

    Angriffe und Sabotage:Ukraine nimmt russische Öllager ins Visier

    von Christian Mölling und András Rácz
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    Die Ukraine greift vermehrt Treibstoffdepots nahe der Frontlinie an, um die Mobilität der russischen Truppen einzuschränken. Das dient auch zur Vorbereitung der Gegenoffensive.

    Rauchsäule auf der Krim: Treibstofftank vermutlich von Drohne getroffen.
    Ein russisches Öllager in Sewastopol auf der Krim wurde Ende April von ukrainischen Drohnen getroffen.
    Quelle: Reuters

    Die Manövrierfähigkeit der gegnerischen Streitkräfte einzuschränken, indem man sie ihrer Treibstoffvorräte beraubt, ist eine Strategie, die so alt ist wie die mechanisierte Kriegsführung selbst.
    Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Ukraine auf diese Methode im Verteidigungskrieg gegen die Russen verzichten würde, vor allem wenn man bedenkt, dass Kiew offensichtlich über die notwendigen Fähigkeiten für Langstreckenangriffe verfügt, um Russlands Treibstoffvorräte anzugreifen.

    Ukrainische Drohnenangriffe auf Öllager

    Am 29. April geriet ein großes russisches Öllager in Sewastopol auf der besetzten Halbinsel Krim in Brand. Nach anfänglichem Leugnen gaben die russischen Behörden wenig später zu, dass die Anlage von ukrainischen Drohnen getroffen wurde. Das Feuer wütete mehr als einen Tag lang, bis es gelöscht werden konnte. Nach ukrainischen Angaben wurden allein an diesem Ort rund 40.000 Tonnen Öl zerstört.


    • In der Nacht zum Donnerstag ist der Brand eines Öltanks in einer Raffinerie nahe dem Schwarzmeerhafen Noworossijsk in Südrussland gelöscht worden. Das berichtet die Nachrichtenagentur Tass. Das Öllager sei mit einer Drohne angegriffen worden.
    • In der Nacht zum Mittwoch ist ebenfalls in der Region Krasnodar ein Treibstofflager nahe der Krim-Brücke in Brand geraten. Auf Videos in russischen sozialen Medien ist zu sehen, wie Flammen und schwarzer Rauch aus großen Tanks schlugen. Über die Ursachen des Feuers machte Russland zunächst keine Angaben.
    • Am Samstag sind im Krim-Hafen Sewastopol zehn Tanks mit einem Fassungsvermögen von rund 40.000 Tonnen durch einen Drohnen-Angriff zerstört worden. Das berichtet Russland.

    Die Ukraine bekennt sich nur selten zu den nach russischer Darstellung häufigen Drohnenangriffen auf Infrastruktur und militärische Ziele in Regionen in der Nähe Russlands. Die ukrainische Militärspitze hat allerdings eingeräumt, dass Angriffe auf Nachschub-Wege und militärische Logistik Teil der Vorbereitungen für eine seit langem erwartete Gegenoffensive seien.

    Eine weitere große Öleinrichtung wurde am 3. Mai in der russischen Region Krasnodar in der Nähe des Asowschen Meeres getroffen. Auch für diesen Vorfall machten die russischen Behörden einen ukrainischen Drohnenangriff verantwortlich.
    Diese Angriffe zeigen eine Reihe von wichtigen Entwicklungen. Erstens ist die Ukraine in der Lage, das gesamte Gebiet der Krim mit unbemannten Flugzeugen zu erreichen und erfolgreich anzugreifen. Darüber hinaus ist sogar die Region Krasnodar in Reichweite für sie.

    Russische Luftabwehr offenbart Lücken

    Es ist zwar nicht bekannt, wie viele solcher Langstrecken-Angriffsdrohnen die Ukraine besitzt, aber aufgrund der jüngsten Angriffe sind alle militärischen Ziele Russlands in diesen Regionen, einschließlich Treibstoffdepots, Munitionslager, logistische Knotenpunkte, bereits bedroht.
    Brennendes Treibstofflager auf der Krim
    Das Feuer, das in einem Treibstofflager auf der Krim ausgebrochen war, ist gelöscht. Der Gouverneur der Krim machte Drohnenangriffe für das Feuer verantwortlich.29.04.2023 | 0:22 min
    Zweitens ist die russische Luftabwehr offenbar nicht in der Lage, selbst diese wichtigen Anlagen zu schützen. Russland behauptet zwar, dass es in der Lage war, einige der ankommenden Drohnen in Sewastopol abzuschießen. Aber die Abdeckung ist offensichtlich nicht perfekt, denn das große Öllager wurde trotzdem getroffen.



    Sollten die Langstrecken-Drohnenangriffe anhalten, könnte Russland gezwungen sein, einige seiner modernsten Luftverteidigungssysteme, die auch kleine Drohnen abschießen können, für die Verteidigung von Treibstoffanlagern im Hinterland einzusetzen. Die Konzentration der russischen Luftverteidigung auf die Frontlinie dürfte also abnehmen.

    Ukraine sabotiert Eisenbahnstrecken

    Neben Drohnenangriffen finden auch Sabotageakte statt. Am 1. Mai entgleiste in der russischen Region Brjansk ein Treibstoffzug und fing nach einer Explosion auf den Gleisen Feuer. Am nächsten Tag entgleiste in derselben Region ein weiterer Güterzug, nachdem ein improvisierter Sprengsatz die Gleise unter ihm zur Explosion gebracht hatte. Mehrere Tankwagen und die Lokomotive stürzten aus den Gleisen, aber der mitgeführte Treibstoff explodierte diesmal nicht.
    Ein entgleister Güterzug in Russland. Rechts im Bild ein Mann in Tarnjacke und grüner Hose.
    Im russisch-ukrainischen Grenzgebiet ist nach einer Explosion ein Zug von den Schienen abgekommen. Damit ist nun zum zweiten Mal ein Güterzug in der Region entgleist.03.05.2023 | 0:26 min
    Diese Anschläge zeigen, dass die Ukraine trotz des "teilweisen Kriegsrechts", das in den an die Ukraine angrenzenden russischen Regionen verhängt wurde, und trotz der erhöhten Bereitschaft der örtlichen Strafverfolgungsbehörden immer noch in der Lage ist, spezielle Operationen auf der russischen Seite der Grenze durchzuführen.

    Weitere Anschläge vor Gegenoffensive wahrscheinlich

    Angesichts der bevorstehenden Gegenoffensive im Frühjahr ist es sehr wahrscheinlich, dass es zu weiteren Anschlägen dieser Art kommen wird, die sich sowohl gegen Treibstoffzüge als auch gegen Züge mit militärischem Nachschub richten.
    Sollte die Ukraine weiterhin russische Treibstoff- und Infrastrukturziele ins Visier nehmen, könnten diese Angriffe zu Treibstoffengpässen in den Frontgebieten führen. Zwar ist Russland durchaus in der Lage, den Treibstoffverbrauch in den betroffenen Regionen zu rationieren und zu regulieren und dabei den militärischen Nutzern Vorrang einzuräumen, doch hat dies seine Grenzen.
    Anhaltende ukrainische Angriffe könnten daher zu einer Situation führen, in der das russische Militär zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bodenmanöver der ukrainischen Gegenoffensive beginnen, mit ernsthaften Treibstoffengpässen konfrontiert wäre.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

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