In Minsk treffen sich die Staatschefs eines post-sowjetischen Verteidigungsbündnisses. Doch die OVKS wird nur noch von Angst zusammengehalten - Angst vor Russland. Eine Analyse.
Sitzung der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit in Minsk
Quelle: dpa
Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin an diesem Donnerstag in Minsk seine Amtskollegen aus Belarus, Kasachstan, Tadschikistan und Kirgisistan trifft, ist das längst kein Treffen unter Freunden mehr. Das lässt sich schon daran ablesen, wer nicht dabei ist: Armeniens Premier Nikol Paschinjan hat abgesagt, zum zweiten Mal in Folge. Immerhin: Ausgetreten ist er noch nicht.
Die "Organisation des Vertrages für Kollektive Sicherheit" (OVKS) wurde einst gegründet als Gegengewicht zur Nato. Gut 30 Jahre später sind noch sechs Länder Mitglied, die außer ihrer sowjetischen Vergangenheit nicht mehr viel verbindet.
Armenien sagt ab
Niemand macht das so deutlich wie Paschinjan. Im Oktober hatte er bereits das Gipfeltreffen in Bischkek ausgelassen. Stattdessen nahm er an einem Treffen der Europäischen Gemeinschaft in Granada teil. Der Grund: Kurz zuvor hatte Aserbaidschan die Region Bergkarabach angegriffen. Was folgte, war ein Massenexodus von gut Hunderttausend Armenier*innen, verwaltet von russischen Friedenstruppen, die eigentlich dort stationiert waren, um die Sicherheit der Bergkarabach-Armenier*innen zu garantieren.
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Nicht einmal dazu, die aserbaidschanische Aggression zu verurteilen, konnte sich der Kreml durchringen. Auch als Aserbaidschan im September 2022 armenisches Territorium angegriffen hatte, blieb Moskau stumm. Für die Armenier ist das Verteidigungsbündnis längst nutzlos geworden.
Wieviel ist Putins Militärbündnis noch wert?
Auf diese Frage hat Politikwissenschaftler Dmitri Stratievski eine klare Antwort: "Wenig."
Schon seit den 1990er-Jahren scheitert das Bündnis, das damals noch "Vertrag über kollektive Sicherheit" hieß, immer wieder daran, dass es auf Konflikte zwischen seinen Mitgliedern keine Antwort fand, etwa in den Kriegen zwischen Armenien und Aserbaidschan, das bis 1999 dazugehörte. Ebenso im immer wieder gewaltsam aufbrechenden Grenzkonflikt zwischen Kirgisistan und Tadschikistan.
Spätestens seit Russland die Ukraine angegriffen hat, treten die Widersprüche der Allianz endgültig zutage. Alle Länder bis auf Belarus distanzieren sich oder bleiben zumindest neutral in Putins Krieg. "Der Preis für diese Länder wäre zu hoch", sagt Stratievski. Armenien und Kasachstan etwa hätten sich für europäische und US-amerikanische Investitionen geöffnet, an einer Abkehr vom Westen hätten sie kein Interesse.
Armenien musste ohnehin feststellen, dass es sich auf Russland als Schutzmacht nicht mehr verlassen kann. Und Kasachstan fürchtet separatistische Tendenzen, etwa im pro-russischen Norden des Landes. Wohl auch deshalb hatte Präsident Kassym-Schomart Tokajew die ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk nicht als russisch anerkannt.
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Was hält die Mitglieder im Bündnis?
Aber was hält die Mitglieder im Bündnis? "Angst", sagt Stratievski. Russland habe große Militärstützpunkte in Armenien. "Russland kann jederzeit die Unabhängigkeit Armeniens in Frage stellen." Auch im Norden Kasachstan könnte Russland Unruhe stiften.
Putins Signal nach Innen
Für Putin geht es offenbar darum, den Schein zu wahren, vor allem nach innen. So ließ der Kreml am Vortag des Minsker Gipfels verlauten, man wolle mit den OVKS-Ländern über ein einheitliches Luftverteidigungssystem beraten. "Staaten wie Armenien und Kasachstan werden das mit Sicherheit nicht zulassen", sagt Stratievski dazu.
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Aber das Signal an die Russ*innen sei klar: Putin sitzt fest im Sattel, kann die Staaten in der unmittelbaren Nachbarschaft unter Kontrolle halten. Auch wenn das schon lange nicht mehr stimmt.
Nina Niebergall berichtet als Korrespondentin über Russland, die Kaukasusregion und Zentralasien.
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