Waffenlieferungen: Wer die Ukraine am meisten unterstützt

    Vier überraschende Fakten:Wer unterstützt die Ukraine am meisten?

    Florian Neuhann
    von Florian Neuhann
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    Am Dienstag beraten rund 50 Staaten im rheinland-pfälzischen Ramstein mal wieder über Waffenlieferungen an die Ukraine. Dabei hat es zuletzt erstaunliche Veränderungen gegeben.

    Polnische Leopard-Panzer werden an die Ukraine übergeben
    Waffenlieferungen an die Ukraine - auch aus Polen kommt Unterstützung.
    Quelle: Reuters

    Manchmal ist Christoph Trebesch selbst überrascht, was die Daten so zeigen. Seit anderthalb Jahren - beinahe so lange, wie Russland seinen Krieg gegen die Ukraine führt - schaut der Ökonom vom Kieler Institut für Weltwirtschaft darauf, wie sich die finanzielle und militärische Hilfe des Westens an die Ukraine entwickelt.
    Gerade erst hat sein Team ein neues Update des "Ukraine Support Tracker" veröffentlicht. Und im aktuellen Update sehen die Kieler Forscher eine Entwicklung, die in der öffentlichen Debatte kaum jemand auf dem Schirm hat. Vier teils überraschende Fakten.

    Erstens: Erstmals überholt Europa die USA

    Über ein Jahr des Kriegs war es eine Gewissheit, an der niemand vorbeikam: Ohne die USA geht nichts. Grundsätzlich hat sich daran auch nichts geändert - immer noch liefern die USA zum Beispiel extrem viel Munition an die Ukraine.
    USA, Washington: Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen, l), Außenministerin, und Antony Blinken, Außenminister der USA, kommen zu einer Pressekonferenz nach dem bilateralen Gespräch.
    Außenministerin Baerbock und Amtskollege Blinken sagten der Ukraine kürzlich weitere Hilfe zu.16.09.2023 | 0:21 min
    Doch in diesem Sommer hat die Europäische Union die USA überholt. "Das ist das erste Mal, dass wir das seit Ausbruch des Krieges so sehen", sagt Christoph Trebesch. Der Grund dafür seien Mehrjahresprogramme - also Unterstützungszusagen, die Europa bis 2027 abgegeben hat.

    Es scheint so, dass die Bereitschaft der Europäer stetig zugenommen hat im Laufe des Krieges.

    Christoph Trebesch, Kieler Institut für Weltwirtschaft

    Auf der anderen Seite wachsen die Hilfszusagen aus den USA nicht mehr in den Himmel - womöglich auch, weil die Widerstände in der US-Politik größer werden.

    Zweitens: Norwegen und das Baltikum: so viel wie sie hilft keiner

    Spannend wird die Statistik, wenn die Forscher die absoluten Zahlen der Hilfe in Bezug setzen zum Bruttoinlandsprodukt, also zur Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes.
    Weit vorn liegt da ein europäisches Land, das nicht zur EU gehört: Norwegen. Im Februar hatte die Regierung von Premierminister des sozialdemokratischen Premiers Jonas Gahr Støre das bislang größte Hilfspaket für die Ukraine beschlossen: 7,5 Milliarden Euro über fünf Jahre. Damit gibt Norwegen nun 1,7 Prozent des eigenen Bruttoinlandsprodukts für die Ukraine aus - mit Abstand mehr als alle anderen.
    Gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung folgen auf den vorderen Plätzen die baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland mit 1,1 bis 1,4 Prozent ihrer Wirtschaftskraft. Sie gehören in der EU und Nato nicht nur rhetorisch zu den stärksten Unterstützern der Ukraine - sie lassen ihren Worten auch Taten folgen.

    Drittens: Deutschland hat sich beständig an die Spitze gearbeitet

    Deutschland zögert: Dieses Bild hat sich in anderthalb Jahren Krieg in vielen Köpfen festgesetzt. Es stimmt allerdings nicht mehr so ganz. In anderthalb Kriegsjahren hat sich Bundesregierung größtenteils von ihrer abwehrenden Haltung verabschiedet und liefert - ob Munition, Leopard-Panzer oder Systeme zur Luftverteidigung.
    Bundesverteidigungsminister, Boris Pistorius, beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel
    Verteidigungsminister Pistorius kündigte im Juni an, Deutschland werde 64 Lenkflugkörper liefern.16.06.2023 | 0:19 min
    In absoluten Zahlen liegt Deutschland mittlerweile vor Großbritannien und hinter den USA auf Platz zwei des Rankings. Und auch bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt schafft es Deutschland mit 0,5 Prozent der Wirtschaftskraft erstmals unter die Top 10 des Kieler Rankings. Ökonom Trebesch sagt dazu:

    Mich hat überrascht, wie sehr Deutschland in unserem letzten Update aufsteigt.

    Christoph Trebesch, Ökonom

    Besonders in Deutschland habe es eine Verschiebung hin zu einer mittelfristigen und sehr starken Unterstützung gegeben. "Das allerdings ist in der öffentlichen Debatte noch nicht angekommen."

    Viertens: Und die Taurus-Raketen? In der Statistik fielen sie kaum ins Gewicht

    Wie so oft in den letzten anderthalb Jahren verengt sich die öffentliche Debatte auf ein einziges Waffensystem. Diesmal die Taurus-Marschflugkörper, um die die Ukraine die deutsche Bundesregierung bittet.
    Kiew, 11.09.2023: Annalena Baerbock im Gespräch mit dem ukrainischen Außenminister bei ihrem Besuch in Kiew.
    Das anhaltende Zögern der Bundesregierung beim Taurus sorgte in Kiew für Frust.12.09.2023 | 2:38 min
    Sollte Bundeskanzler Olaf Scholz sich nach langem Zögern für eine Lieferung entscheiden, würde dies im Kieler Ranking aber kaum Niederschlag finden: "Rein von den Kosten her macht so ein zusätzliches System keinen großen Unterschied", sagt Trebesch.
    Über die militärische Bedeutung einer solchen Lieferung aber sagt das natürlich nichts aus. Hier könnten die Taurus-Raketen durchaus einen sehr viel größeren Unterschied machen - sollte die Bundesregierung sich zu einer Lieferung durchringen.
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