Taiwan-Wahl 2024: Wie China die Wahlen für sich nutzt

    Analyse

    Drohungen aus Peking:Wie China die Wahl in Taiwan für sich nutzt

    Elisabeth Schmidt, Korrespondentin ZDF-Studio Peking
    von Elisabeth Schmidt, Peking
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    Am 13. Januar wählt Taiwan. Schon jetzt versucht China, den Ausgang zu beeinflussen und nennt einen der Kandidaten "Zerstörer des Friedens". Pekings Drohungen werden schärfer.

    Taiwan Election
    Die oppositionelle Kuomintang (KMT) und ihr Spitzenkandidat Hou Yu-ih sprechen sich für eine Annäherung an China aus.
    Quelle: AP

    Seit 2016 reden China und Taiwan offiziell nicht mehr miteinander. Damals kam die derzeit amtierende Präsidentin der demokratischen Inselrepublik, Tsai Ing-wen, an die Macht. Tsai von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) wollte sich damals trotz Drucks aus Peking nicht öffentlich zum Ein-China-Prinzip bekennen. Die Volksrepublik China hatte daraufhin alle Regierungskontakte abgebrochen.
    Auf dem Bild ist ein chinesischer Drache zu sehen.
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    Xi: "Wiedervereinigung" mit Taiwan "unvermeidbar"

    Heute, acht Jahre später, sind die Fronten verhärteter denn je. Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Taiwan seien eine "wichtige Entscheidung zwischen Frieden und Krieg, Wohlstand und Rezession", sagte vor Kurzem Zhang Zhijun, Präsident der staatlichen chinesischen Vereinigung für Beziehungen über die Taiwanstraße hinweg.
    Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nannte in seiner Neujahrsansprache die "Wiedervereinigung" mit Taiwan "historisch unvermeidbar". Beide Seiten der Taiwanstraße sollten an diesem Ziel arbeiten. Die Einverleibung Taiwans will Xi noch in seiner Amtszeit erreichen. Nicht "Ob" ist in der Volksrepublik die Frage, nur "Wann" und "Wie".

    China - kritischer Kandidat liegt vorn

    Die Wahlen in Taiwan versucht Peking bereits für seine Interessen zu instrumentalisieren und spricht von einer Schicksalswahl - und dass, obwohl alle Umfragen zuletzt auf Kontinuität in Taiwan hindeuten, zumindest was die Präsidentschaft betrifft: William Lai Ching-te (DDP) liegt demnach vorn.
    Peking brandmarkte ihn unlängst als "Zerstörer des Friedens". Lai sei Anstifter eines potenziell gefährlichen Krieges in der Straße von Taiwan, sagte Chen Binhua, Sprecher des chinesischen Büros für Taiwan-Angelegenheiten. Lai hatte zuvor in einer Fernsehdebatte Taiwans Recht verteidigt, sich selbst als Demokratie zu regieren.
    Obwohl sich alle drei Kandidaten der konkurrierenden Parteien (DPP, Kuomintang, Taiwanische Volkspartei) für eine Beibehaltung des Status quo Taiwans aussprechen, stammt der aus Sicht der Volksrepublik Peking-freundlichste Kandidat traditionell von der Kuomintang (KMT): Hou Yu-ih kritisiert die DPP für den Kommunikationsabbruch mit Peking und setzt sich für eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen ein. Er liegt in Umfragen derzeit hinter Lai, was Peking nicht gefallen dürfte.

    Taiwans Geheimdienst: China will Wahl beeinflussen

    Festland-China versuche seit Monaten, die Wahlen zu beeinflussen, kritisiert Taiwans Geheimdienstchef. Hacker hätten versucht, Umfrageergebnisse zu manipulieren, Fake News über die Kandidaten würden gezielt gestreut, aber auch plötzliche Importverbote der Volksrepublik, etwa auf Obst und Gemüse aus Taiwan, seien ein Versuch, Wählerstimmen zu lenken.
    Im Januar 2021 sprach die Regierung der Volksrepublik zum ersten Mal explizit von Krieg, sollte sich Taiwan unabhängig erklären. Regelmäßig führt die Volksbefreiungsarmee Militärmanöver rund um Taiwan durch. Im April 2023 übte sie nach eigenen Angaben die "Abriegelung" der Insel, inklusive "Luftblockade" aus "Kampfflugzeugen mit scharfer Munition".
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    Nun, kurz vor den Wahlen, teilte Taiwans Verteidigungsministerium mit, vier chinesische Ballons seien in der Nähe eines Luftwaffenstützpunktes auf der Insel gesehen worden. Taipeh versteht dies als weiteren Einschüchterungsversuch. Am Sonntag setzte Peking außerdem fünf US-Firmen auf eine Sanktionsliste und warf Washington vor, Waffen an Taiwan verkauft zu haben.

    Pekings Narrativ: "Separatisten" auf Taiwan

    Peking hat immer betont, es ziehe eine "friedliche Wiedervereinigung" mit Taiwan einem militärischen Konflikt vor. In Hongkong hat es Xi bereits geschafft, die dortige Demokratiebewegung niederzuschlagen und ein Wahlgesetz durchzusetzen, dass nur noch "patriotische" (sprich: Peking- bzw. der Partei loyalen) Hongkongern eine Kandidatur erlaubt. De facto kommt das einem Anschluss ans Festland gleich.
    Die Wahlen in Taiwan spielen Peking in die Karten: Sollte es einmal zum Krieg um Taiwan kommen, scheint die Erklärung der chinesischen Propaganda bereits ausgemacht: Nicht Peking wird ihn dann vom Zaun gebrochen haben, sondern die "Separatisten" auf Taiwan selbst, angestachelt durch ausländische Kräfte, allen voran den USA.

    1912 wurde die "Republik China" ausgerufen. Ihr Staatsgebiet umfasste damals ganz China - das Festland und seit 1945 auch Taiwan. Nach dem chinesischen Bürgerkrieg 1949 hatte die Kommunistische Partei auf dem chinesischen Festland die Macht errungen und die "Volksrepublik" ausgerufen. Die unterlegene Kuomintang zogen sich nach Taiwan zurück. Als Resultat des Bürgerkrieges bestehen bis heute zwei separate chinesische Staaten: zum einen die sozialistische Volksrepublik China und zum anderen die von nur wenigen Staaten als eigenständig anerkannte demokratische Republik China (Taiwan). Die Volksrepublik betrachtet Taiwan, obwohl sie die Insel faktisch nie beherrscht hat, als Bestandteil des chinesischen Territoriums. Peking hält am "Ein China-Prinzip" fest. Nach dieser Doktrin der Kommunistischen Partei Chinas gibt es nur ein einziges China - inklusive Taiwan, Hongkong und Macau. Die Republik China (Taiwan) wiederum betrachtet sich selbst als souveränen Staat, von dem sich die Volksrepublik abgespalten habe.

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