Befristete Verträge an Unis:"Wie soll ich das schaffen ohne Burnout?"
von Dominik Rzepka
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Wer an deutschen Unis arbeitet, bekommt oft nur befristete Verträge. Die Unsicherheit ist groß. Das will die Ampel ändern. Doch Betroffene sehen nicht, dass sich etwas verbessert.
Das Kabinett hat am Mittwoch eine Reform des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes beschlossen. (Archivfoto)
Quelle: dpa
Tobias ist gerade in eine neue Stadt gezogen. Wegen der Arbeit. Denn an seiner alten Uni war nicht klar, wie es für ihn nach der Promotion weitergeht. Die Perspektive hat gefehlt.
Jetzt promoviert Tobias, der eigentlich anders heißt, in Wirtschaftswissenschaften an einer anderen deutschen Uni. Sein Vertrag dort ist auf drei Jahre befristet. Die Zukunftssorgen sind mit umgezogen in die neue Stadt:
Nur zwei Kollegen arbeiten unbefristet
Tobias beklagt ein System von Kettenverträgen an deutschen Hochschulen. Chefs und Chefinnen hätten es in der Hand, ob man nach den drei Jahren weiter an der Uni beschäftigt bleiben könne. Laut Bildungsministerium sind viele Verträge an Unis befristet. Mindestens jeder dritte davon hat eine Laufzeit von weniger als einem Jahr.
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"Ich kenne überhaupt nur zwei Kollegen, die unbefristet beschäftigt sind", sagt Tobias. Zuletzt seien Freunde von ihm, exzellente Wissenschaftler, in die Wirtschaft gewechselt. Dahinter stehe auch die Sorge, eine Familie ernähren oder Kredite abbezahlen zu können.
Ampel reformiert Regeln bei Zeitverträgen
Um die Jobs an Unis verlässlicher und attraktiver zu machen, hat das Bundeskabinett am Mittwoch eine Reform des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes beschlossen. Künftig sollen:
- der erste Arbeitsvertrag vor der Promotion mindestens drei Jahre dauern,
- der Vertrag nach der Promotion mindestens zwei Jahre dauern und
- Post-Docs nicht mehr sechs, sondern vier Jahre befristet werden.
Post-Doc beschreibt die Phase zwischen Promotion und Habilitation, also nach dem Doktor und vor der Professur. Dort soll es künftig ein "4+2"-Modell geben.
Ein auf vier Jahre befristeter Post-Doc-Vertrag soll nur noch dann um weitere zwei Jahre befristet verlängert werden dürfen, wenn es eine verbindliche Zusage gibt, dass die Stelle anschließend unbefristetet wird. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hält die Reform für eine Verbesserung:
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Massive Kritik von Gewerkschaften
Gewerkschaften und Studierendenvertreter sehen das anders. Von einer "Verschlechterung der aktuellen Situation" spricht Sonja Bolenius vom Deutschen Gewerkschaftsbund.
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Das 4+2-Modell werde in der Praxis dazu führen, dass viele nun versuchen würden, ihre Habilitation oder vergleichbare wissenschaftliche Leistungen in vier Jahren zu schaffen. Sie sagt ZDFheute:
Der DGB fordert stattdessen Dauerstellen für Daueraufgaben in Lehre und Forschung und unbefristete Beschäftigung nach der Promotion. Insgesamt bleibe die Reform hinter dem zurück, was die Ampel im Koalitionsvertrag vereinbart habe.
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Warum die Reform den Druck nicht mindert
Auch Tobias geht nicht davon aus, dass sich durch die Reform etwas an seiner Situation verbessere. Im Gegenteil. Tobias will nach der Dissertation habilitieren und dann an der Uni arbeiten. Das 4+2-Modell erhöhe aber nur den Druck, anstatt ihn zu beseitigen.
Er könne die Anforderungen an die Stelle einer Professur in der Kürze dieser Zeit nicht erfüllen, sagt er. Einem Freund gehe es ganz ähnlich. "Der wird jetzt Professor im Ausland. Er hat keine Lust mehr auf das deutsche System."
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