Ukraine: So wichtig ist der Brückenkopf am Fluss Dnipro

    Ukraine überquert Fluss:So wichtig ist der Brückenkopf am Dnipro

    von Christian Mölling, András Rácz
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    Ukrainische Truppen haben am linken Ufer des Dnipro einen Brückenkopf errichtet. Er bedroht Russlands Nachschubwege und Befestigungen. Der Ausbau der Stellungen ist kompliziert.

    Die beschädigte Antoniwkabrücke in Cherson
    Die Antoniwkabrücke, der Hauptübergang über den Fluss Dnipro in Cherson, wurde Anfang November 2022 von russischen Truppen zerstört.
    Quelle: dpa

    Den ukrainischen Streitkräften ist es gelungen, einen Brückenkopf am linken, östlichen Ufer des Dnipro in der Nähe der Stadt Oleshky zu errichten. Dies bestätigen sowohl ukrainische als auch russische Quellen sowie standortverifiziertes Videomaterial.
    Seit der Befreiung des westlichen Teils der Region Cherson im November letzten Jahres haben sowohl ukrainische als auch russische Streitkräfte regelmäßig kleinere Operationen im Delta des Dnipro durchgeführt und sind gelegentlich auf den vielen kleinen Inseln der Region gelandet. Die hochkomplexe Geografie des Flussmündungsgebiets bietet ein ideales Terrain für solche Aufklärungsoperationen in kleinem Maßstab.



    Chance der Ausweitung für gepanzerte Fahrzeuge

    Doch die Etablierung dieser dauerhaften Präsenz am Ostufer des Dnipro - auf dem Festland - ist ein ukrainischer Erfolg anderen Ausmaßes. Denn die Ukraine hat vom Westen eine beträchtliche Anzahl mobiler Ponton-Systeme sowie einiges amphibisches Material erhalten. Zusammen mit den verbleibenden - kleinen, aber vorhandenen - ukrainischen Seekapazitäten könnten diese für den weiteren Ausbau des Brückenkopfes ausreichen - einschließlich der Überfahrt einiger schwerer Waffensysteme, insbesondere gepanzerter Mannschaftstransporter und anderer leichterer Fahrzeuge.
    Dies hängt allerdings davon ab, ob es den ukrainischen Truppen in Oleshky gelingt, ihre Stellungen trotz der russischen Artillerie- und Luftangriffe zu halten. Eine Schlüsselrolle wird dabei die am Westufer des Dnipro stationierte ukrainische Langstrecken-Präzisionsartillerie spielen, die in der Lage sein könnte, die russische Artillerie in der Region zu unterdrücken, wenn sie über genügend Munition verfügt. Eine ähnlich wichtige Rolle wird die ukrainische Luftabwehr spielen, die der russischen Luftwaffe den Zugang zum Brückenkopf verwehren soll.

    Russischer Nachschub und Rückzug in Gefahr

    Ein ukrainischer Brückenkopf am linken Ufer ist für Russland besonders heikel, da die im östlichen Teil der Region Cherson errichteten russischen Befestigungen entlang einer Ost-West-Achse gebaut wurden, um einen ukrainischen Angriff von Norden her aufzuhalten. Daher stellt ein ukrainischer Brückenkopf, der diese Verteidigungslinien möglicherweise von Westen her angreifen könnte, eine erhebliche Bedrohung für die russischen Streitkräfte in der Region dar.
    Sollte die Ukraine in der Lage sein, von diesem Brückenkopf aus vorzustoßen, und sei es auch nur in Form eines kleineren Ablenkungsangriffs, der parallel zur bevorstehenden größeren Gegenoffensive durchgeführt wird, könnte dies die Nachschubwege der russischen Streitkräfte in der Region ernsthaft beeinträchtigen. Sollte der ukrainische Gegenangriff im Norden durchbrechen, könnte ein Brückenkopf am Dnipro auch die russische Rückzugsroute zur Krim ernsthaft gefährden.

    Größte Herausforderung: Versorgung des Brückenkopfes

    Allerdings wird es für die Ukraine aus logistischen Gründen äußerst schwierig, den kleinen Brückenkopf signifikant auszubauen. Vor allem deshalb, weil alle drei Brücken über den Fluss Dnipro im vergangenen Jahr von den abziehenden russischen Streitkräften zerstört wurden. Seitdem stellt der Fluss eine massive natürliche Barriere dar. Die Durchführung einer größeren Operation über den Fluss könnte durch den Bau von Pontonbrücken ermöglicht werden, die jedoch sehr anfällig für russische Artillerie- und Luftangriffe sind.
    Dennoch ist es für Russland von entscheidender Bedeutung, diesen ukrainischen Brückenkopf zu zerstören oder zumindest zu isolieren und sicherzustellen, dass die Ukrainer von dort aus nicht weiter nach Osten oder Süden vordringen können. Daher ist in den kommenden Tagen und Wochen mit intensiven Kämpfen in diesem Gebiet zu rechnen.
    Alles in allem ist noch unklar, ob die Ukraine willens oder in der Lage sein wird, den Brückenkopf zu einem potenziellen Ausgangspunkt für eine größere Operation auszubauen. Solange jedoch ukrainische Truppen am linken Ufer des Dnipro präsent sind, werden sie Russland zwingen, seine Kräfte aufzuteilen.
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