"Mini-Trumps" fühlen sich auf dem Vormarsch in Europa

    Kommentar

    Nationalisten in Europa:"Mini-Trumps" fühlen sich auf dem Vormarsch

    Ulf Röller
    von Ulf Röller
    |

    Die Midterms mögen Trump geschwächt haben, doch seine Bewegung bleibt Vorbild - auch für Nationalisten in Europa. Die europäischen "Mini-Trumps" fühlen sich auf dem Vormarsch.

    Premierministerin Giorgia Meloni
    Premierministerin Giorgia Meloni
    Quelle: epa

    Die US-Parlamentswahlen lassen manchen Kommentator aufatmen. Die Demokratie habe sich zurückgemeldet. Mal sehen. Donald Trump wurde oft totgesagt. Aber es stimmt: Der Ex-Präsident wirkt geschwächt, einige seiner Kandidaten haben eine Niederlage eingefahren und die republikanische Partei geht vorsichtig auf Distanz.  
    Aber: Der "Trumpismus" lebt. Dieses politische Gebräu aus Nationalismus, das Flüchtlinge herabwürdigt, das gegen Homosexuelle polemisiert und das Trumps zweifelhafte Rolle beim Sturm auf das Kapitol nicht verurteilt.  

    Europas Rechte wollen EU-Bürokraten das Fürchten lehren  

    In Europa fühlen sich viele Nationalisten auf dem Vormarsch - gestärkt durch Wahlerfolge in Italien und Schweden. Um nicht alle aufzuzählen. Europas Rechte begreift sich wie Trump als Teil einer Bewegung gegen das sogenannte Establishment. "Wir holen uns unser Land zurück", hat Trump immer seinen Anhängern zugerufen. 
    So wie der Ex-Präsident den linken Eliten in Washington den Kampf angesagt hat, so wollen Europas Rechte den Bürokraten in der EU das Fürchten lehren.  
    Giorgia Meloni
    Ob in Italien, Ungarn oder Polen: Rechte Parteien und Nationalisten verzeichnen in Europa zunehmend Erfolge und lassen das Gemeinschaftsprojekt „EU“ hilflos aussehen.09.11.2022 | 2:32 min

    Melonis Wahl als Kampfansage gegen Brüssel 

    Die neue italienische Regierungschefin Meloni inszenierte genüsslich ihre Wahl als Kampfansage gegen Brüssel: "In Europa fragen sich jetzt alle. Was wird die Meloni machen." Sie gab die Antwort gleich selbst: "Ich kann ihnen sagen, was wir machen. Der Spass ist vorbei. Italien verteidigt wieder seine Nationalen Interessen." Klingt wie Trumps "America first"-Agenda.
    Meloni suchte immer die Nähe zur Trump-Bewegung, trat vor seinen Anhängern auf, gab sich als Kulturkämpferin gegen Linke Gleichmacherei und als Retterin des Christentums.   
    "Europas Bürokraten sagen uns, wir müssen alle einbeziehen und müssen deshalb alle Hinweise auf Weihnachten in den EU-Dokumenten entfernen", erklärte sie mit gespielt sorgenvoller Stimme. Um sich dann als Widerstandskämpferin zu präsentieren. "Werden wir uns diesem Denken unterwerfen? Niemals." 

    Trump dient Nationalisten als Symbolfigur

    Der Wahlsieg Melonis zeigt, wie stark die Nationalisten sind. Sie brauchen Ex-Präsident Trump nicht mehr als politischen Anführer. Er hilft ihrer Bewegung schon als Symbolfigur, die gezeigt hat, dass Nationalisten es bis ins Weiße Haus schaffen können. Das gibt den vielen "Mini-Trumps" in Europa Kraft.   
    So wie Polens Regierungschef Morawiecki. Er schwärmt vom Christentum als Leitkultur in Europa.  
    So wie die Frankreichs rechtsextreme Le Pen, die ein Europa mit hochgezogenen Grenzen will, in der Nationalisten das Sagen haben. 
    So wie Ungarns Regierungschef Orban. Der die Unabhängigkeit der Gerichte abschafft und enge Beziehungen zu Trump pflegt. 

    Orban spielt ein zynisches Spiel

    Orban spielt dabei ein zynisches Spiel. Er bleibt in der Europäischen Union, um die vielen Milliarden zu kassieren, schafft aber Stück für Stück autoritäre Strukturen in seinem Land und verstößt damit gegen die eigentliche Idee Europas.
    Die EU hat deshalb ein Rechtsstaatsverfahren in der EU eingeleitet. Noch ist nicht sicher, ob Brüssel die Kraft findet, Orban Fördermittel vorzuenthalten.  
    "Die Nationalisten in der EU könnten das Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn einfach blockieren", warnt Daniel Freund, EU-Abgeordneter von den Grünen.

    Die EU könnte bei weiteren Wahlerfolgen der Nationalisten alle Werkzeuge verlieren, das Recht noch durchzusetzen. 

    Daniel Freund, Europa-Abgeordneter Grüne

    Zeitenwende in Europa

    Es ist auch eine Zeitenwende innerhalb Europas. Auf der einen Seite die Ultrarechten, die die Zukunft in der Rückkehr und Stärkung des Nationalstaates zu erkennen glauben.
    Und auf der anderen Seite: Ein Europa, dass den Verfolgten einen Zufluchtsort geben will, das vielfältig und bunt sein will. Trump mag Geschichte sein, sein Denken ist es nicht. 

    Nachrichten | Thema
    :Rechtsextremismus

    Vom NSU-Terror über die Morde an Lübcke und in Hanau bis zu den Reichsbürgern: Rechtsextremismus ist eine große Gefahr. Wie die AfD zu ihm in Verbindung steht, wird erläutert.
    Teilnehmer einer rechtsextremen Demonstration

    Mehr zum Thema Rechtsextremismus in Deutschland