Kiewer Höhlenkloster: Nebenschauplatz des Krieges

    Ukrainisch-Orthodoxe Kirche:Höhlenkloster als Nebenschauplatz des Krieges

    von Thomas Dudek
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    Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche, die sich lange zu Moskau bekannte, soll das Höhlenkloster in Kiew räumen. Doch das Vorgehen der ukrainischen Behörden ist politisch bedenklich.

    Menschen spazieren im Höhlenkloster, auch bekannt als Kiew-Pechersk Lawra, einer der heiligsten Stätten der orthodoxen Christen.
    Bis zum 29. März sollten die rund 200 Mönche und 250 Seminaristen der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche das Kloster verlassen.
    Quelle: dpa

    Die goldenen Kuppeln des Höhlenklosters im Stadtzentrum von Kiew sind unübersehbar. Auf einem Hügel am Dnjepr liegt eine der ältesten und bedeutendsten Klosteranlagen des orthodoxen Christentums, die allein in den letzten 100 Jahren auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken kann.
    Nach der Russischen Revolution wurde das während der Kiewer Rus gegründete Kloster von der damals jungen Sowjetmacht in ein Museumslager umgewandelt. Erst durch Gorbatschows Reformen kehrten 1988 in den unteren Teil der Klosteranlage die ersten Mönche wieder zurück.
    Doch in diesen Tagen erlebt das Höhlenkloster erneut turbulente Zeiten, die sogar zu Streitigkeiten zwischen Demonstranten führten.

    Seminaristen sollen Kloster verlassen

    Bis zum 29. März sollten die rund 200 Mönche und 250 Seminaristen der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche das Kloster verlassen, was diese bisher jedoch verweigern. Rein rechtlich ist die Kirche Mieterin des unteren Teils der "Lawra", ohne jedoch zu bezahlen.
    Bereits Ende vergangenen Jahres beendeten die Behörden den Pachtvertrag für den oberen Teil des Höhlenklosters, in dem sich ein staatliches Museum befindet. Pawel Lebed, der Abt des Klosters, wurde wiederum am vergangenen Wochenende von einem Gericht zu einem 60-tägigen Hausarrest verurteilt.

    Ukrainisch-Orthodoxe Kirche bekannte sich lange zum Moskauer Patriarchat

    Nach Meinung der Mönche, die sich bisher weigern das Kloster zu verlassen, geht es in dem Streit jedoch um mehr als um Pachtverträge und nicht gezahlte Mieten. Und damit haben sie sogar gar nicht Unrecht. Denn die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche hat sich erst im vergangenen Jahr, nach dem Beginn der russischen Großinvasion in die Ukraine, von der Russisch-Orthodoxen Kirche losgesagt.
    Bis dahin bekannte sie sich offen zum Moskauer Patriarchat, das wiederum die 2018 entstandene und staatsnahe Orthodoxe Kirche der Ukraine bis heute nicht anerkennt.
    Doch trotz der Abgrenzung von Moskau steht die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche bis heute unter Verdacht, dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. ergeben zu sein. Dieser macht aus seiner Nähe zu Wladimir Putin, den er 2012 als ein "Wunder Gottes" bezeichnete, und seiner Unterstützung für den Krieg in der Ukraine kein Geheimnis.

    Behörden mit Vorwürfen gegen Abt Pawel

    Der Verdacht gegenüber der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, mit Russland zu kollaborieren, zeigt sich auch in den Ermittlungen gegen Abt Pawel, der in der Ukraine nicht nur wegen seiner politischen Ansichten umstritten ist, sondern auch wegen seiner offen gezeigten Vorliebe für Luxusgüter.
    Die "Schürung interreligiöser Feindschaft" und "Rechtfertigung des russischen Aggressionskrieges" werfen ihm die ermittelnden Behörden vor. Als Beweis veröffentlichte der ukrainische Geheimdienst SBU ein abgehörtes Gespräch, in dem sich der Abt über die Eroberung Chersons durch die russische Armee freut. Vorwürfe, die der Geistliche jedoch bestreitet.

    Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche hat es bis heute nicht geschafft, sich glaubwürdig von Moskau zu distanzieren.

    Regina Elsner, Theologin

    "Und das liegt vor allem an ihren Bischöfen und einem Teil der Geistlichen, die mit Russland sogar offen kollaborieren", sagt die Theologin Regina Elsner, die sich auf die orthodoxen Kirchen Osteuropas spezialisiert hat.

    Theologin: Gefahr für interreligiösen Frieden

    Was jedoch nicht bedeutet, dass das aktuelle Vorgehen der ukrainischen Behörden trotzdem unproblematisch ist. "Das ist durchaus eine Gefahr für den interreligiösen Frieden in der Ukraine, auch wenn die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche von vielen Bürgern misstrauisch beäugt wird. Doch damit werden auch die Gläubigen stigmatisiert, die tatsächlich nicht mit Russland kollaborieren und sich klar zu der Ukraine bekennen", erklärt Elsner, die derzeit Lehrstuhlvertreterin an der Uni Münster ist, und verweist dabei noch auf einen anderen Aspekt.
    Fraglich ist auch, ob das harte Vorgehen der Behörden auch politisch klug ist. "In der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, die schon vor der großen Invasion laut Umfragen weniger Anhänger hatte als die staatsnahe Orthodoxe Kirche in der Ukraine, wenden sich immer mehr Gläubige ab. Die Spaltung zwischen Gläubigen und Hierarchie wächst. Dadurch werden aber diejenigen gestärkt, die sich als verfolgte Kirche verstehen", so Elsner.
    Freuen kann sich dagegen die russische Propaganda. Diese kann die Causa Höhlenkloster als Beleg dafür nutzen, dass in der Ukraine eine freie Religionsausübung nicht möglich sei. Dies auch auf Kosten der Gläubigen, die gegen den russischen Einmarsch sind.
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    Quelle: ZDF
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