CDU-Vorstandsmitglied Joe Chialo bezweifelt, dass Annalena Baerbocks feministische Außenpolitik in Afrika gut ankommt. Viele afrikanische Länder erwarteten andere Dinge von Europa.
Wie die USA, China, Russland und die EU zunehmend um die Gunst der afrikanischen Länder werben sowie zur deutschen Entwicklungshilfe und den Zukunftsperspektiven Afrikas
Als Sohn einer tansanischen Diplomatenfamilie hat Joe Chialo schon früh gelernt, was diversen afrikanischen Ländern außenpolitisch besonders wichtig ist. "Sie wollen, dass ihre Interessen gesehen werden. Und das findet leider viel zu wenig statt", sagte er am Mittwochabend bei Markus Lanz.
Chialo gehört seit dem vergangenen Jahr zum Bundesvorstand der CDU. Und er kritisiert die Strategie von Außenministerin Annalena Baerbock, die aus seiner Sicht afrikanische Interessen eben nicht genug berücksichtige: "Konkretes Beispiel: feministische Außenpolitik. Inhaltlich bin ich d'accord, sind viele Menschen d'accord", sagte er.
Die Staaten Afrikas "wollen nicht paternalisiert und bevormundet werden", fügte Chialo an.
Außenministerin Baerbock stellt heute mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze ihre „Leitlinien feministischer Außenpolitik“ im Kabinett vor. Darin soll es nicht um Frauenrechte gehen, sondern um die Sicherheit jedes einzelnen Menschen.
Gleichstellung von Frauen und Männern fördern
Baerbock hatte vor knapp zwei Wochen zusammen mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze die Leitlinien der sogenannten feministischen Außenpolitik vorgestellt. Diese soll die Rechte von Frauen überall auf der Welt stärken. Konkret will das Entwicklungsministerium bis 2025 über 90 Prozent seines neuen Budgets in Projekte stecken, die die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern.
Chialo ist skeptisch: "Gerade, wenn wir über China, über Russland und über die EU sprechen, dann finde ich, kann man sich bei einer Präsentation der zukünftigen Strategie des Entwicklungshilfeministeriums oder Außenministeriums an so einem Terminus verbeißen", sagte er mit Blick auf Afrika.
Das Kabinett will in der Außenpolitik Frauen- und Minderheitsrechte stärker berücksichtigen. Außenministerin Baerbock und Entwicklungsministerin Schulze stellten heute ihre Pläne vor.
Chialo: Irritationen in Afrika
Seiner Ansicht nach könnte eine zu starke Fokussierung auf den feministischen Teil der Außenpolitik den Blick verstellen für das, was afrikanische Länder viel mehr umtreibe. "Was aber eben nicht stattfindet, ist beispielsweise: Wie gehen wir mit der neu geschaffenen Freihandelszone in Afrika eigentlich um? Was für Antworten haben wir denn eigentlich als Europa darauf?", sagte Chialo.
Melanie Müller, Afrika-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, entgegnete: "Ich würde da kurz widersprechen, weil die südafrikanische Regierung, das ist ja gar nicht so bekannt, schon vor einigen Jahren das Konzept feministische Außenpolitik tatsächlich selber propagiert hat."
"Es ist nicht so, als wären Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft gleichberechtigt", so die Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am Internationalen Frauentag.
Müller: "Es gibt viel Kritik an diesem Wording"
Südafrika war in den Jahren 2019 und 2020 zusammen mit Deutschland nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und habe dort "genau dieses Konzept verfolgt". Müller ergänzte bezüglich Chialos Zweifeln an feministischer Außenpolitik: "Ich verstehe den Punkt. Es gibt viel Kritik an diesem Wording."
Für Chialo ist China ein Gegenbeispiel zum europäischen Umgang mit Afrika. Nach der Gründung des Staates Tansania etwa sei China eines der ersten Länder gewesen, das diesen anerkannt habe. "Es gibt eine gewachsene politische, wirtschaftliche, aber auch kulturelle Beziehung zwischen Tansania und China. Das lief nur alles unter dem Radar", sagte er.
Chialo: "Wake-Up Call" für Europa
Bei Sanktionen gegen Russland enthielten sich einige Länder Afrikas oder stimmten sogar dagegen. Das sei laut Chialo im Moment für Europa ein "Wake-Up Call":
Chinas Seidenstraßen-Strategie ziele bis ins Jahr 2049, dem 100. Jahrestag der eigenen Staatsgründung. Dabei will China auch seine wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit Afrika noch massiv ausbauen. In Deutschland denke die Politik hingegen nur "von Legislaturperiode zu Legislaturperiode". "Insofern haben wir da ein ganz großes Problem", folgerte Chialo.