Landminen in der Ukraine: Der Tod lauert in jedem Feld

    Ukraine auf Jahrzehnte verseucht:Landminen: Der Tod lauert in jedem Feld

    von Markus Thöß, Nils Metzger, Katja Belousova
    |

    Landminen und nicht explodierte Sprengsätze kosten zahllose Leben in der Ukraine. Das Land von ihnen zu befreien, dürfte Jahrzehnte dauern. Dabei helfen auch deutsche Freiwillige.

    Minensucher hockt auf einem Film
    Bei der Beseitigung der Minen in der Ukraine helfen auch Freiwillige aus Deutschland mit.17.01.2023 | 7:42 min
    Vor einem Jahr, am 4. April 2022, feierte die Ukraine ihren ersten großen Sieg. Damals zogen sich die russischen Streitkräfte geschlagen aus der Region um Kiew zurück. Doch bis heute hat der Krieg dort und in anderen Regionen todbringende Spuren hinterlassen - das Land ist weiterhin verseucht mit Landminen und nicht explodierten Sprengsätzen. 
    Laut dem "Landminen Monitor 2022" der Internationalen Kampagne für ein Verbot von Landminen (ICBL) starben allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres mindestens 277 Zivilisten in der Ukraine durch Landminen. Darunter auch viele Kinder, die die Minen nicht als solche erkennen und sie für Spielzeug halten.

    ... gilt als Internationaler Tag der Minenaufklärung. Damit wollen die Vereinten Nationen auf die anhaltende Gefahr durch Minen und Blindgänger aufmerksam machen.

    Viele Regionen der Ukraine vermint

    Das genaue Ausmaß der Minenverseuchung kann nur geschätzt werden. Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vom März sei knapp ein Drittel der ukrainischen Landesfläche durch Minen und nicht explodierte Kampfmittel gefährdet. Aus Angst vor Minen trauen sich auch viele Landwirte nicht mehr auf ihre Felder - ukrainische Bauernvertreter rechnen mit Auswirkungen auf die Ernte.

    Ein großer Teil dieses Gebiets ist das Land unserer Bauern.

    Wolodymyr Selenskyj, Präsident Ukraine

    Seit ihrem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 haben die russischen Streitkräfte nachweislich mindestens sieben Arten von Antipersonenminen eingesetzt - die unterscheiden nicht zwischen Soldaten und Zivilisten und ihre Splitter sind oft noch auf Dutzende Meter tödlich.

    • MOB, Herkunft: Russland, Typ: Stockmine, Zündung: Stolperdraht/Befehl
    • MON-50, Herkunft: UdSSR/Russland, Typ: Stockmine, Zündung: Stolperdraht/Befehl
    • MON-100, Herkunft: UdSSR/Russland, Typ: Stockmine, Zündung: Stolperdraht/Befehl
    • OZM-72: Herkunft: UdSSR/Russland, Typ: Stockmine, Zündung: Stolperdraht/Befehl
    • PMN-4, Herkunft: Russland, Typ: Druckmine, Zündung: Druck
    • POM-2/POM-2R, Herkunft: UdSSR/Russland, Typ: Stockmine, Zündung: Stolperdraht
    • POM-3: Herkunft: Russland, Typ: Stockmine, Zündung: Erschütterung

    Quelle: Landmine Monitor 2022

    Antipersonenminen international geächtet

    Dabei ist der Einsatz von Antipersonenminen international geächtet. Das Ottawa-Abkommen von 1997 verbietet Herstellung, Lagerung und Einsatz bestimmter Minenarten, die gegen Menschen gerichtet sind. Russland zählt neben China und den USA zu jenen Ländern, die dieses Abkommen nicht unterzeichnet haben. Die Ukraine ratifizierte es 2005.
    Ihren Bestand an Antipersonenminen hatte die Ukraine zu Kriegsbeginn jedoch nicht vollständig vernichtet. Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von Januar warf auch Kiew vor, in der Region Isjum mit Raketen verschossene Antipersonenminen eingesetzt zu haben. Die ukrainische Regierung kündigte daraufhin eine Untersuchung der Vorwürfe an. 
    Für Anti-Fahrzeug-Minen hingegen existieren Verbote, wie sie im Ottawa-Abkommen formuliert sind, nicht. Allein aus Deutschland hat die Ukraine nach Angaben der Bundesregierung darum bereits 14.900 Panzerabwehrminen erhalten.
    Frau beim Training zum Entschärfen von Minen
    Im Kosovo lernen acht Ukrainerinnen, Minen zu räumen. Sie wollen helfen, in ihrem Land nicht explodierte Sprengkörper zu beseitigen - ein Prozess, der wohl noch Jahre andauern wird.19.05.2022 | 2:01 min

    Beseitigung kann Jahrzehnte dauern

    Nicht erst seit Februar 2022 hat die Ukraine mit einem Minen-Problem zu kämpfen - auch aus dem Zweiten Weltkrieg und dem seit 2014 andauernden Konflikt im Osten des Landes liegen noch immer Sprengsätze über das Land verteilt. Russlands Invasion im vergangenen Jahr hat die Situation weiter verschärft.
    "Es wird vermutlich Jahrzehnte dauern, bis die Ukraine wieder frei von Minen ist - und darum werden viele Menschen gebraucht, die diese Arbeit dort vor Ort machen können", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Arlt, der Mitglied des Verteidigungsausschusses ist.
    Und so liefert Deutschland der Ukraine nicht nur Landminen, sondern auch Gerät für deren Beseitigung. Bei der Minenräumung hilft Berlin mit bislang zwei Minenräumpanzern Wisent 1 und elf mobilen, teils ferngesteuerten Minenräumgeräten. 40 weitere Wisent-Panzer sind zugesagt.

    Freiwillige helfen bei Kampfmittelbeseitigung

    Zahlreiche Staaten finanzieren zudem Projekte in der Ukraine zur Beseitigung von Landminen. Anfang Februar stellte die Europäische Union der Ukraine zusätzliche 25 Millionen Euro für die Minenräumung bereit.  
    Die eigentliche Arbeit des Minenräumens fernab der Frontlinien wird häufig von zivilen Organisationen durchgeführt. Unterstützung kommt dabei auch von freiwilligen Helfenden wie Tom*. Der Hamburger nutzt jeden freien Tag, um der Ukraine bei der Kampfmittelbeseitigung zu helfen, organisiert dafür von Spendern Fahrzeuge und Spezialgeräte. Dabei kommt ihm seine Erfahrung aus dem Sicherheitsbereich zugute.
    Ukraine, Lampfmittelbeseitigung, Tom
    Tom unterstützt ukrainische Einheiten der Kampfmittelbeseitigung.
    Quelle: ZDF

    "Auslöser war ein Bericht über Waisenkinder in der Zentralukraine", erzählte er ZDF frontal über seine Motivation. Sein Engagement habe sich dann "immer mehr verselbstständigt", erinnert sich Tom.

    Fahrbare Explosionskammer im Einsatz

    Nun hilft er dem ukrainischen Kampfmittelräumdienst EOD. Zuletzt organisierte er einen Spezialanhänger, der als fahrbare Explosionskammer benutzt werden kann. Sie sieht aus wie eine riesige Kugel. Darin kann Sprengstoff bis zu fünf Kilogramm gefahrlos explodieren. Wichtig wird die Kammer vor allem dann, wenn Minen in dicht besiedeltem Gebiet gefunden werden.

    Mit diesem Anhänger hier können wir die Minen ohne Gefahr an einen Ort fahren, wo wir sie sprengen können, wenn wir sie am Fundort nicht entschärfen können.

    Lubomir Sopilnyk, Polizist aus Lwiw und Leiter der EOD-Einheit

    Ukraine, Lampfmittelbeseitigung, Explosionskammer
    Dieser Spezialanhänger dient als fahrbare Explosionskammer.
    Quelle: ZDF

    Tom will dem Kampfmittelräumdienst auch in Zukunft helfen. "Solange der Krieg weitergehen wird, so lange mache ich auch weiter", erklärt er. Bis die letzten Spuren dieses Kriegs beseitigt sind, dürfte es jedoch noch lange dauern.
    * Toms Nachname wird aus Sicherheitsgründen nicht genannt.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Patriot-System
    Liveblog
    Thema

    Aktuelle Nachrichten zur Ukraine