Was ist eine "schmutzige Bombe"?

    FAQ

    Putins Vorwurf gegen Ukraine:Was ist eine "schmutzige Bombe"?

    von Julia Klaus
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    Putin behauptet, die Ukraine bereite eine "schmutzige Bombe" vor - dafür gibt es keine Anzeichen. Doch was ist eine "schmutzige Bombe" überhaupt?

    IAEA-Chef Mariano Grossi besucht die Ukraine
    IAEA-Chef Mariano Grossi bei einem Besuch in der Ukraine (Archivfoto) - seine Behörde will nun Putins Behauptung einer "schmutzigen Bombe" nachgehen.
    Quelle: epa

    Erst drohte Russlands Präsident Wladimir Putin mit einem Atomwaffeneinsatz, nun behauptet er, die Ukraine arbeite an einer "schmutzigen Bombe". Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) wird nun in die Ukraine reisen, um diesen Vorwürfen nachzugehen - für Putins Vorhaltungen gibt es derzeit keine Beweise, die Einladung an die IAEA erfolgte zudem von der Ukraine.

    Was ist eine "schmutzige Bombe"?

    Eine schmutzige Bombe besteht aus einem konventionellen Sprengsatz, dem radioaktives Material beigemischt ist. Das könnte etwa eine Autobombe sein, durch deren Explosion beispielsweise Plutonium verteilt werden könnte.
    Eine solche Bombe kann unterschiedlich stark schädigen - das hängt von folgenden Faktoren ab:
    • Detonationsstärke des Sprengsatzes
    • Menge des radioaktiven Materials
    • Umweltfaktoren wie Wind oder Regen, die verseuchte Partikel unterschiedlich verteilen
    • Zahl der Betroffenen vor Ort und Besiedlungsdichte

    Was ist der Unterschied zu Atombomben?

    Atombomben sind Massenvernichtungswaffen, die eine größere explosive Wirkung haben und eine starke, langjährige Strahlenbelastung nach sich ziehen können. Neben Tests gab es bereits zwei Abwürfe: 1945 in Nagasaki ("Fat Man") und Hiroshima ("Little Boy").

    Würde man erkennen, dass eine "schmutzige Bombe" detoniert ist?

    Menschen können Radioaktivität nicht schmecken, fühlen oder sehen. Nach der Explosion einer "schmutzigen Bombe" könnte deshalb zunächst gar nicht klar sein, dass radioaktives Material freigesetzt wurde. "Schmutzige Bomben dienen deshalb auch dazu, den Menschen Angst zu machen", sagt der Kernwaffenexperte Frank Sauer von der Bundeswehr-Uni in München. Ob Radioaktivität freigesetzt wurde, ließe sich mit einem Geigerzähler nachweisen.

    Wer kann eine "schmutzige Bombe" herstellen?

    Im Vergleich zur Atombombe ist der Bau einer "schmutzigen Bombe" einfacher. Hierfür muss kein Uran hochangereichert werden. Radioaktive Materialien fallen auch etwa bei Krebsstationen von Kliniken ab. Theoretisch könnte man diese dann mit Sprengstoff vermischen und detonieren lassen. "Eine größere Wirkung hätten aber radioaktive Abfälle aus Atomanlagen, wie etwa abgebrannte Brennstäbe", so Waffenexperte Sauer.
    Besonders nach den Terroranschlägen von 2001 fürchteten viele Expert*innen den Einsatz einer solchen Bombe durch Terroristen, denn für radioaktive Substanzen existiert auch ein Schwarzmarkt. Zudem wurden vereitelte Bau-Versuche bekannt. Der Nuklearwaffen-Experte Sauer sagt zu ZDFheute aber:

    Eine "schmutzige Bombe" ist bis jetzt noch nirgends gezündet worden.

    Frank Sauer, Bundeswehr-Uni

    Sauer verweist jedoch auf einen Anschlag mit einem sogenannten Emitter in Moskau. Emitter nennt man eine stille Kontamination mit nuklearem Material - ohne den Einsatz von Sprengstoff. Bei dem Anschlag 1995 wurden 32 Kilogramm Cäsium in einem Mokauer Park unter einem Blätterhaufen verborgen.

    Wie kann man sich nach der Explosion einer "schmutzigen Bombe" schützen?

    Neben der Detonationswirkung und daraus entstehenden Verletzungen stellt sich die Frage, wie viel radioaktives Material freigesetzt wurde - und auch welches. Sauer empfiehlt, sich von dem Explosionsort zu entfernen, die Kleidung abzulegen und zu duschen. Das ist Teil der Dekontaminierung.
    Die Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" hat recherchiert, was in einer Großstadt nach einem potenziellen Attentat mit einer Cäsium-Bombe nötig wäre.
    • "Zunächst müssten die Reinigungstrupps radioaktive Staubteilchen von Oberflächen oder aus Spalten und Rissen entfernen. Dies könnte mit relativ kostengünstigen mechanischen Verfahren wie Absaugen und Absprühen geschehen.
    • Dort, wo Radioaktivität in poröse Materialien eingedrungen ist, müsste die Oberfläche durch Sandstrahlen oder ähnlich aufwendige und teure Verfahren abgetragen werden.
    • In manchen Fällen müsste der Belag von Bürgersteigen und Straßen gänzlich entfernt und entsorgt werden, ebenso die oberste Erdschicht aus Grünanlagen und Gärten. Ein Großteil der Vegetation wäre wegzuschneiden.
    • Mit Hilfe von Säuren und anderen Chemikalien müssten Rost und mineralische Ablagerungen entfernt werden, in die radioaktive Partikel eingedrungen sind."

    Belege für "schmutzige Bombe"?
    :Russland macht Propaganda mit Fake-Bildern

    Moskau will Belege haben, dass die Ukraine den Einsatz einer radioaktiven "schmutzigen Bombe" plane. Doch die entpuppen sich als peinlich schlecht im Internet zusammenkopiert.
    von Nils Metzger
    Russland, Moskau: Hauptgebäude des Verteidigungsministeriums

    Sind Putins Vorwürfe Teil russischer Propaganda?

    Über Putins Behauptung, die Ukraine plane eine "schmutzige Bombe", sagt Waffenexperte Sauer: "Putins Behauptung passt ins Muster weiterer haltloser Anschuldigungen: Mal ging es um angebliche Biowaffenlabore in der Ukraine, mal um vermeintliche Chemiewaffen. Wer weiß, was er nächste Woche behauptet?"

    Das Ziel hinter all dem: Die Gesellschaft zu verwirren, zu verängstigen und zu überfordern, bis in diesem Strudel aus Meldungen und Falschmeldungen die Wahrheit irgendwann kaum mehr erkennbar ist.

    Frank Sauer, Bundeswehr-Uni München

    Sauer warnt davor, sich von Putins Aussage in Angst versetzen zu lassen. "Ich will nukleare Bedrohungen nicht herunterspielen. Das Risiko ist zweifelsohne da. Aber aktuell ist die nukleare Komponente dieses Konflikts psychologische Kriegsführung, mit der Russland unser Verhalten manipulieren will."

    Wir müssen also wachsam sein, dürfen uns aber dabei von Putin nicht in Panik versetzen lassen.

    Frank Sauer, Bundeswehr-Uni München

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