Die Zeiten, als Wolodymyr Selenskyj als Ex-Komiker belächelt wurde, sind vorbei. Für sein Auftreten im Konflikt mit Russland erhält der ukrainische Präsident weltweit Anerkennung.
In der Ukraine tobt ein Krieg, der die Weltordnung verändert. Zum Gesicht des Widerstands gegen die russische Aggression ist Wolodymyr Selenskyj geworden.
Jeder kennt Wolodymyr Selenskyjs entschlossenen Blick trotz dunkler Augenschatten, die kämpferische Haltung in khakifarbener Kleidung - ob in Kiew, an der Front oder virtuell bei internationalen Treffen: Der Präsident ist zum personifizierten Widerstand der Ukraine gegen Russlands Großmachtambitionen geworden.
Der Wandel des 44-Jährigen vom Komiker zum eher zufällig gewählten Staatsoberhaupt und nun zum Präsidenten im Kriegszustand könnte größer kaum sein. Denn in den Monaten vor dem russischen Einmarsch am 24. Februar 2022 in der Ukraine hätte niemand mehr auf Selenskyj als Hoffnungsträger gesetzt.
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Statt Flucht bot Selenskyj Putin die Stirn
Das änderte sich schlagartig mit der russischen Invasion. Moskau war von einem kurzen Krieg überzeugt, die russischen Truppen bewegten sich rasch auf die Hauptstadt Kiew zu. "Es gab Gerüchte, dass Selenskyj dem Druck nicht standhalten und fliehen würde", erinnert sich der Kiewer Politikexperte Wolodymyr Fesenko.
Doch der Präsident blieb. Das Angebot der USA, ihn in Sicherheit zu bringen, schlug er aus.
Vom Komiker zum "Diener des Volkes"
Geboren wurde Selenskyj zu Sowjetzeiten 1978 und wuchs in einer russischsprachigen, jüdischen Familie in der ukrainische Stadt Krywyj Rih auf. Popularität erlangte der studierte Jurist zunächst als Komiker und später als Star der TV-Serie "Diener des Volkes". Dort spielte er einen Lehrer, der zufällig Präsident wird und mit der Korruption im Land aufräumen will.
2019 wurde Fiktion Wirklichkeit als Selenskyj bei der Präsidentenwahl gegen Amtsinhaber Petro Poroschenko gewann. Doch bis zu Kriegsbeginn kam er mit seinen Versprechen nicht weit. Das hat sich inzwischen verändert. Vor Kurzem enthob Selenskyj im Kampf gegen die Korruption zahlreiche Politiker ihrer Ämter, auch in den eigenen Reihen.
Ukraines Präsident im ersten Krieg in Europa unter den Bedingungen einer globalen Social-Media-Öffentlichkeit.
Neben Anerkennung auch Unmut in der Bevölkerung
In der Bevölkerung herrscht dennoch auch Unmut. Viele Menschen beklagen, dass von den Milliardenhilfen für die Ukraine, deren Haushalt längst abhängig ist von der Unterstützung des Westens, kaum etwas bei ihnen ankomme.
Dass Selenskyj bei seinem ersten offiziellen Auslandsbesuch in den USA im Dezember gefeiert wurde wie ein Superstar, dort vom Magazin "Time" zur Person des Jahres gewählt wurde und auch sonst im Westen wie ein Held verehrt wird, feiern seine Anhänger zwar als Triumph. Aber nicht alle Ukrainer teilen Selenskyjs Optimismus, dass am Ende dieses Krieges ein Sieg des Landes stehen wird.
Experte: Putin hat Selenskyj unterschätzt
Diskutiert wird auch über Selenskyjs Umgang mit den US-Geheimdienstinformationen und Warnungen vor dem Krieg. Die Gefahr eines Angriffs aus Moskau hatte er heruntergespielt. Kritiker werfen dem ukrainischen Präsidenten vor, so Tausende Leben aufs Spiel gesetzt zu haben, weil Menschen nicht auf den Angriff vorbereitet waren.
Am 24. Februar 2022 begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Anlässlich des ersten Jahrestages des Ukraine-Kriegs dankte der ukrainische Präsident Selenskyj den Ukrainern für ihren Durchhaltewillen.
Sicher ist aber: Kein Präsident der Ukraine hatte international je solch eine Bekanntheit erlangt - und solch einen Einfluss auf die Weltpolitik. Das hat auch mit seiner Standhaftigkeit zu tun. "Selenskyj hat viele überrascht. Sie haben seine Führungsqualitäten unterschätzt", sagt Wolodymyr Fesenko. Auch der russische Präsident Wladimir Putin habe falsch gelegen.
Putin habe einen militärischen Sondereinsatz vorbereitet und keinen ausgewachsenen Krieg, weil er davon ausgegangen sei, dass sowohl Selenskyj als auch das ukrainische Militär zu schwach seien, um dem dauerhaft standzuhalten. "Das hat sich als Fehler erwiesen", sagt Fesenko.
Karlspreis 2023 für Selenskyj und Ukraine
Nun wird Selenskyj in Aachen mit dem Karlspreis 2023 geehrt. "Er ist Halt und auch Vorbild für sein Volk", hieß es in der Begründung für die Verleihung.
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