Ob Wagner-Chef Prigoschin ermordet wurde, wird sich womöglich nie klären lassen. Sein Tod fügt sich in eine Liste ominöser Todesfälle von Oligarchen, die Putin in die Quere kamen.
Russische Soldaten der Nationalgarde bewachen das Grab des Chefs der Wagner-Gruppe, Jewgeni Progschin nach seiner Beerdigung
Quelle: dpa
Natalia Pschenitschnaja weiß, was passiert, wenn man dem System Putin in die Quere kommt. Sie war verheiratet mit einem russischen Oligarchen. Inzwischen ist er tot.
Bis 2018 lebte sie mit ihrem Mann, Walerie Pschenitschnij, ein unbeschwertes Leben. Zusammen mit seinem Sohn Denis hatte Pschenitschnij eine gut laufende Firma aufgebaut.
Russlands Oligarchen gelten als Profiteure des "System Putin". Trotz der EU-Sanktionen ist es schwer, ihr Vermögen aufzuspüren. 30.08.2023 | 6:09 min
Tod als Strafe für verweigerte Zahlung?
"Papa erhielt einen Auftrag vom Verteidigungsministerium", erzählt Denis Pschenitschnij. "Er sollte 3D-Modelle erstellen und produzieren. Unsere Firma war darauf spezialisiert, originalgetreue Modelle von U-Booten mit allen Details zu erstellen." Ein millionenschwerer Auftrag aus öffentlichen Mitteln.
Am Anfang hätten sie 1,5 Millionen Euro gefordert. Wenig später wird der Unternehmer ohne Vorwarnung vom russischen Geheimdienst festgesetzt. Der Vorwurf: Veruntreuung von Staatsgeldern. Sohn Denis vermutet, dass sich sein Vater geweigert hat, den russischen Inlandsgeheimdiensts FSB zu bezahlen.
Seit dem Krieg in der Ukraine hat die EU Sanktionen gegen russische Oligarchen verhängt. Doch das ausgeklügelte System an Strohmännern und Scheinfirmen macht es schwer, die Vermögen aufzuspüren.01.09.2023 | 57:12 min
In der Zelle erhängt?
Kurz nach der Festnahme teilen die Behörden der Familie mit, Waleri Pschenitschnij habe sich in seiner Zelle erhängt. Doch die Familie glaubt das nicht, zu schwer sind die Verletzungen an Pschenitschnijs Körper. Mittlerweile haben Natalia und Denis in Frankreich politisches Asyl bekommen.
Wer der Staatsmacht nicht gehorcht, lebt gefährlich. Vor allem seit Beginn des Kriegs in der Ukraine steigt die Zahl verstorbener Manager und Oligarchen auffällig an.
Lange Liste toter Oligarchen
Sergej Protosenja wird in seiner Villa in Spanien erhängt an einem Seil aufgefunden. Seine Frau und Tochter sterben durch Stichverletzungen.
Alexander Subbotin: vergiftet mit Krötengift im Haus seines Schamanen.
Alexander Tjuljakow, leitender Angestellter des Ölgiganten Lukoil, wird erhängt aufgefunden.
Rawil Maganow, Chef des Unternehmens Lukoil, kommt unter ungeklärten Umständen ums Leben.
Bewiesen ist es nicht. Aber Prigoschins Tod passt ins Muster: Lange erledigte der immer reicher und mächtiger werdende Oligarch Putins schmutzige Geschäfte. Führte Putins Krieg in der Ukraine an vorderster Front und mit brutalen Mitteln. Bis er immer lauter Widerworte gab, immer unbequemer wurde. Und dass Waldimir Putin Verräter verabscheut - daraus machte er nie einen Hehl.
In St. Petersburg wird Söldnerführer Prigoschin beerdigt. Putin nimmt nicht teil. Viele seiner Anhänger in der Wagner-Truppe fragen sich: warum musste er sterben? 30.08.2023 | 6:01 min
Von Putins Gunsten abhängig
Der Reichtum und die Verschwendungssucht der russischen Oligarchen sind sagenumwoben: Yachten, Privatjets, Luxus-Villen. Doch sie alle hingen schon immer von der Gunst des Kreml ab.
2004 demonstriert Putin seine Macht am damals reichsten Mann Russlands. In einem Schauprozess verurteilt ein Gericht Michail Chodorkowski wegen Steuerhinterziehung zu neun Jahren Lagerhaft. Er hatte die Opposition unterstützt und nicht getan, was der Kreml wollte.
"Das war eine demonstrative Festnahme, um alle anderen einzuschüchtern. Danach haben politische Aktivitäten gegen den Kreml aufgehört", sagt Jekaterina Schulmann.
Seit Kriegsbeginn hat der Westen viele Oligarchen mit Sanktionen belegt, ihre Vermögenswerte eingefroren, Einreisesperren verhängt. Viele der Superreichen mussten ihre Domizile im Ausland verlassen und sind zurück nach Russland gezogen.
Sie sind die reichsten Männer Russlands und herrschen über Firmenimperien: Oligarchen. Ihr Reichtum entstand und wuchs im Chaos der sich auflösenden UdSSR Anfang der 1990er-Jahre.18.05.2022 | 44:47 min
Kritik wird bestraft
Das macht sie noch abhängiger von Putins Gnaden. Der Industrie-Magnat Oleg Deripaska etwa kritisierte den Krieg in der Ukraine und war wenig später sein Luxus-Hotel in Sotschi los. Wer Widerworte gibt, wird bestraft.
Natalia Pschenitschnaja und ihr Sohn werden nicht mehr in ihre Heimat Russland zurückkehren. Zumindest nicht, solange sie im System Putin um ihr Leben fürchten müssen.
Sebastian Ehm und Nina Niebergall berichten als Korrespondent und Korrespondentin über Russland, die Kaukasus-Region und Zentralasien.
Erneut ist ein Vertreter der russischen Elite unerwartet gestorben, der Vizechef von Lukoil. Er ist der fünfte tote Manager des Konzerns - der sich gegen den Krieg stellte.