Knast, Krieg, Freiheit: Die Angst vor den Wagner-Rückkehrern

    Knast, Krieg, Freiheit:Die Angst vor den Wagner-Rückkehrern

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    In Russlands Krieg gegen die Ukraine kämpfen viele Sträflinge auch um ein Leben in Freiheit. Rund 5.000 sind schon von der Front zurückgekehrt, der Bevölkerung macht das Angst.

    Archiv: Die Lobby des neu eröffneten PMC Wagner Centers in Sankt Petersburg, Russland
    Die Lobby des PMC Wagner Centers in Sankt Petersburg. Hier sollen neue Soldaten für die Front angeworben werden.
    Quelle: imago

    Zu Tausenden kehren inzwischen ehemalige Häftlinge, die sich für den Krieg in der Ukraine verpflichtet haben, in den russischen Alltag zurück. "Sie sind zu echten Patrioten ihres Landes geworden", rühmt sich der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, der die verurteilten Straftäter im vergangenen Jahr in Gefängnissen des Riesenreichs anwarb. Sechs Monate sollten sie dienen - und im Gegenzug ihre Freiheit erlangen.

    Mehr als 5.000 haben ihre Verträge erfüllt.

    Jewgeni Prigoschin, Wagner-Chef

    Die Zahl derer, die den Krieg nicht überlebten, nennt er nicht. Aber er sieht sie alle als Helden: die Toten und die Überlebenden.

    Der Kreml schweigt zu den Begnadigungen

    Der Kreml in Moskau spricht nicht über die für solche Einsätze von Gefangenen und die dafür nötigen Begnadigungen durch Präsident Wladimir Putin. Staatsgeheimnis! Die Dekrete des Kremlchefs dazu werden aber teils von den Familien der Betroffenen veröffentlicht.
    Der Putin-Vertraute Prigoschin geht dagegen offensiv mit dem in Russland nicht unumstrittenen Thema um. Legalisiert ist zwar weder Prigoschins Söldner-Armee noch die Möglichkeit für den Wagner-Chef, in Russlands Gefängnissen ein- und auszugehen. Aber der Warlord, der sich im Moment vor allem auf die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Bachmut im Gebiet Donezk in der Ukraine konzentriert, hat immer wieder Zugeständnisse durchgedrückt für seine Privatarmee.

    Verbrechen der Kämpfer nicht vergessen

    Die Kämpfer sind nun in vielerlei Hinsicht den regulären russischen Streitkräften gleichgestellt. Der 61-jährige Prigoschin setzte auch Heldenbegräbnisse für im Krieg getötete frühere Schwerverbrecher durch, wenn Kommunen sich weigerten, ihnen solch eine letzte Ehre zu gönnen. Bisweilen ist der Widerstand in den Gemeinden groß, weil insbesondere Tötungsdelikte mancher Täter nicht vergessen sind.
    Für Prigoschin spricht dagegen vieles für sein Modell der Kriegsführung auch mit Verurteilten. Er behauptet, dass die Erfahrung auf dem Schlachtfeld viele Straftäter davon abbringen würde, neue Verbrechen zu begehen.

    Sie schätzen das Leben, sie wollen ihr Land lieben, sie wollen nicht ins Gefängnis zurück.

    Jewgeni Prigoschin, Wagner-Chef

    Nach Schätzungen kämpften zeitweilig rund 50.000 Strafgefangene in den Wagner-Reihen.
    Käpmpfer der Gruppe Wagner
    Die Verbrechen der "Gruppe Wagner". ZDF frontal hat mit einem ehemaligen Söldner gesprochen.03.05.2022 | 8:30 min

    Die Angst vor den Rückkehrern wächst

    In Teilen der Bevölkerung macht sich längst Angst breit, dass die Freigelassenen nach dem Kriegsdienst neue Straftaten begehen. Frauen protestieren, dass Banditen, Vergewaltiger und Mörder in Freiheit kämen. "Sie werden jetzt noch zu Kriegsverbrechern", heißt es etwa bei der Feministischen Antikriegsbewegung:

    Ihre Begnadigung ist eine direkte Bedrohung für die Sicherheit und das Leben der Frauen und ihrer Kinder.

    Durch die Kriegstraumata steige das Risiko der Gewalt, warnt die Bewegung.

    Russland hat bisher kein System zur Wiedereingliederung

    Auch Prigoschin musste erleben, dass einer seiner wegen Mordes verurteilten Schützlinge nach der Rückkehr in seine Heimatregion erst ein Autofenster mit einer Axt einschlug und dann eine 85 Jahre alte Frau im Nachbarort tötete. Von seinen 14 Jahren Haft hatte der Mann gerade einmal zwei abgesessen, als ihn der Wagner-Chef voriges Jahr für den Krieg engagierte.
    Die in dem von Putin eingesetzten Menschenrechtsrat arbeitende Eva Merkatschowa meint, dass Russland ein Rehabilitierungswesen brauche, weil bei den "oft so schon gestörten" Straftätern nun noch die Kriegstraumata hinzukämen. Ein Kriegsorden helfe ihnen nicht, im Leben anzukommen oder Arbeit zu finden. In Russland fehle bisher ein System, um Straftäter auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten.
    Auch Prigoschin sieht offenbar Handlungsbedarf im Umgang mit den Heimkehrern. Der Geschäftsmann will nun ein eigenes Grundstück in dem bei Reichen beliebten Moskauer Vorort Barwicha für den Bau eines psychologischen Rehabilitationszentrums hergeben.
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    Quelle: Ulf Mauder, dpa

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