DHB-Team: Weltklasse im gegenseitig Aushelfen

    DHB-Team vor Norwegen-Spiel:Weltklasse im gegenseitig Aushelfen

    von Erik Eggers
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    Schon vorm letzten Spiel heute gegen Norwegen steht die DHB-Sieben im WM-Viertelfinale. Die Spieler begeistern, auch weil sie als echtes Team auftreten, sobald einer schwächelt.

    21.01.2023, Polen, Kattowitz: Handball: WM, Niederlande - Deutschland, Hauptrunde, Gruppe 3, 2. Spieltag im Spodek Kattowitz. Deutschlands Trainer Alfred Gislason jubelt.
    Deutschlands Trainer Alfred Gislason kommt bei der Handball-WM kaum noch aus dem Jubeln raus.
    Quelle: dpa

    Mit Lobeshymnen ist Alfred Gislason, 63, außerordentlich sparsam. Auch die deutsche Handball-Nationalmannschaft, die der Isländer seit dem Frühjahr 2020 trainiert, ist in der jüngeren Vergangenheit eher nicht mit Komplimenten überschüttet worden. Dafür bestand freilich auch wenig Anlass, da die Männer um Keeper Andreas Wolff zuletzt eher bescheidene Leistungen abgeliefert hatten.

    Feste Umarmungen vom Bundestrainer

    Am Samstag aber, als die deutschen Handballer vorzeitig das Viertelfinalticket bei der Handball-WM gelöst hatten, mit einem souveränen 33:26-Sieg gegen die Niederlande, nannte Gislason die Leistung des Mittelblocks "fantastisch". Ein Wort, das sich Kapitän Johannes Golla (Flensburg) und Julian Köster (Gummersbach), die in der Tat stark aufgespielt hatten, getrost einrahmen dürfen.



    Der Bundestrainer jedenfalls umarmte, während er ausgelassen lachte, nach der Schlusssirene jeden seiner Spieler so fest, dass der Beobachter um die Lungenkapazitäten der Männer bangen musste. Er sei "sehr erleichtert", berichtet Gislason danach im ZDF-Interview, der Druck sei schon enorm gewesen.

    Olympia-Ticket im Blick

    Die Viertelfinalteilnahme ist schließlich nicht weniger als das Tor zum olympischen Turnier 2024 in Paris (siehe Infokasten). Und außerdem schöpfte die DHB-Auswahl in Polen die Hoffnung, dass sie als Gastgeber bei der Heim-EM im kommenden Januar um die Medaillen mitspielen kann - und dies nicht allein wegen der bisher fünf Siege in fünf Spielen. Sondern wegen ihres furiosen Auftritts.

    Mit dem Einzug in das WM-Viertelfinale hat die DHB-Auswahl einen Platz für die olympischen Qualifikationsturniere schon sicher. Da nämlich Frankreich als Gastgeber gesetzt ist und der neue Weltmeister direkt für Paris 2024 qualifiziert ist, bleiben noch sechs Teams übrig, die dann auf die drei Turniere verteilt werden.

    Sollte Deutschland das Halbfinale erreichen, hätte der DHB das Recht, im Frühjahr 2024 eines der Turniere selbst zu organisieren - ein enormer Vorteil und auch wirtschaftlich lukrativ.

    Jedes Turnier wird mit vier Mannschaften besetzt, hinzu kommen dann noch weitere Teams, die sich über die Kontinentalchampionate dafür qualifizieren. Die jeweiligen Kontinentalmeister gehen direkt nach Paris, also auch der Europameister von 2024.

    Viele langjährige Beobachter und auch Altnationalspieler wie Kurt Klühspies, der Weltmeister von 1978, freuen sich über die schwungvollste deutsche Offensive seit vielen Jahren.

    Anführer Juri Knorr

    Angeführt vom jungen Wilden Juri Knorr, von dem im zentralen Aufbau alles ausgeht, suchen die deutschen Angreifer mit viel Tempo und Risiko die Entscheidung. "Diese Euphorie zu spüren, macht einfach Spaß", sagte Knorr.
    Axel Kromer | DHB-Sportvorstand
    Volle Pulle auf den Gruppensieg gehen oder Norwegen im Schongang begegnen? Eine Mischung aus beidem soll's sein, sagt DHB-Sportvorstand Axel Kromer vor dem Spiel heute Abend.23.01.2023 | 3:36 min
    Auch gegen die Niederlande gab es Überraschungsmomente, welche die Verwandlung dieser Mannschaft symbolhaft erzählen. Etwa jenen Kempa-Trick, den Rechtsaußen Patrick Groetzki aus dem Rückraum für den in den Torraum fliegenden Lukas Mertens auflegte, der aber noch erfolglos blieb. Wenige Minuten später aber erzielten Christoph Steinert und Philipp Weber auf eben diese spektakuläre Weise ein Tor.

    DHB-Team glänzt mit Überraschungsmomenten

    Diese Tricks sind keine Kunststücke, um den Gegner lächerlich zu machen. Vielmehr ist jede Weltklassemannschaft auf sie angewiesen, wenn sie im Angriff unter Druck gerät. Auch Juri Knorr & Co. benötigen diese Spielzüge, so riskant sie sind, in ihrem Arsenal.
    Mit derlei Überraschungsmomenten haben es die deutschen Handballer in nur wenigen Spielen geschafft, die Fans wieder für die Nationalmannschaft zu begeistern.

    Norwegen und Deutschland im Schongang?

    Gut möglich, dass diese Euphorie mit der Partie gegen den Mitfavoriten aus Norwegen am Montagabend (20.30 Uhr, ARD) etwas nachlässt. Gislason hat schon angekündigt, gegen das Team um Superstar Sander Sagosen die Einsatzzeiten verteilen zu wollen, womit er eine Niederlage in Kauf nimmt.
    Auch die Norwegen dürften ähnlich kühl kalkulieren, da das WM-Programm mit Spielen im Zwei-Tages-Rhythmus brutal ist.
    21.01.2023, Polen, Kattowitz: Handball: WM, Niederlande - Deutschland, Hauptrunde, Gruppe 3, 2. Spieltag im Spodek. Deutschlands Patrick Groetzki wirft den Ball
    Der 33:26-Sieg gegen die Niederlande im zweiten Spiel der Hauptrunde21.01.2023 | 7:04 min

    Einer springt für den anderen in die Bresche

    Gut möglich auch, dass im Viertelfinale am Mittwoch, wenn der Gegner entweder Spanien oder Frankreich heißt, die Reise der Deutschen - trotz allem immer noch Außenseiter - beendet ist.
    Aber es gibt eine Konstante im deutschen Spiel, die doch ein bisschen Hoffnung macht: Die Tatsache, dass bisher immer jemand in die Bresche sprang, wenn es nötig wurde.
     Deutschlands Johannes Golla feiert den Sieg.
    Bei den deutschen Handballern läuft alles wie am Schnürchen. Im WM-Spiel gegen Norwegen können sie sich schon aufs Viertelfinale vorbereiten. Dort geht's gegen einen ganz Großen.22.01.2023 | 2:30 min

    Wolff hält, Groetzki trifft

    Gegen die Niederlande fiel es kaum ins Gewicht, dass Jungstar Juri Knorr mit einem Ballverlust und drei Fehlwürfen begann. Denn daraufhin kompensierte die deutsche Verteidigung mit großer Energie den harzigen Start.
    Torwart Andreas Wolff glänzte dahinter mit einer Weltklasse-Fangquote (43 Prozent). Und Rechtsaußen Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen) traf vorn, wie er wollte.
    Das ist genau die Art und Weise, wie große Mannschaften funktionieren: Dass sie nicht sofort einbrechen, wenn ein Mannschaftsteil in Not ist. Die Lobeshymnen und das herzliche Lachen des Bundestrainers jedenfalls waren kein Zufall.
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