Interview
WM-Titel der DFB-Frauen 2003:Kapitänin Wiegmann: "Ist es wirklich vorbei?"
von Frank Hellmann
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Bettina Wiegmann war beim ersten WM-Titel der DFB-Frauen vor 20 Jahren als Kapitänin die beste Spielerin des Finals gegen Schweden. Ihre Erinnerungen sind heute noch lebendig.
Bettina Wiegmann reckt den WM-Pokal in den Himmel (Archivfoto 2003)
Quelle: dpa
Nia Künzer hat den ersten WM-Sieg Deutschlands 2003 mit ihrem Golden Goal erst möglich gemacht, doch zur besten Spielerin des Finals gegen Schweden (2:1) wurde Kapitänin Bettina Wiegmann gewählt. Die umsichtige Mittelfeldspielerin war neben Torhüterin Silke Rottenberg, Abwehrchefin Maren Meinert und Torjägerin Birgit Prinz einer der wichtigsten Eckpfeiler der ersten deutschen Weltmeisterinnen. Die 52-Jährige erinnert sich für ZDFheute, was am 12. Oktober vor 20 Jahren im kalifornischen Carson City geschah.
ZDFheute: Was hat die Weltmeisterinnen 2003 ausgezeichnet?
Bettina Wiegmann: Der Kader bei der WM 2003 hatte zu dem Zeitpunkt einige Jahre zusammengespielt. Wir hatten sehr gute Fußballerinnen, die teilweise wie ich (Bettina Wiegmann spielte 2001/2002 bei den Boston Breakers in den USA, Anm. d. Red.) erste Erfahrungen im Ausland gesammelt hatten. Wir kannten von der WM 1999 schon die Bedingungen in Amerika: Als wir rübergeflogen sind, hatten wir eine sehr intensive Vorbereitung hinter uns.
Bettina Wiegmann hat von 1989 bis 2003 insgesamt 154 Länderspiele (51 Tore) für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft bestritten. Nach vier siegreichen Europameisterschaften (1991, 1995, 1997 und 2001) war das gewonnene Finale der Weltmeisterschaft 2003 gegen Schweden ihr größter Erfolg. Nach dem Endspiel in Carson City/USA beendete die Mittelfeldspielerin ihre DFB-Karriere – und erlebte die Wiederholung des WM-Titels 2007 in China nicht mehr als Aktive. Seit mehr als sechs Jahren betreut die 52-Jährige aus Euskirchen den deutschen U15-Nachwuchs.
Im ersten Spiel gegen Kanada sind wir gleich in Rückstand geraten, haben uns da aber rausgekämpft und noch 4:1 gewonnen. Im Laufe dieser Endrunde ist ein ganz besonderer Teamgeist entstanden, der uns auch im Halbfinale geholfen hat, den Gastgeber USA mit 3:0 zu schlagen. Das war eine beeindruckende Leistung.
ZDFheute: Das besagte Halbfinale gegen die USA (3:0) gilt bis heute als eines der besten Spiele der deutschen Frauen-Nationalelf. Stimmt es, dass im Mannschaftsbus danach immer ein besonderes Lied lief?
Wiegmann: Ein Spezial von unserer Bundestrainerin Tina Theune: der Radetzky-Marsch. Und zwar so laut, dass niemand anders eine Musikkassette einlegen konnte (lacht).
ZDFheute: Wie hat die damalige Bundestrainerin das Team geführt?
Wiegmann: Wer Tina Theune kennt, weiß, dass sie eine ruhige, besonnene Person ist, die einen ungemeinen fachlichen Hintergrund einbrachte. Sie hat alles akribisch vorbereitet. Sie hat uns einfach einen guten Plan vermittelt, zumal sie ja selbst gespielt und früh ihren Fußballlehrerschein gemacht hatte. Zusammen mit ihrer Assistentin Silvia Neid war das eine tolle Partnerschaft. Die Chefin eher leise, die Co-Trainerin auch mal lauter: Das hat sich gut ergänzt.
ZDFheute: Der erste WM-Titel der Frauen ist unweigerlich mit dem Golden Goal von Nia Künzer verknüpft. Wissen Sie noch, was Sie in dem Moment beim Freistoß von Renate Lingor getan haben?
Wiegmann: Ich war auch angelaufen, doch dann hat ihn ja Nia reingemacht – sie hatte auch das bessere Kopfballspiel (lacht). Ich habe mich im ersten Moment natürlich gefreut, aber der zweite Gedanke war: Ist es jetzt wirklich vorbei?
Ich habe erstmal Maren Meinert angeschaut – und sie mich. Es war schwer, ein Golden Goal sofort zu begreifen, aber dann lagen die anderen auf dem Platz schon übereinander, dass mir klar war, dass wir es geschafft hatten.
Bettina Wiegmann
ZDFheute: Warum haben Sie mit dem WM-Sieg ihre Karriere beendet?
Wiegmann: Ich wollte nicht hören, dass irgendwann jemand fragt, wann denn die Oma vom Platz kommt. Außerdem traten immer wieder gesundheitliche Probleme auf. Zudem war ich schon als Verbandstrainerin aktiv, so dass es einfach nicht gepasst hat. Im Rückblick war es genau der richtige Zeitpunkt.
ZDFheute: Ist das Spiel damals überhaupt mit dem von heute noch vergleichbar?
Wiegmann: Ich glaube schon, dass es einen großen Unterschied gibt, denn der Frauenfußball hat sich enorm entwickelt. Es sind andere Voraussetzungen, wenn man sich ganz auf den Sport konzentrieren kann oder ob wie damals noch einen Job ausübt und alles mit dem Fußball unter einen Hut bringen muss. Die Professionalisierung merkt man heute vor allem bei der Athletik deutlich.
ZDFheute: Der Hype von der EM 2022 hat durch das frühe Scheitern der DFB-Frauen bei der WM 2023 einen Dämpfer erhalten. Sie arbeiten seit vielen Jahren im Nachwuchsbereich. Kommen genügende Talente nach, um wieder auf bessere Zeiten zu hoffen?
Wiegmann: Die U17-Juniorinnen haben in diesem Sommer den EM-Titel gewonnen, und wenn ich Länderspiele wie gegen die USA als Beleg nehme, glaube ich schon, dass wir immer wieder Talente dazugewinnen. Aber der Sprung in den Frauenbereich wird größer, weil die Spitze auf internationalem Niveau viel besser geworden ist – das muss man deutlich sagen.
Das Interview führte Frank Hellmann
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