Fußball: Xabi Alonso, der Unterschiedstrainer von Leverkusen

Kaum einem anderen Klub klebt so ein Verlierer-Image auf der Stirn wie Bayer 04 Leverkusen. Fünfmal Vizemeister, sechsmal Dritter, dreimal Pokal-Finale, einmal Champions League-Finale, aber keine große Trophäe im Schrank. Jahr für Jahr wird die Mannschaft als Geheimtipp gehandelt, ist mit reichlich Prominenz und Spielkultur ausgestattet, bringt aber nie genug Zähigkeit und Konstanz auf den Platz.

Bayer Leverkusen ist so etwas wie das uneingelöste Versprechen der Bundesliga. Das könnte jetzt anders werden. "Das permanente Reduzieren auf Vizekusen wird in dieser Saison vorbei sein", sagt ZDF-Reporter Boris Büchler im aktuellen Bolzplatz.

Dass diese Einschätzung von vielen Fußball-Fans in ganz Deutschland nicht nur geteilt, sondern mit Sympathie ausgesprochen wird, hat vor allem mit einer Person zu tun, die für die Werkself in vielerlei Hinsicht zum Game-Change werden könnte: Trainer Xabi Alonso. Der Baske hat in Deutschland als Trainer nicht mal ein Jahr dafür gebraucht, was er als Spieler in Spanien zuvor schon geschafft hatte: Die Menschen mögen ihn, unabhängig von jeder Vereinszugehörigkeit.

Alonso sei die Schlüsselpersonalie schlechthin, "weil Leverkusen in der öffentlichen Außenwahrnehmung nicht so die Strahlkraft hat", findet Ex-Nationalkeeper und -Bayer-Schlussmann René Adler. Bislang galt der Klub aufgrund seiner Werkszugehörigkeit eher als "Plastikklub", nun "rockt er die Liga", wie Bolzplatz-Moderatorin Lili Engels sagt.

Bayer führt mit drei Siegen und einem überzeugenden Remis gegen Bayern München nicht nur die Bundesliga-Tabelle an, sondern begeistert mit einem frischen, tempo- und variantenreichen Offensivspiel. Dabei schlug Alonso eine Menge Skepsis entgegen, als er im Oktober 2022 den glücklosen Gerardo Seoane ablöste.

Alonso hatte als Spieler von Real Madrid, dem FC Liverpool, Bayern München und dem spanischen Nationalteam zwar jede Menge Titel und Ansehen gewonnen. Als Trainer standen für den Novizen allerdings erst die U14 von Real Madrid sowie die 2. Herrenmannschaft von Real Sociedad San Sebastian im Lebenslauf.

Mit seiner "unfassbaren Ausstrahlung" (Miguel Gutiérrez, spanischer Fußballexperte) brachte er die Spieler schnell dazu, sich seinen Zielen zu verschreiben. "Ich habe von meinen Trainern gelernt, dass die Spieler dir folgen und vertrauen müssen, dass sie wissen, dass du ihnen mit deinem Wissen hilfst", sagte er bei seinem Antritt in Leverkusen.

"Er ist väterlicher Freund der Spieler und trotzdem auch Respektperson", sagt Boris Büchler. "Im Training muss er nicht auf den Ex-Profi machen, der alles erreicht hat. Durch seine natürliche Autorität schauen alle zu ihm hoch."

Zusätzlich gewinnt Alonso Respekt, wenn er sich beim Trainingsspielchen selbst das Leibchen anzieht. "Das ist auf jeden Fall etwas Cooles, wenn der Trainer mitspielt", sagt Florian Wirtz im Bolzplatz. "Heute hat er gegen uns gewonnen."

Eine Schlüsselfigur war Alonso auch bei der Zusammenstellung des Kaders für diese Saison, in der die Neuzugänge Victor Boniface, Alejandro Grimaldo, Jonas Hofmann, und Granit Xhaka bisher voll einschlagen. "Zu ihm schaust du auf", sagt Xhaka über seinen Trainer.

Als Sechser ist Xhaka die Schlüsselfigur für die neue Balance im Bayer-Spiel, die in den letzten Jahren selten vorhanden war. Und die eine früher ebenso wenig vorhandene Euphorie im ganzen Klub auslöst.

"Alle Mitarbeiter, alle Vorgesetzten, alle Fans sind zu 100 Prozent dabei, man merkt diese positive Stimmung im Verein", sagt Elisa Senß, die Kapitänin der Frauen-Mannschaft. Oder wie es Lili Engels ausdrückt: "Alle reden immer über Unterschiedsspieler, Leverkusen hat einen Unterschiedstrainer."