Titelträume beim WM-Gastgeber: Australien im Achtelfinale

    Titelträume beim WM-Gastgeber:Abheben mit den "Matildas"

    von Frank Hellmann, Sydney
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    Das WM-Achtelfinale von Australien gegen Dänemark markiert einen neuen Meilenstein in der Wahrnehmung. Ein Hubschrauber fliegt los, um herauszufinden, ob Sam Kerr mitspielt.

    Sam Kerr (20, Australien) jubelt mit ihrem Team.
    Sam Kerr (20, Australien) jubelt mit ihrem Team.
    Quelle: AFP

    Caitlin Foord und Tony Gustavsson schauten sich bei der Pressekonferenz abwechselnd an. Beide trugen dieselbe dunkle Trainingsjacke, dann zeigte der australische Nationaltrainer zu seiner Nationalspielerin, als es im Australia Stadium von Sydney um die Empfindungen vor dem WM-Achtelfinale mit Australien gegen Dänemark (Montag 12.30 Uhr MESZ/ARD) ging.

    Explosion der Gefühle

    "Das ist meine Heimatstadt. Das ist mein Lieblingsstadion", beteuerte Foord, die mit 16 Jahren einst bei der WM 2011 in Deutschland auf einer solchen Bühne debütierte – übrigens als Sonderbewacherin von Marta gegen Brasilien in Mönchengladbach.
    Nun spürt die Stürmerin mit 28 selbst, wie sich solch ein Heimturnier anfühlt. Ihr Coach rief sich sogleich die Erinnerungen vom Eröffnungsspiel gegen Irland auf, als 75.784 Zuschauer beim Elfmetertor von Steph Catley für eine Explosion der Gefühle sorgten.

    Verbindung mit Cathy Freeman

    Einige fühlten ansatzweise die Eruptionen, die aus dem Olympic Park beim historischen Olympiasieg von Cathy Freeman vor 23 Jahren über den Kontinent schwappten.
    Cathy Freeman
    Australiens Nationalheldin Cathy Freeman bei ihrem Olympia-Sieg
    Quelle: dpa

    Natürlich waren die Botschaften der von den australischen Ureinwohnern, den Aborigines, abstammenden 400-Meter-Läuferin viel größer, aber nicht umsonst hatten sich die australischen Fußballerinnen vor der WM nichts mehr gewünscht als die Ikone zu sprechen.

    Alles dreht sich um Heilsbringerin Kerr

    Leuchtende Augen machte sogar Sam Kerr, als Australiens Verband vor WM-Start im Basecamp an der South Bank von Brisbane eine inspirierende Begegnung vermittelte. Doch den eigenen Tatendrang konnte die Torjägerin wegen ihrer Wadenverletzung nicht ausleben; nun soll die Starstürmerin vom FC Chelsea endlich zur K.o.-Runde die Titelträume aktiv befeuern.
    Ihre Präsenz in der Werbung ist erdrückend, obwohl ihre Eltern vor vier Jahren bei der WM in Frankreich auf der Straße jedem erzählt haben, wie "normal" ihre Tochter eigentlich sei. Was soll die 29-Jährige tun, wenn sie zur Heilsbringerin verklärt wird?

    Wir werden sehen, wie viele Minuten passend sind, und wie ich das Beste von Sam Kerr mit Bezug auf unseren Matchplan bekommen kann.

    Tony Gustavsson, Trainer Australien

    Das sagte der von den sich immer wiederholenden Fragen genervte Gustavsson. Der 49-Jährige hatte vor dem Start ein unschönes Versteckspiel inszeniert.
    Einigen ging wohl die Geheimniskrämerei derart auf den Geist, dass der Medienriese "News Corp" am Sonntag tatsächlich einen Hubschrauber in den wolkenverhangenen Himmel der Weltstadt steigen ließ, um beim Abschlusstraining herauszufinden, ob Kerr dabei war. Sie habe auf dem Fahrrad gesessen, beschied Gustafsson leicht genervt, das sei eben Teil des Comeback-Plans.
    "Ich werde versuchen, ein bisschen lustig zu sein", meinte der Mann mit der Kappe noch. "Es bedeutet, dass das Interesse in die Höhe geschossen ist, oder?“ Aufstöhnen. Dann entschuldigte sich der Schwede für seinen schlechten Witz.

    Fast jeder fünfte Australier am TV-Gerät

    Aber die gestiegene Aufmerksamkeit stimmt ja: 4,71 Millionen Australier hatten die Demonstration der "Matildas" gegen Olympiasieger Kanada (4:0) gesehen. Absoluter Rekord für den Spartensender "Channel 7". Jeder fünfte Australier war also am TV-Gerät dabei.

    Die Spielerinnen des australischen Nationalteams werden zu Hause nur "The Matildas" genannt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Australier*innen ihren Nationalteams Kosenamen geben. Der Begriff kommt von dem Lied "Waltzing Matilda" von 1901, das zur heimlichen Nationalhymne Australiens wurde. Darin geht es um einen Schafdieb, der auf seinen Streifzügen durch Australien einen eingerollten Schlafsack trägt, der "Matilda" genannt wird.

    Quelle: dpa

    Und nun kommen die K.o.-Duelle, die eine auf Entertainment gepolte Sportnation am liebsten mag. Plötzlich möchten viele an dem Event teilhaben, zumal es im australischen Winter weniger Abwechslung gibt als im Sommer.

    Bars droht Überfüllung

    Nicht nur die unter "Matildas Active Support" vereinigte Anhängerschaft wird sich mit Liebeslieder auf Kerr und Co. in Stimmung singen. In Sydney nehmen erste Bars am Darling Habour keine Reservierungen mehr an, die Fanzone am Tumbalong Park mit ihrem gemütlichen Ambiente dürfte wegen Überfüllung früh die Pforten schließen.
    Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat vor ihrer Abreise aus dem Medienzelt in Wyong ein Statement zum Gastgeber übermittelt:

    Australien hat mit dem Sieg gegen den Olympiasieger ganz viel Ballast abgeworfen. Sie können das jetzt in ganz viel Stärke umwandeln.

    Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin

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