Protest gegen Gesundheitspolitik:Tausende Arztpraxen dicht
|
Die Krankheitswelle ist nicht vorbei, aber zwischen den Jahren dürften Tausende Arztpraxen geschlossen bleiben. Der Virchowbund will so gegen die Gesundheitspolitik protestieren.
Vom 27.-29. Dezember streiken Arztpraxen – für mehr Geld und weniger Bürokratie. Die Notfallversorgung ist aber über den ärztlichen Bereitschaftsdienst gesichert.27.12.2023 | 1:35 min
Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik von Bundesminister Karl Lauterbach haben Ärzteverbände dazu aufgerufen, Hausarzt- und Facharztpraxen bundesweit zwischen den Jahren geschlossen zu halten. Die für diesen Mittwoch bis Freitag geplante Aktion ist Teil der Kampagne "Praxis in Not", die von mehr als 20 Verbänden unterstützt wird.
Wer zwischen den Jahren und über Neujahr ärztliche Hilfe benötigt, kann rund um die Uhr beim Patientenservice 116117 anrufen. Unter der bundesweit kostenfreien Nummer gibt es Auskunft zu Praxen in Ihrer Nähe. Im Notfall gilt: Alarmieren Sie den Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112.
Möglicherweise Tausende Praxen dicht
Der Virchowbund der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte rechnete damit, dass mehrere zehntausend Praxen geschlossen bleiben könnten. Die Praxen waren dazu aufgerufen worden, ihre Patienten über die Schließung zu informieren, auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu verweisen und für Vertretung für dringende Notfälle zu sorgen. Konkrete Angaben zur Zahl der beteiligten Praxen wollte der Bund nicht machen, weil der Streik dezentral organisiert werde, erklärte eine Sprecherin.
Der Bundesvorsitzende des Virchowbunds, Dirk Heinrich, verteidigte den Streik. Er beklagte im ZDF Morgenmagazin überbordende Bürokratie. "Hier muss endlich mal der Gordische Knoten durchschlagen werden, damit die Praxen entlastet werden von Dingen, die uns von den Patienten abhalten", sagte Heinrich. "
"Die Situation in den Arzt-Praxen verschlimmert sich immer mehr", so Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender vom Virchowbund. Mithilfe von Notdiensten sei trotz des Streiks jeder, der "akut erkrankt ist, auch versorgt."27.12.2023 | 5:05 min
In vielen Praxen gebe es einen Aufnahmestopp, weil das Geld zur Behandlung fehle, erklärte Heinrich. Viele Ärzte gingen deswegen früher als geplant in Rente. Er bemängelte die Streichung der sogenannten Neupatientenregelung zu Jahresbeginn, die Ärzten seit 2019 besondere finanzielle Anreize bot, damit sie neue Patienten aufnehmen und kurzfristig zusätzliche Termine anbieten. Nun würden für einen Euro an Leistungen für neue Patienten nur noch 70 Cent bezahlt.
Scharfe Kritik am Streik
Der GKV-Spitzenverband, der die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen vertritt, reagierte mit Unverständnis. "Wenn die Ärzteschaft mit der Gesundheitspolitik über Kreuz liegt, dann ist es weder angemessen noch fair, die Patientinnen und Patienten vor geschlossenen Praxistüren stehen zu lassen. Und das gerade in einer Zeit, wo wir in Deutschland Spitzenwerte bei Atemwegserkrankungen haben", sagte Sprecher Florian Lanz. "Am Geld kann es jedenfalls nicht liegen, denn die Ärzte-Honorare der gesetzlichen Krankenkassen werden im kommenden Jahr um rund zwei Milliarden Euro steigen."
Auch der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warnte vor Belastungen für Betroffene. Der ärztliche Bereitschaftsdienst sei in diesen Wochen stark eingeschränkt, da die Kassenärztlichen Vereinigungen die Verträge mit den Poolärzten gekündigt hätten. "Tatsächlich gilt es, die Mediziner mehr zur Kasse zu bitten, die beim Notdienst nicht mitmachen wollen", verlangte er.
Der Bundestag hat den Plänen der Ampelkoalition, das Gesundheitswesen zu digitalisieren, zugestimmt. Bereits ab Januar dürfen Arztpraxen nur noch E-Rezepte ausstellen.14.12.2023 | 1:46 min
Auch Gesundheitsminister Lauterbach zeigte kein Verständnis für den Ärzte-Streik nach Weihnachten und verwies dabei auf die vielen Krankheitsfälle.
Krisengespräch im Januar
Lauterbach will sich mit den Hausärzten im Januar zu einem Krisengipfel treffen, um über die beklagte Überlastung und die viele Bürokratie in den Praxen zu beraten.
Quelle: dpa
Thema
Mehr zur aktuellen Krankheitswelle
mit Video
Krankheitswelle in Deutschland:Arzt: "Wer krank ist, soll zuhause bleiben"
2:43 min
Nachrichten | heute journal:Drastischer Anstieg der Influenza-Inzidenz
von Petra Otto
mit Video
Mehr als jeder Zehnte betroffen:RKI: Mehrere Atemwegsviren parallel im Umlauf
Neues aus den Arztpraxen
1:46 min
Nachrichten | heute 19:00 Uhr:Bundestag: Ab Januar nur noch E-Rezepte
von Trams, I. / Krämer, S.
29:00 min
Doku | 37 Grad:Junge Docs: Dienste, Druck und Dauerstress
von Nadja Kölling
Fiebersäfte und Antibiotika:Wieder Engpässe bei Medikamenten befürchtet
mit Video
Protest gegen Gesundheitspolitik:Tausende Arztpraxen bleiben heute zu
Arztpraxen und Krankenhäuser:Kliniken: 400 Millionen für unnötige Geräte?
von Peter Welchering
Hausarzt dringend gesucht:Wie Kommunen Ärzte aufs Land locken wollen
von Manuela Christ
Interview
Fachkräftemangel:Wie Arztpraxen den Kollaps verhindern wollen
1:38 min
Nachrichten | heute:Bundesweiter Protest: Arztpraxen geschlossen
von M. Ihlau/H. Kehl