Energiepolitik in Europa: Was der EU-Gaspreisdeckel bringt

    Energiepolitik in Europa:Was der EU-Gaspreisdeckel bringt

    von Dennis Berger
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    Der europäische Gaspreisdeckel war zuletzt einer der größten Zankäpfel in der EU. Von diesem Mittwoch an kann er nun genutzt werden. Doch wird er überhaupt gebraucht?

    Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat in Europa im vergangenen Jahr zu einem drastischen Anstieg der Großhandelspreise für Erdgas geführt. Die Wiederholung einer solchen Situation soll von Mittwoch an ein dynamischer EU-Preisdeckel verhindern.

    Ziel: Schutz vor erhöhten Preisen

    Der sogenannte Marktkorrekturmechanismus soll Bürger und Wirtschaft vor überhöhten Preisen schützen. Konkret geht es darum, zu verhindern, dass die Großhandelspreise für Gas in der EU über längere Zeit deutlich über den Weltmarktpreisen liegen.
    Das EU-Preislimit setzt nicht bei den Verbrauchern an. Sondern beim Groß- und Börsenhandel, also bei Gashändlern und Versorgern. Diese dürfen keine Verträge abschließen zu Preisen jenseits des Limits.
    Die bewegliche Obergrenze wird aktiviert, sobald der Preis drei Tage in Folge 180 Euro je Megawattstunde übersteigt und gleichzeitig 35 Euro über dem internationalen Durchschnittspreis für flüssiges Erdgas liegt. Die Obergrenze soll auf diese Weise verhindern, dass Förderländer in der EU deutlich mehr verlangen als etwa von asiatischen Kunden.
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    Mechanismus greift nicht sofort

    Da der relevante europäische Gaspreis zuletzt zwischen 50 und 60 Euro und damit sehr deutlich unter dem Grenzwert liegt, greift das Limit erstmal nicht. Damals erreichten die europäischen Erdgaspreise nach Angaben der EU-Kommission ein Niveau, das 1.000 Prozent über den bis dato verzeichneten Durchschnittspreisen lag.
    Bewegten sich die Preise in den vergangenen zehn Jahren zwischen fünf und 35 Euro pro Megawattstunde, klettern sie im vergangenen Sommer auf Rekordstände von über 300 Euro pro Megawattstunde.

    Russische Gaslieferungen als Waffe

    Laut EU-Kommission sind die Preise vor allem gestiegen, weil Russland seine Gaslieferungen als Waffe einsetzte und durch vorsätzliche Unterbrechungen den Markt manipulierte.

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