Interview
Grüne Start-ups:Können Gründer unseren Wohlstand retten?
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Wachstum durch die "grüne" Transformation der Wirtschaft - das hat uns Kanzler Scholz versprochen. Ob es dazu kommt, ist unter Experten aber umstritten - ein Doppelinterview.
ZDFheute: Die Politik will eine nachhaltige und ökologische Transformation der Wirtschaft. Wie wichtig sind Start-ups dafür, dass das erfolgreich gelingt?
Prof. Ulrike Malmendier: Start-ups sind absolut essenziell für die grüne Transformation. Bei Strom aus Erneuerbaren Energien müssen wir für Speicherkapazitäten sorgen. Wir brauchen Carbon-Capture-Technologien, mit denen Treibhausgase eingefangen werden können.
Im Bereich der Elektromobilität und im Güterverkehr hat es in den letzten zwei, drei Jahren Riesensprünge bei der Batterietechnologie gegeben. Jetzt können auch große Lastwagen sogar über die Alpen fahren.
Quelle: Sachverständigenrat Wirtschaft
... ist seit September 2022 Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft und damit eine der fünf "Wirtschaftsweisen", die aus unabhängiger Expertensicht die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland bewerten.
Prof. Clemens Fuest: Start-ups sind extrem wichtig, weil sie eben neue Ideen in die Wirtschaft bringen. Die Einführung neuer Technologien bedeutet aber auch immer die Zerstörung von Marktposition.
Etablierte Unternehmen werden immer überlegen: 'Ist das eigentlich gut für mich, wenn ich jetzt in meiner Branche was ganz Neues einführe?'
Damit entwerte ich Dinge, die schon vorhanden sind. Wir haben das auf krasse Weise gesehen in der Autoindustrie. Letztlich kam der Schub für die Elektromobilität durch Tesla, durch ein Start-up.
Quelle: ifo Institut
... ist Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist unter anderem Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen.
ZDFheute: Gibt es in Deutschland genug Start-ups, um den Wandel voranzutreiben? Können wir das Potential nutzen?
Malmendier: Nehmen wir zum Beispiel Künstliche Intelligenz: Wenn man sich anschaut, was an Papieren von technischen Unis veröffentlicht wird, dann können die deutschen Forscher und die deutschen Labore sehr gut mithalten. Werden diese Ideen auch genutzt, um neue Unternehmen zu gründen? Auch da hat es in Deutschland eine sehr positive Entwicklung geben.
Anders sieht es aber aus, wenn erfolgversprechende Unternehmen eine Wachstumsfinanzierung benötigen - also 50 oder 150 Millionen. Ein solches Finanzierungsvolumen, das wir in Deutschland bräuchten, um ein starkes Wirtschaftswachstum auszulösen, genau das ist nicht da.
ZDFheute: Die Autoindustrie galt bisher als Flaggschiff der deutschen Industrie - wird das auch nach der Elektrifizierung so bleiben?
Fuest: Die deutsche Automobilindustrie hat große Wettbewerbsvorteile in der Technologie des Verbrennungsmotors und geringere in der Elektromobilität.
Und da die Elektromobilität an Bedeutung gewinnen wird, ist klar, dass die Autoindustrie vermutlich nicht die Branche ist, die den Wohlstand der Zukunft in der gleichen Weise sichern kann.
Wir haben immer noch Kompetenz hier und das wird auch in der Welt der Elektromobilität so bleiben. Wahrscheinlich aber eher bei höherwertigen Fahrzeugen. Im Massenmarkt wird das sehr schwierig.
ZDFheute: Was wird aus den Branchen, die in den letzten Jahren unseren Wohlstand gesichert haben?
Malmendier: Es ist für uns wichtig zu verstehen, dass der Motor der deutschen Wirtschaft, also die großen Sektoren Automobil, Chemie, Maschinenbau, in Zukunft höchstwahrscheinlich eine geringere Wertschöpfung als in der Vergangenheit generieren werden. Es betrifft viele fortgeschrittenen Volkswirtschaften, dass das bestehende Kapital, also die bestehenden Technologien, für immer weiter abflachende Erträge sorgen.
Deswegen ist es für Volkswirtschaften sehr wichtig, frühzeitig auf neue Technologien und auf riskantere Ideen, die wirklich zukunftsorientiert, wachstumsorientiert sind, zu setzen.
Die Interviews führte Matthias Hambsch.
Quelle: dpa
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