Temu & Co.: Politik nimmt Schnäppchen-Plattformen ins Visier

    Chinas Schnäppchen-Plattformen:Politik nimmt Temu & Co. stärker ins Visier

    von Marcel Burkhardt
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    Verbraucherschützer warnen vor illegalen Produkten chinesischer Billig-Plattformen. Die Europäische Politik handelt, kann aber mit dem Tempo der Anbieter schwer Schritt halten.

    Das Logo von Temu, einer E-Commerce-Plattform, ist auf einem Mobiltelefon zu sehen, das vor seiner Website angezeigt wird, aufgenommen am 26.04.2023
    Täglich erreichen circa 400.000 Päckchen allein von Temu und Shein Schätzungen zufolge Kunden in Deutschland.
    Quelle: Reuters

    Fast im Wochentakt warnen Kontrollbehörden, Verbraucherschutz-Organisationen und Industrieverbände vor mangelhaften und auch gefährlichen Produkten aus China, die über beliebte Schnäppchen-Plattformen wie Temu auf direktem Weg zu Kunden nach Europa gelangen.
    Eines von vielen Beispielen aus jüngster Zeit: Verdachtsveranlasste Testkäufe von Elektrogeräten bei Temu durch die Bundesnetzagentur. Sie ergaben laut Wirtschaftsstaatssekretär Udo Philipp "in nahezu allen Fällen, dass die gesetzlichen Anforderungen nicht eingehalten wurden".
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    Test: Große Gefahr für Kinder durch Temu-Spielzeug

    Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt ein unabhängiges Testlabor, das im Auftrag des europäischen Spielwarenverbands "Toy Industries of Europe" über Temu verkaufte Spielzeuge untersuchte. Demnach stellten 18 von 19 geprüften Spielwaren ein "Sicherheitsrisiko für Kinder" dar:

    Zu den Gefahren gehören laut Test beispielsweise Schnittwunden, Ersticken, Strangulieren, Stichwunden und chemische Risiken.

    Deutscher Verband der Spielwarenindustrie e.V.

    Alle beanstandeten Produkte hat Temu nach eigenen Angaben inzwischen von der Plattform entfernt. "Wir haben die Überwachung dieser Produktgruppe und der damit verbundenen Anforderungen verstärkt", schreibt eine Temu-Sprecherin auf ZDFheute-Anfrage.
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    Verbände fordern Gesetzesänderungen für mehr Schutz

    Der europäische Spielwarenverband und sein deutsches Pendant bleiben skeptisch und fordern Gesetzgeber und Behörden auf, mit gezielteren Rechtsvorschriften härter gegen den Verkauf von unsicherem Spielzeug vorzugehen, "um Kinder zu schützen und seriösen Spielzeugherstellern einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen".
    Auch der Bundesverband der Verbraucherzentrale (VZBV) drängt darauf, Online-Marktplätze wie Temu stärker verantwortlich zu machen, denn:

    Der Online-Handel und insbesondere Online-Marktplätze sind das größte Einfallstor für unsichere und nicht rechtskonforme Produkte auf dem europäischen Markt.

    Stefanie Grunert, VZBV-Referentin für Recht und Handel

    Während der Druck der europäischen Wirtschaft und Verbraucherschützer auf die Politik wächst, boomt das Geschäft der Verkaufsplattformen.






    Paketflut von Temu und Shein bringt Kontrolleure in Not

    Schätzungen zufolge erreichen täglich circa 400.000 Päckchen allein von Temu und der Textilien-Plattform Shein Kunden in Deutschland. Die Masse von Paketen, "die über Temu und Shein jeden Tag den deutschen Markt fluten, stellt die Überwachungsbehörden vor große Herausforderungen", fasst ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums die aktuelle Lage zusammen.
    Die Behörden seien "hoffnungsvoll überfordert", kommentiert derweil die "WirtschaftsWoche" das Geschehen: "Schon vor der Produktinvasion via Temu oder Shein standen die Zöllner auf Frachtumschlagplätzen wie dem Flughafen Leipzig auf verlorenem Posten", so das Magazin.
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    ZDF-Reporter Sven-Hendrik Hahn hat Online-Billigprodukte getestet.11.12.2023 | 7:10 min

    Bundesregierung: Strengere Marktüberwachung nötig

    Laut Bundeswirtschaftsministerium prüft die Bundesregierung nun mit ihren Partnern in der Europäischen Union (EU), wie die eigenen hohen Standards für Produktsicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Zollvorgaben auch bei Plattformbetreibern außerhalb der EU "konsequenter durchgesetzt" werden könnten.
    Eine vorgesehene Maßnahme ist die strengere Marktüberwachung. Das heißt: Behörden wie die Bundesnetzagentur intensivieren ihre Kontrollen. Immerhin: Temu nahm bislang beanstandete Produkte stets aus dem Sortiment. Andere Plattformen schalten dagegen auf Durchzug.

    Plattform Shein kooperiert nicht mit Kontrolleuren

    "So haben die Plattformen Shein und Tomtop bislang nicht kooperiert", schreibt Wirtschaftsstaatssekretär Philipp. Das "Durchschlagspotenzial" der Marktüberwachung sei bei den Nicht-EU-Plattformen bislang begrenzt.
    Die Bundesregierung setze sich daher auf Ebene der EU für eine Verschärfung der Vorschriften gegenüber solchen Akteuren ein, um diese künftig zur "Auskunft und Unterstützung der Marktaufsicht" zu verpflichten, so der Staatssekretär. Zudem verweist er auf Vorschläge der EU-Reform zu einer Zollreform.
    Ausrangierte Elektrogeräte.
    In Zeiten des Online-Handels werden Unmengen an Billiggeräten um die Welt geliefert. Häufig sind diese sind nicht nur unbrauchbar, sondern auch gefährlich. 02.11.2021 | 1:39 min

    Kritik: Auch strengeres EU-Recht noch nicht ausreichend

    Verbraucherschützer sehen in neuen EU-Rechtsakten wie dem Gesetz für Digitale Dienste und der "Allgemeinen Produktsicherungsverordnung" zwei wichtige Schritte für mehr Sicherheit im Online-Handel, weil Plattformbetreiber erstmals Sorgfaltspflichten auferlegt bekommen für die transportierten Inhalte und Produkte.
    Der VZBV will aber noch einen Schritt weitergehen: Online-Marktplätze müssten in letzter Konsequenz die Verantwortung dafür tragen, "wenn über ihre Plattform illegale Produkte verkauft werden", so Expertin Stefanie Grunert. Dafür gebe es bislang aber keine politische Mehrheit in der EU.
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