Putin droht, Europa zerstritten – Ukraine auf verlorenem Posten?

Fakten-Box | 29. Februar 2024

• Russlands Offensive

  

  Seit Beginn des Jahres nimmt der Druck der Russen auf die Ukrainer ständig zu, Moskau verfügt über die Initiative an fast allen Frontabschnitten. Besonders heftige Kämpfe finden aktuell vor allem westlich der gerade eroberten Stadt Awdijiwka und westlich von Bachmut statt. Gleich an mehreren Frontabschnitten hat die russische Armee ihre Truppen zusammengezogen: An der Südfront bei Robotyne, im Osten bei Awdijiwka sowie westlich von Bachmut und westlich von Kreminna im Gebiet Luhansk.
  
  An einem dieser Orte hofft Russland, einen Durchbruch zu erreichen. Sollte den Russen an mehreren Stellen der Front gleichzeitig gelingen, durch die ukrainischen Linien zu stoßen, würde das die Verteidiger entscheidend schwächen und zu größeren Rückzügen zwingen. Ziel der Angreifer ist es, in den sogenannten Bewegungskrieg zu kommen, also rasch viele Quadratkilometer zu besetzen. Das wollen die Ukrainer unbedingt verhindern und bauen offenbar bereits weitere Stellungen im Hinterland auf.
  
  Das Institute for the Study of War sieht Anzeichen, dass Russland eine grössere Offensive entlang von vier Achsen an einer Front von ungefähr 200 Kilometern Länge in den Regionen Charkiw und Luhansk vorbereitet, auch die ukrainische Regierung stellt sich auf eine russische Offensive Ende Mai oder im Sommer ein. “Wir werden uns auf ihren Angriff vorbereiten”, so Präsident Volodymyr Selenskyj.
  
  
  (Quellen:  Red. / ZDF/ dpa / reuters / afp / ap / epd / kna)

  Bildquelle: AFP

• Probleme der Ukraine

  

  Beunruhigend für die Ukraine sind zunehmende Probleme an der Front, vor allem der Munitionsmangel. Dazu kommt, dass Russland trotz riesiger Verluste in Awdijiwka nicht gezwungen war, andere Frontabschnitte zu schwächen. Experten befürchten, der Westen habe Moskaus Fähigkeit zur Mobilisierung zusätzlicher Truppen unterschätzt. Da die Ukraine ihrerseits voraussichtlich während des gesamten Jahres 2024 in der Defensive bleibt, können die Russen relativ frei Truppen rotieren, ohne gravierende Gegenangriffe zu befürchten.
  
  Russland macht keine Angaben zu seinen Verlusten an der Front. Die BBC und russische Oppositionsmedien gaben zum zweiten Jahrestag des Invasionsbeginns am 24. Februar an, dass bereits mehr als 75.000 russische Soldaten in der Ukraine gestorben sein sollen. Anfang der Woche räumte Präsident Wolodymyr Selenskyj Verluste von 31.000 toten ukrainischen Soldatinnen und Soldaten ein. Ob die Zahlen stimmen, lässt sich auf beiden Seiten nicht unabhängig überprüfen. Es wird davon ausgegangen, dass sowohl die ukrainische als auch die russische Seite die Anzahl der getöteten Soldaten herunterspielen.
  
  (Quellen: Zeit / NZZ / tagesschau / ZDF)

  Bildquelle: epa

• Selenskyj reist und wirbt für Unterstützung

  

  Der ukrainische Präsident hat in den vergangenen Wochen in zahlreichen Ländern um weitere Unterstützung und Waffenlieferungen für sein Land geworben, etwa in den USA, Litauen, Deutschland und Frankreich.
  
  Zusammen mit der albanischen Regierung richtete er am Mittwoch ein Gipfeltreffen zum russischen Angriffskrieg gegen sein Land aus. Elf Länder aus Südosteuropa, darunter einige der Nachbarstaaten der Ukraine, nahmen an dem Treffen in Albanien teil, außerdem Vertreter der EU und internationaler Institutionen.
  
  In einer Pressekonferenz verkündete Selenskyj, er wolle im Frühjahr in der Schweiz eine erste „Eröffnungskonferenz“ in einem Friedensprozess abhalten. Dort „werden die Länder ein gerechtes Dokument vorstellen“ - gemeint war offenbar ein Entwurf für einen Waffenstillstand. Auf einer zweiten Konferenz, „vielleicht auf einem anderen Kontinent“, könne dann Russland zu den Verhandlungen hinzugebeten werden, so Selenskyj.
  
  (Quellen:  Red. / ZDF/ dpa / reuters / afp / ap / epd / kna)

  Bildquelle: dpa

• Politbarometer: Mehrheit für mehr Waffen

  

  Immer mehr Menschen sind der Meinung, dass die europäischen Staaten mehr Waffen und Munition an die Ukraine liefern sollten. Das zeigt das aktuelle ZDF-Politbarometer.
  

  Mehrheit: Mehr Waffen für die Ukraine Bildquelle: zdf

• Der ukrainische Friedens-Vorschlag

  

  Die ukrainische Vorstellung für Frieden stammt bereits aus dem Herbst 2022: Damals stellte Selenskyj seine Friedensformel vor den Vereinten Nationen vor. Darin wird gefordert, dass sich Russland aus dem gesamten Territorium der Ukraine zurückzieht inklusive der Halbinsel Krim und der Hafenstadt Sewastopol dort. Außerdem solle Russland zu Reparationszahlungen für die angerichtete Zerstörung verpflichtetet werden und Kriegsverbrechen bis zur obersten Ebene des Staates - also Präsident Wladimir Putin - geahndet werden. Nur dieser Friedensplan ermögliche einen "gerechten und stabilen Frieden", so Selenskyj.
  
  Die Chancen für ein Ende des Krieges sind weiter sehr gering. Russland hat bereits erklärt, dass es derzeit keine Grundlage für Friedensgespräche gebe.
  
  (Quellen: AP /ZDF)

  Bildquelle: ZDF

• NATO-Bodentruppen in die Ukraine?

  

  Bundeskanzler Olaf Scholz hat bekräftigt, dass er eine Entsendung von Soldaten in die Ukraine ablehnt: „Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden", sagte er in einem am Mittwochabend veröffentlichte Video. "Die Nato ist – und wird – keine Kriegspartei. Dabei bleibt es.“ Er wolle nicht, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato werde, so Scholz.
  
  Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte am Montag eine Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht ausgeschlossen und damit international für Wirbel gesorgt. Die USA, Deutschland, Großbritannien und weitere Nato-Partner Frankreichs hatten diese Option umgehend kategorisch abgelehnt.
  
  Das lettische Verteidigungsministerium hingegen teilte mit, Lettland stehe einem Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine nicht grundsätzlich abweisend gegenüber. „Lettland prüft weiterhin viele verschiedene Möglichkeiten, die Unterstützung für die Ukraine zu stärken. Sollte es zu einer Einigung der Nato-Verbündeten über die Entsendung von Truppen in die Ukraine kommen, würde Lettland eine Teilnahme in Betracht ziehen“, so ein Sprecher.
  
  (Quellen: AP, / dpa)

  Bildquelle: AP

• Taurus für die Ukraine?

  

  Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Montag erstmals ausführlich begründet, warum er bisher keine Zustimmung zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine gegeben hat. „Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland.“ Die Ukraine brauche derzeit vor allem Munition.
  
  Zuvor hatten Politiker von FDP und Grüne betont, dass deutsche Soldaten für die Taurus-Nutzung gar nicht auf ukrainischem Boden eingesetzt werden müssten. Der Streit über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern mit einer hohen Reichweite von 500 Kilometern tobt seit Monaten in der Ampel-Koalition. Auch die Tatsache, dass Deutschland mittlerweile zum zweitgrößten Waffenlieferanten der Ukraine aufgestiegen ist und in diesem Jahr mehr als sieben Milliarden Euro für Waffen und Munition bereitstellt, hat daran nichts geändert. Die Befürworter argumentieren, dass mit Taurus auch Ziele tief hinter der Frontlinie getroffen und russische Nachschubwege unterbrochen werden könnten. Mit der Reichweite könnten allerdings auch Ziele in Moskau erreicht werden.
  
  Scholz hatte mehrfach betont, dass Kriterium für die Lieferung von Waffen immer sei, dass diese eng mit den USA abgestimmt sein müsse, die ebenfalls keine Marschflugkörper lieferten - anders als Frankreich und Großbritannien. Zudem dürfe die Nato selbst nie Kriegspartei werden. Deshalb bilden etliche Nato-Staaten wie auch Deutschland seit Monaten ukrainische Soldaten aus, die dann gelieferte westliche Waffensysteme bedienen. Der Kanzler argumentiert, dass dies mit Taurus nicht möglich sei. "Das ist eine sehr weitreichende Waffe, und das, was an Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden", sagte der Kanzler. Das wisse auch jeder, der sich mit diesem System auseinandergesetzt hat.
  
  (Quelle: Reuters)

  Bildquelle: picture alliance / abaca

• Putins Rede an die Nation

  

  Der russische Präsident Wladimir Putin hat dem Westen mit Blick auf den Ukraine-Konflikt vor einer nuklearen Eskalation gewarnt. „Sie sollten endlich begreifen, dass auch wir über Waffen verfügen, die Ziele auf ihrem Territorium treffen können", sagte er in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation. Er warnte vor der Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine und warf dem Westen vor, die Gefahr eines Nuklearkonflikts heraufzubeschwören.
  
  „Sie haben über die Möglichkeit gesprochen, westliche Militärkontingente in die Ukraine zu schicken.“ Ein solcher Schritt hätte für die betreffenden Länder „tragische“ Folgen. „Alles, was sie sich derzeit einfallen lassen, womit sie die Welt erschrecken, schafft die reale Gefahr eines Konflikts mit dem Einsatz von Atomwaffen, was die Zerstörung der Zivilisation bedeutet", sagte Putin. Er bezog sich damit offenbar auch auf Äußerungen von Emmanuel Macron, der am Montag die Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine nicht ausgeschlossen hatte.
  
  (Quelle: afp)

  Bildquelle: Reuters/Evgenia Novozhenina