Ausgeliefert: Die Macht der Töne

Elektroautos sind bei niedrigen Geschwindigkeiten kaum hörbar: eigentlich ein riesiger Fortschritt, gleichzeitig aber auch ein großes Problem. Besonders Blinde sind auf die Geräusche der Autos angewiesen. Denn erst ab ungefähr 50 Kilometern pro Stunde sind sie aufgrund von Abroll- und Windgeräuschen so laut wie Autos mit Verbrennungsmotor. Ab 2019 schreibt die EU vor, dass E-Autos bei niedrigen Geschwindigkeiten mit Tönen warnen müssen, die „autoähnlich“ klingen und eine bestimmte Lautstärke erreichen sollen. Für die Hersteller geht es bei der Suche nach dem neuen Sound aber um weit mehr als nur die Erfüllung von EU-Normen: Der Sound soll auch den Verkaufserfolg sichern. Er soll Qualität vermitteln, gut hörbar sein und Emotionen wecken. Mit viel Aufwand wird im Soundlabor mit Probanden getestet, wie Töne wahrgenommen werden. Die Konzerne wissen, dass sie jetzt entscheidende Weichen für den Verkaufserfolg stellen. Schon heute fließen etwa fünf Prozent des Entwicklungsetats ins Sounddesign: einerseits, um die Vorgaben zu erfüllen – doch vor allem, um den unverwechselbaren „emotionalen“ Klang der Marke zu sichern.

Mehrere Studien untersuchen die Auswirkungen auf Menschen, die täglich Lärmquellen wie Straßenverkehr, Bahn oder Flugzeug ausgesetzt sind. Das Problem: Die Lärmstudien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Messung des Lärmpegels allein reicht nicht aus. Wichtig ist auch die Berücksichtigung des Gesundheitszustands der Betroffenen. Vor allem die aktuelle Konstitution und die Krankheitsvorgeschichte sind von Bedeutung. Für die Norah-Studie werden die  Lärmpegel von 900.000 Adressen ermittelt. Besonders Herz-Kreislauf-Probleme und psychische Erkrankungen stehen im Fokus. Das Ergebnis: Bei Betroffenen, die über längere Zeit hoher Lärmbelastung ausgesetzt sind, steigt die Gefahr von Gesundheitsschäden. Jedoch mit Unterschieden: Zum Beispiel steigt das Risiko von Herzschwäche bei der Lärmbelastung durch Schienen- und Straßenverkehr im Extremfall um mehr als zehn Prozent; je mehr Lärm, desto größer die Gefahr zu erkranken. Bei massivem Fluglärm dagegen treten vermehrt Fälle von Depressionen auf.
Bei anderen Studien werden Probanden nachts mit Fluglärm beschallt. Forscher wollen herausfinden, ob sich die Lärmbelastung direkt auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt. Und tatsächlich: In Abhängigkeit vom Lärm kann ein leichter Anstieg des Blutdrucks festgestellt werden. Auch wenn Detailfragen noch nicht endgültig geklärt sind: Je nach Art und ab einer bestimmten Intensität kann Verkehrslärm tatsächlich krank machen. Und die Gefahr steigt, denn Prognosen zufolge soll sich in den nächsten 15 Jahren die Fluggastzahl verdoppeln auf 7,2 Milliarden Menschen jährlich.

Viele moderne Gebäude sind zwar optisch eindrucksvoll, aber akustisch problematisch: Denn glatte Glas- oder Wandflächen reflektieren Töne wie akustische Spiegel. Der Ton dehnt sich in alle Richtungen aus und wird zurückgeworfen. Auf Grund des starken Halls auf modernen Bahnhöfen oder Flughäfen können Reisende die für sie wichtigen Durchsagen oft kaum verstehen. Doch neue Anlagen mit separat ansteuerbaren Lautsprechern lösen das Problem. Sie bündeln den Schall. Der unerwünschte Hall kann so deutlich reduziert werden.
Die punktgenaue Steuerung des Schalls mithilfe vieler kleiner Lautsprecher eröffnet neue Möglichkeiten für unsere moderne Welt. So könnten beispielsweise in Zukunft an internationalen Flughäfen akustische Korridore geschaffen werden. Durchsagen erfolgen auf verschiedenen Sprachen gleichzeitig – je nach dem Bereich, in dem man steht, wird man in einer anderen Sprache beschallt.