London will Vorreiter bei KI-Sicherheit sein

    Konferenz in Großbritannien:London will Vorreiter bei KI-Sicherheit sein

    Hilke Petersen, ZDF-Korrespondentin in London
    von Hilke Petersen
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    Die Briten versammeln Staaten und Konzerne, um über Kontrolle von Künstlicher Intelligenz zu beraten. Welche Regeln braucht es für einen verantwortungsvollen Umgang mit KI?

    Archiv: Künstliche Intelligenz an der TU Darmstadt
    Künstliche Intelligenz - riesige Chance oder riesige Gefahr? (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    28 Länder nehmen teil an der Konferenz der Briten. Die haben an einen historischen Ort in der Nähe von London geladen: Bletchley Park, wo einst britische Experten den Enigma-Code der Nazis entschlüsselten und so einen Grundstein legten für das Computer-Zeitalter.
    Mythos Enigma
    Beim Tauchgang in der Geltinger Bucht findet Unterwasserarchäologe Florian Huber eine Enigma. Die streng geheime Chiffriermaschine wurde im Zweiten Weltkrieg eingesetzt.21.03.2021 | 18:45 min
    Einen großen Moment will die britische Regierung auch jetzt heraufbeschwören, will wieder Erster sein. Premierminister Rishi Sunak kündigte in einer Rede voller Superlative an, das erste Institut der Welt für KI-Sicherheit zu gründen, das das Datenwissen internationaler Forscher aufbereiten soll. Die USA beeilten sich, ebenfalls eine solche Einrichtung bekannt zu geben.
    Der Druck ist groß. Doch die Veranstaltung schafft es immerhin, zwar nicht alle eingeladenen Staats- und Regierungschefs nach Bletchley Park zu lotsen, aber doch einige CEOs führender Konzerne, darunter Elon Musk. Sowohl China als auch die USA gehören neben den anderen Staaten zu den Unterzeichnern einer Erklärung zum verantwortungsvollen Umgang mit Künstlicher Intelligenz.
    Ein humanoider Roboter wird auf der Konferenz "AI for Good" in Genf vorgestellt.
    Der UN-Sicherheitsrat hat sich erstmals mit den Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz befasst. UN-Generalsekretär Guterres warnte vor den Gefahren der Technologie.19.07.2023 | 0:15 min

    KI mit riesigem Nutzen in der Medizin

    Björn Schuller glaubt die Alarmmeldungen nicht, dass KI die Menschheit auslöschen wird. Er ist Professor für Künstliche Intelligenz am Imperial College in London. Die Computer könnten soviel wie "ihre" Menschen, nur mit viel viel mehr Datenwissen. Deshalb sind sie im Lösen von Aufgaben um ein Vielfaches schneller.

    Eine wesentliche Forderung von KI-Experten ist die nach verbesserter Offenlegung von Trainings- und Verifikationsdaten, mit denen KI-Systeme lernen bzw. deren Lernverhalten überprüft wird. Bei den Trainingsdaten müsse sichergestellt werden, dass keine verzerrten Daten zu falschen Entscheidungen führen.

    Gefordert wird auch Transparenz bei den Entscheidungen. Diese müssten genau nachvollzogen werden. Nur so könne man herausfinden, wo eine falsche Entscheidung aufgrund falscher Daten oder aufgrund einer falschen Gewichtung im neuronalen Netz getroffen wurde.

    Generell müsse laut Experten ebenfalls reguliert werden, dass die jeweilige Wissensbasis, auf deren Grundlage ein KI-System Lösungen entwickelt, also Entscheidungen trifft, geprüfte Daten enthält. Hier dürfen nur verifizierte Daten gespeichert sein. Dies sei bislang häufig nicht der Fall.

    Schullers Projekt ist die Stimmanalyse: Künstliche Intelligenz "hört" aus Stimmsequenzen viel mehr, als es das menschliche Ohr vermag. Und kann dann Aussagen treffen über Anzeichen für bestehende oder kommende Krankheiten wie Alzheimer oder Autismus. In letzter Konsequenz könnte eine solche Entwicklung dazu führen, dass in Weltregionen mit wenig ärztlicher Versorgung Patienten einen Server anrufen. Und der die Diagnose stellt – nach Stimmanalyse. Doch vorher dürften viele ethische Fragen zu klären sein.

    Medizin der Zukunft mit KI
    :Wo Künstliche Intelligenz Ärzten helfen kann

    Künstliche Intelligenz ist längst in Kliniken und Praxen im Einsatz. In Zukunft könnte sie Ärzte und Pfleger stärker entlasten. Werden Patienten bald von Dr. KI behandelt?
    von Annette Kanis
    Eine Fachärztin für Dermatologie und Venerologie zeigt, wie die Behandlung von Hautpatienten per Video funktioniert.
    mit Video
    Schullers Stimmanalyse könnte auch in Bewerbungsgesprächen so etwas wie eine dritte Dimension sein. Denn sie ermöglicht herauszuhören, ob der Bewerber wirklich so selbstsicher ist wie er vorgibt. Seine Stimme lässt auch Rückschlüsse auf die Herzfrequenz  zu.

    Entwicklung von KI bereitet auch große Sorgen

    So nimmt KI Einfluss auf ganz alltägliches Geschehen und hält schleichend Einzug in unser aller Leben. Das ist vielen unheimlich. US-Vizepräsidentin Kamala Harris gibt auf der KI-Konferenz Beispiele für individuelle existenzielle Bedrohungen:

    Nehmen wir an, ein Rentner wird durch einen fehlerhaften Algorithmus aus seiner Krankenversicherung geworfen – ist das nicht eine existenzielle Gefahr für ihn?

    Kamala Harris, US-Vizepräsidentin

    Harris nennt auch die Bedrohung für Menschen, die mit pornografischen deepfake-Videos erpresst würden oder aufgrund von KI-Gesichtserkennung fälschlicherweise in Haft kämen.  

    Konferenz will Leitplanken für Tech-Konzerne

    Mehr Kontrolle über das hochkomplexe Geschehen ist das Ziel des Sicherheitsgipfels der britischen Regierung, Leitplanken vereinbaren mit den großen Playern wie Open AI, Google oder Deep Mind – selbst für Technologien, die noch nicht entwickelt sind.
    Connor Leahy ist Konferenz-Teilnehmer und CEO von Conjecture, einer Firma, die sich um KI-Sicherheit kümmert. Er sagt: "Ich hoffe dass das hier ein Beginn ist. Und die internationale Community sieht, dass KI ein Problem ist, das alle betrifft. Nicht ein nationales Problem, ein europäisches Problem oder ein Problem für die USA oder China."

    Wir müssen alle zusammenwachsen und wir müssen handeln. KI verändert sich exponentiell, explodiert. Ist stärker, schneller, klüger.

    Connor Leahy, Experte für KI-Sicherheit

    Abgeordnete stimmen im Europäischen Parlament über das Gesetz zur Künstlichen Intelligenz (KI) ab.
    Künstliche Intelligenz birgt neben Chancen auch zahlreiche Risiken. Das Europäische Parlament hat heute einen Gesetzesentwurf zur Regulation von KI vorgelegt.14.06.2023 | 1:38 min

    Eine der größten Gefahren: Abhängigkeit von KI

    Premierminister Rishi Sunak will sich an die Spitze all derer setzen, die mehr Sicherheit anmahnen. Und am besten die ganze Welt auf mehr Transparenz einschwören. Auch Austausch über "Best Practice" soll das bringen. Sunaks Gipfel will die positiven Möglichkeiten von KI betonen und sich der Angst vor dem Thema rational nähern.
    Professor Björn Schuller sieht die Gefahren von KI so: "Ich bin ein wenig besorgt, wenn es um Verhaltensänderungen zwischen Menschen geht, um Gewohnheiten, die wir entwickeln, wenn wir uns zu stark auf KI verlassen. Und dann einfach durch den Ausfall von KI in einen Zustand wie vielleicht nach einem riesigen Blackout oder Schlimmerem zurückgeworfen werden. Das heißt, wir müssen einfach aufpassen, dass man nicht zu abhängig wird von KI."
    Angst vor der Auslöschung der Menschen, die hat er nicht. Doch als Menschheit beeinflussbar zu werden, das wäre fatal.

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