Biden in Belfast: Der US-Präsident auf dünnem Eis

    Biden in Belfast:Der US-Präsident auf dünnem Eis

    Luc Walpot
    von Luc Walpot
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    Joe Bidens Familie hat irische Wurzeln. Das betont er gerne und regelmäßig. Doch sein Besuch auf der irischen Insel hat vor allem politische Gründe.

    US President Biden meets British Prime Minister Sunak in Belfast
    Joe Biden ist zur Feier des 25. Jahrestages des Karfreitags-Abkommens in Belfast eingetroffen. 1998 wurde damit der Bürgerkrieg beendet.12.04.2023 | 2:23 min
    Gut gelaunt zeigte sich US-Präsident Biden in Washington vor seinem Abflug nach Irland. Es ist eine Reise auf den Spuren der eigenen Familiengeschichte. Bidens Ur-Ur-Urgroßvater lebte einst an der irischen Nordwestküste, bevor er in die Vereinigten Staaten auswanderte.

    Nordirland: Fronten verhärtet

    Biden beruft sich oft und gerne auf seine irischen Wurzeln. Ein Umstand, der, abseits der schönen Bilder in malerischen irischen Küstenorten, die politischen Gespräche des US-Präsidenten in der nordirischen Hauptstadt Belfast nicht einfacher machen dürfte. Denn die Fronten dort sind verhärtet.
    Vor 25 Jahren wurde, auch unter amerikanischer Vermittlung, das sogenannte Karfreitagsabkommen für Nordirland unterzeichnet. Es sollte Frieden bringen, nach drei Jahrzehnten Gewalt, Terror und Leid zwischen den zwei tief verfeindeten Volksgruppen, den katholischen Nationalisten, die Nordirland mit der Republik Irland vereinigen wollten und den protestantischen Unionisten, die mit aller Macht Teil des Vereinigten Königreichs bleiben wollten.

    Es geht jetzt darum, den Frieden in Nordirland zu erhalten. Sicherzustellen, dass das Karfreitagsabkommen hält.

    Joe Biden bei seinem Abflug nach Belfast

    Ganz sicher ist sich der US-Präsident da aber wohl nicht. "Wir müssen die Daumen drücken!", fügte er hinzu.

    Biden will US-Wähler mit irischen Wurzeln gewinnen

    Für Biden geht es, neben den Erinnerungen an seine irischen Wurzeln, auch um handfeste politische Interessen. Die irische Lobby in den USA ist einflussreich. Mehr als 20 Millionen US-Bürger haben irischen Migrationshintergrund. Wichtige Stimmen, falls Biden im nächsten Jahr zur Wiederwahl antreten sollte.
    Ausgelassen feiern wird Biden den 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens in Belfast aber wohl kaum. Das Abkommen steht zwar noch, mit Leben wird es aber kaum noch erfüllt.
    Konkret weigert sich seit der Wahl im letzten Jahr die protestantische, pro-englische Unionistenpartei DUP eine Regierungskoalition mit den katholischen, pro-irischen Nationalisten von Sinn Féin zu bilden. So, wie es das Abkommen eigentlich vorsieht. Das Parlament kann nicht zusammentreten, es gibt keinen Haushalt, wichtige staatliche Dienstleistungen können nur notfinanziert werden.

    Brexit, Nordirland und tiefe Enttäuschungen

    Hintergrund dieser Blockade der Unionisten ist der Brexit und die Sonderrolle Nordirlands beim Austritt Großbritanniens aus der EU. Der britische Ex-Premierminister Johnson hatte seinen Anhängern in Nordirland versprochen, der Brexit werde keine Zollgrenze zwischen Belfast und dem Königreich schaffen. Eine Zusage, die Johnson nicht einhalten konnte. Die pro-englische DUP fühlt sich seither von der konservativen Regierung in London getäuscht und fürchtet um die Zugehörigkeit Nordirlands zum Vereinigten Königreich.
    Typical Brexit
    Im Streit um den Brexit-Sonderstatus für Nordirland fordert Großbritannien von der EU Nachverhandlungen und legt den Grundstein dafür, Teile des Abkommens einseitig aufzuheben.17.05.2022 | 3:27 min
    Eine starre Haltung, die auch Johnsons Nachfolger, Premierminister Sunak bislang nicht ändern konnte. Sunak hofft bei seinem Treffen mit Biden in Belfast vor allem auf amerikanische Finanzhilfen und Investitionen für die angeschlagene nordirische Wirtschaft. Denn auch in diesem Bereich trägt Großbritannien schwer an den Folgen des Brexit.

    Die EU-Subventionen fehlen

    Nordirland, vor allem die Landwirtschaft dort, wurde über Jahrzehnte mit EU-Subventionen gefördert. Vor dem Brexit etwa im Umfang von 700 Millionen Euro jährlich. Geld, das Belfast dringend braucht und nun aus London erwartet. Premierminister Sunak möchte genau das Gegenteil, nämlich die hohen Zuschüsse aus der Staatskasse nach Belfast zusammenstreichen.
    Es geht um Geld, Macht und politische Identität. Jahrzehntelang waren die protestantischen Unionisten die stärkste politische Kraft in Nordirland. Bei der Wahl im letzten Jahr war auch das vorbei. Die pro-irische Sinn Féin erhielt erstmals die meisten Stimmen. Ihre Spitzenkandidatin, Michelle O’Neill, hätte gemäß dem Karfreitagsabkommen auch Regierungschefin werden müssen. Das verhindern die Unionisten bislang.
    Joe Biden in Nordirland und Irland
    Der US-Präsident trifft in Belfast und Dublin ein, um das vor 25 Jahren ausgehandelte Karfreitagsabkommen für Nordirland zu würdigen.11.04.2023 | 2:02 min
    Gerry Adams, der für Sinn Féin vor 25 Jahren das Abkommen mit aushandelte, sieht sich in seiner Skepsis bestätigt. "Das Abkommen war keine endgültige Einigung", sagt er. "Es war erst einmal nur das Ende des gewaltsamen Konflikts." Wenigstens das, so hoffen die Menschen in Nordirland, sollte doch weiterhin Bestand haben.