Einst waren die Wintertreffen der CSU echte Krawalltermine - getrieben von einem überbordenden Selbstbewusstsein der Bayern. Heute sucht die Partei verzweifelt nach Aufmerksamkeit.
Es wirkt wie ein verzweifelter Versuch, die bundesweiten Schlagzeilen zu mitzubestimmen, wenn CSU-Generalsekretär Martin Huber inmitten der alten Mauern von Kloster Seeon steht und über die dysfunktionale Berliner Landespolitik schimpft. Berlin sei ein "Fail-State", so Huber, der "generell ein Problem mit der inneren Sicherheit hat". So als wäre Berlin auf einer Stufe mit Somalia oder dem Jemen anzusiedeln.
Die CSU nutzt die Ausschreitungen der Silvesternacht, um für sich Kapital daraus zu schlagen - und, um den ungeliebten Länderfinanzausgleich nicht nur in Frage zu stellen, sondern das Instrument, das eigentlich als Solidaritätsfonds zwischen den Bundesländern gedacht ist, gleich zum politischen Sanktionsinstrument umzudeuten.
Die CSU macht sich bereit für die bayrischen Landtagswahlen im Herbst. Auf der CSU-Winterklausur kritisierte Ministerpräsident und Parteichef Söder die Politik der Ampelregierung.
CSU mit ältlichen Vorwürfen in Richtung Berlin
Huber erfüllt damit den Job, den ihm die CSU-Granden um Markus Söder und Alexander Dobrindt zugedacht haben. Krawall, Hauptsache es knallt richtig. Doch so richtig fliegen, so richtig durchschlagen, tut die Forderung nach "finanziellen Konsequenzen", wie CSU-Landesgruppenchef Dobrindt gesagt hatte, nicht.
Auch die Begründung, dass Berlin das "bayerische Geld zum Fenster rausschmeiße", etwa für "so einen Krampf wie Gender-Toiletten", wirkt in der Huberschen Argumentation etwas ältlich. Tatsächlich will Berlin öffentliche genderneutrale Toiletten einrichten - übersichtliche 24 Stück, zwei pro Berliner Bezirk. Ein Vorhaben, welches das Land Berlin allerdings schon im Mai des letzten Jahres vorgestellt hatte.
Die CSU leidet unter dem Machtverlust im Bund
Die CSU leidet unter dem Machtverlust in Berlin - keine Ministerposten mehr, weniger Einfluss, ein gravierender Bedeutungsrückgang. Nach zwei Jahren Pandemie-Pause treffen sich die bayerischen Bundestagsabgeordneten der Union wieder im Kloster Seeon, unweit des Chiemsees. Immerhin die Kulisse stimmt wieder - weißblauer Himmel, die Alpengipfel am Horizont.
Die CSU-Bundestagsabgeordneten starten heute in ihre dreitägige Winterklausur. Unter Leitung von Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wollen die Bundestagsabgeordneten in Seeon wichtige inhaltliche Eckpunkte für die kommenden Wochen und Monate abstecken.
Drei Tage nehmen sie sich Zeit, um über die eigene Rolle und die politische Zukunft in Deutschland zu beraten. In einem 17-seitigen Beschlussvorschlag werden nahezu alle Forderungen aufgelistet, die man sich so ausdenken konnte.
Christsoziale fordern umfangreiche Maßnahmen im Bundestag
Von der weiteren Nutzung der Kernenergie, über einen Inflationsausgleich in der Einkommensteuer bis zum alten Klassiker der Begrenzung der Migration hat die CSU im Bundestag einen umfangreichen Forderungskatalog vorgelegt.
Ob sie als Oppositionspartei davon tatsächlich viel wird durchsetzen können, steht irgendwo in den bayerischen Sternen. Aber die Christsozialen wollen sich nicht vorwerfen lassen, dass sie inhaltlich blank wären.
Deutsche Panzerlieferungen auf Drängen der CSU?
Auch beim zweiten bundespolitischen Thema, das diese Schlagzeilen-gewohnte Klausur in diesen Tagen überlagert, versuchen die Christsozialen den Eindruck zu erwecken, als wäre es vor allem ihrem Druck und ihrem Drängen zu verdanken, dass Deutschland jetzt Marder-Schützenpanzer in die Ukraine liefert.
Die Bundesregierung hat sich auf die Entsendung der Schützenpanzer "Marder" an die Ukraine geeinigt. Der ukrainische Präsident Selenskyj bedankte sich für diese Unterstützung.
Da es aber doch eher unwahrscheinlich erscheint, dass sich der französische Präsident Emmanuel Macron oder dessen amerikanische Amtspartner Joe Biden von einer bayerischen Regionalpartei treiben lassen, bleibt auch die Forderung nach Lieferungen von schweren Kampfpanzern, wie dem Leopard 2, zwar eine realistische Option für die nächsten Wochen und Monate, aber München oder gar Berlin scheinen dafür dann doch eher nicht die notwendige Entscheidungsebene.
EU-Parlamentspräsidentin Metsola zu Besuch bei CSU-Klausur
Etwas internationalen Glanz entwickelt dann noch der Besuch der EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und der moldauischen Ministerpräsidentin Natalia Gavrilita. Vor allem die konsequente Haltung der Beiden zum russischen Angriff auf die Ukraine sind ganz nach dem Geschmack der CSU.
Die konservative Politikerin aus Malta, die seit einem Jahr EU-Parlamentspräsidentin ist, unterstützt auch die Forderung nach Leopard-2-Panzern für die Ukraine.
EU-Parlamentspräsidentin Metsola hat die geplante deutsche Lieferung von Marder-Panzern an die Ukraine begrüßt. Metsola war zu Gast auf der CSU-Klausurtagung im Kloster Seeon.
Söder mit "Bayern"-Plan für kommende Landtagswahl
Die bayerische Sichtweise auf sich selbst, auf Deutschland und die Welt ist schon immer eine ganz eigene - eine, mit der der Rest der Republik manchmal auch fremdelt. Davon ließ sich die CSU, die immer für sich in Anspruch nimmt besonders auf die bayerischen Interessen zu achten, noch nie beirren.
CSU-Chef Markus Söder, der um seine Wiederwahl als Ministerpräsident kämpft, jedenfalls glaubt, dass er dafür das ultimative Rezept hat, wie er ganz stolz verkündet:
Auch bei ihnen sei "nicht alles perfekt, aber vieles besser".
Mathis Feldhoff ist Korrespondent des ZDF-Hauptstadtstudios.
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