Stamp: "Ich glaube nicht, dass Ruanda geeignet ist"

    Länder beraten über Flüchtlinge:"Ich glaube nicht, dass Ruanda geeignet ist"

    von K. Hofmann und B. Spiekermann
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    Weniger Flüchtlinge: Länder und Kanzler Scholz ziehen heute Bilanz, wie die Zahlen sinken könnten. Ruanda ist im Gespräch für ausgelagerte Asylerfahren. Doch konkret ist das nicht.

    Berlin: Joachim Stamp (FDP), Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für Migrationsabkommen
    Joachim Stamp (FDP) soll für die Bundesregierung Migrationsabkommen aushandeln. An die Ruanda-Lösung glaubt er nicht.
    Quelle: dpa

    Wenn Vertreter der Bundesländer an diesem Mittwoch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammenkommen und wieder über die Migrationspolitik beraten, ist eher mit vielen kleinen Mosaiksteinen als mit dem großen Wurf zu rechnen. Zehn Maßnahmen werden in der vorläufigen Abschlusserklärung, die dem ZDF vorliegt, aufgezählt. Viele davon werden auf später vertagt.
    Auch eines der umstrittensten Vorhaben: die Auslagerung von Asylverfahren auf andere Staaten, damit die Menschen erst gar nicht bis Deutschland kommen. Die Anhörungen von Fachleuten dazu hat zwar begonnen, vor dem Sommer soll das Ergebnis der Prüfung aber nicht vorliegen.
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    Stamp: "Extrem aufwändig, extrem kompliziert"

    Doch ob der Bund da überhaupt weiterkommt, ist fraglich. Joachim Stamp, Migrationsbeauftragter der Bundesregierung, kann noch keine unterschriftsreife Vereinbarung mit einem Land vorlegen. Noch sieht es derzeit danach aus, dass eine bald unterschriftsreif ist. Der FDP-Politiker sagte dem ZDF:

    Wir haben im Moment noch keinen geeigneten Partner.

    Joachim Stamp (FDP), Migrationsbeauftragter der Bundesregierung

    Grundsätzlich sei eine Drittstaatenregelung denkbar, sagt Stamp. Sie steht schließlich auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung. Es sei aber "extrem aufwändig und extrem kompliziert", ein Land zu finden.
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    Gesucht wird ein Land, das logistisch viele Menschen aufnehmen und gleichzeitig rechtsstaatliche Verfahren garantieren könne. Denn das war die Bedingung der Ampel-Koalition: die Verfahren müssen unter Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention und unter dem Dach der UNHCR, dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen, ablaufen.
    Ruanda, das Favoritenland von Großbritannien, ist es laut Stamp nicht. "Ich glaube nicht, dass Ruanda geeignet ist", sagte er. Denn beide Bedingungen könnten dort eben nicht garantiert werden. Derzeit setzt der Bund eher auf Migrations- und Rückführungsabkommen, um so Menschen leichter wieder abschieben zu können. Mit Georgien, Moldau und Marokko wurden solche Abkommen schon geschlossen.
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    Mit weiteren Ländern ist der Bund in Verhandlungen. Stamp hält sich zurück, mit welchen: "Ich kann nicht über alle Länder sprechen, mit denen wir im Gespräch sind."

    Dobrindt setzt auf Großbritannien

    Ruanda hatte die Union immer wieder in Gespräch gebracht. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält es für "vorstellbar", wie er dem ZDF sagte, die Asylverfahren dort abzuwickeln. Es sei ein "notwendiges Instrument, um die illegale Migration zu stoppen".

    Schutz durch Europa muss nicht heißen Schutz in Europa.

    Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef im Bundestag

    Dobrindt setzt auf Vorreiter Großbritannien. Dort hatte allerdings zunächst der Oberste Gerichtshof das von der Regierung beschlossene Abschiebekommen mit Ruanda für rechtswidrig erklärt. Änderungen der Regierung verhinderte kürzlich das parlamentarische Oberhaus. Die Abgeordneten forderten, dass Ruanda zunächst alle versprochenen Garantien umsetzen müsse, bevor das Land als sicher gelten könne.
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    Dobrindt selbst hat Ruanda und das dortige Flüchtlingscamp besucht. "Es ist ein Modell für uns", glaubt der CSU-Politiker. Denn so könne die "Schleuser-Logik", dass gegen Bezahlung Menschen "in das deutsche Sozialsystem" gebracht würden, durchbrochen werden. Sicherheit, so Dobrindt, könne "auch in Afrika garantiert werden".
    Dass die Bundesregierung den Prüfauftrag ernsthaft verfolgt, bezweifelt Dobrindt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), glaubt er, "spielt auf Zeit und will kein Ergebnis haben".

    Keine Einigkeit bei Bezahlkarte

    Beim Gipfel der Ministerpräsidenten mit Kanzler Scholz wird auch um die umstrittene Bezahlkarte für Asylbewerber gehen. Laut Beschlussvorschlag haben sich die Länder auf einheitliche Mindeststandards geeinigt, die Ausschreibung zur Vergabe läuft. Auch hier ist das Ziel: Sommer.
    Allerdings: Tatsächlich haben sich nur 13 Länder geeinigt. Hamburg hat bereits eine Bezahlkarte eingeführt, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen eigene Wege gehen.
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