Flüchtlingsgipfel: Zusammengerauft - oder doch nicht?

    Streit um Kosten für Flüchtlinge:Zusammengerauft - oder doch nicht?

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Am Ende des Flüchtlingsgipfels tun alle so, als ob es eine gute Beratung war. Doch der Hauptstreitpunkt zwischen Bund und Ländern ist nicht gelöst. Und auch alles andere eher vage.

    Bundeskanzler Olaf Scholz
    "Ein guter Tag für den Föderalismus": Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Flüchtlingsgipfel.
    Quelle: rtr

    Man hätte es ahnen können. Kurz vor Beginn des Flüchtlingsgipfels im Kanzleramt stehen Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner zusammen. Wolfgang Schmidt, Scholz' Minister für das Grobe und die Feinheiten, wedelt mit einem Papier, redet auf die beiden ein, gestikuliert hoch mit der Hand, dann in zwei Stufen runter.
    Und so steht es dann nach sechseinhalb Stunden Beratungen später im Beschlusspapier: Bund und Länder haben sich auf drei Schritte geeinigt. Eine Milliarde Euro zahlt der Bund zusätzlich an die Länder, damit diese ihre gestiegenen Kosten für Geflüchtete finanzieren können. Bis November soll zweitens ein Plan erarbeitet werden, der die Finanzierung völlig neu regelt. Und drittens gibt es ein Maßnahmenpaket, um die illegale Migration zu begrenzen.
    So richtig zufrieden kann keine Seite mit diesem Ergebnis sein.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußert sich bei der Pressekonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel im Bundeskanzleramt.
    An den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfel gibt es viel Kritik. 11.05.2023 | 1:57 min

    Aussicht auf neues System ein Jahr später

    Die Länder nicht, weil sie sofort eine langfristige Umstellung des Finanzierungssystems wollten. Nämlich dass der Bund, wie früher schon einmal, eine Pauschale pro Geflüchteten an die Länder bezahlt. Langfristige Planungssicherheit, das war das große Thema. Kompromisslos, 16 zu eins, wie alle Regierungschefs quer durch die Parteien vor den Verhandlungen betonten: Es brauche mehr Geld, die Kommunen könnten nicht mehr allein die Menschen aufnehmen, eine menschenwürdige Wohnung bieten, für Kita- und Schulplätze sorgen.
    Die Pressekonferenz nach dem Gipfel:
    Zu sehen ist Bundeskanzler Olaf Scholz, flankiert von Stephan Weil, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, sowie Henrik Wüst, Ministerpräsident von NRW.
    Wie soll die Unterbringung von Geflüchteten finanziert werden? Darüber beraten heute Bund und Länder. ZDFheute live zeigt die Pressekonferenz aus dem Kanzleramt nach dem Gipfel.10.05.2023 | 74:46 min
    Jetzt haben die Länder nur die vage Aussicht, dass es so kommen könnte. Bis Ende Juni, bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz soll ein neues System entworfen sein und dann im November beschlossen werden. Das wäre dann ein Jahr, nachdem die Länder das schon einmal gefordert hatten. Im vorigen November war ein Beschluss auf Ostern verschoben worden – und liegt jetzt wieder auf November, nur eben zwölf Monate später.

    Bund: Argumente für Haushaltsdebatte

    Aber auch der Bund kann nicht zufrieden sein. Genauso kompromisslos wie die Länder hatte der Bundesfinanzminister ständig betont, dass der Bund nicht mehr Geld ausgeben könne. "Die Bundesregierung ist nicht bereit, ein bestehendes Problem einfach nur mit Geld zu lösen", so Christian Lindner (FDP) noch am Vortag im ZDF.
    Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen
    Finanzminister Lindner stemmt sich weiter gegen mehr Bundesmittel für die Flüchtlingshilfe. Im ZDF-Interview sieht er die Lösung des Problems jenseits von finanziellen Fragen.09.05.2023 | 9:34 min
    Papiere waren lanciert worden, in dem die Zahlungen des Bundes aufgelistet worden waren. Pünktlich zum Gipfeltag hat die Bundesregierung an den Bundestag einen neuen Bericht weitergeleitet, über den Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in der Regierungspressekonferenz gerne berichtete. 28 Milliarden Euro hätte der Bund im vergangenen Jahr für Flüchtlinge, die Bekämpfung von Fluchtursachen, die Integration und so weiter ausgegeben. 2023 gehe es "in vergleichbarer Höhe" weiter, so Hebestreit.
    Nun sind es eine Milliarde Euro mehr. Und vielleicht bald noch mehr? Morgen gibt Lindner die aktuelle Steuerschätzung bekannt. Sie ist Grundlage für den Haushaltsplan 2024, über den es seit Wochen Streit in der Ampel gibt. Projekte wie die Kindergrundsicherung hatte Lindner immer als zu teuer abgewiesen. Jetzt hat er noch ein Argument: die steigenden Kosten für die Geflüchteten.

    Zusammengerauft oder zusammen gerauft?

    Gemessen am harschen Ton vor dem Gipfel, war man danach ums Glätten der Gemüter bemüht. Laut Scholz sei die Debatte "gut für die Demokratie" gewesen. Für ihn sei das ein "sehr gutes Ergebnis". Er und auch Stefan Weil aus Niedersachsen, der die SPD-Länder vertritt, sprach davon, man habe sich "zusammengerauft". Das Ergebnis sei "besser", als er es noch vor zwei Tagen für möglich gehalten habe.
    Armin Schuster, Innenminister von Sachsen, spricht bei einer Pressekonferenz in der Sächsischen Staatskanzlei.
    Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) hält die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens zur Flüchtlingspolitik für unzureichend. "Es gibt mehr Schatten als Licht", so Schuster. 11.05.2023 | 5:26 min
    Sachsens Innenminister Armin Schuster zu den Ergebnissen:
    Nur Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen und Vertreter der Unions-Länder war anzumerken, dass er nicht ganz zufrieden ist:

    Mehr war eben nicht drin.

    Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen

    Die eine Milliarde Euro mehr des Bundes sei aber "wirklich fair". Man habe jetzt zumindest "den Einstieg in einen Fahrplan", so Wüst. Und: "Wir haben viel am Verständnis der jeweils anderen Position gearbeitet." Zusammengerauft? Es sei eher ein "zusammen raufen" gewesen, so Wüst.

    Landkreis Miesbach in Bayern
    :"Null" Erwartungen an den Flüchtlingsgipfel

    Mehr Geld - das ist im Kern, was die Bundesländer vom Bund und dem Flüchtlingsgipfel erwarten. Geld löst aber nicht alle Probleme - wie der Landkreis Miesbach in Oberbayern zeigt.
    von Peter Aumeier
    Wohneinheiten für Flüchtlinge sind bei einem Pressetermin in einer neuen Containerunterkunft zu sehen.
    mit Video

    Maßnahmenpaket auf "lange und mittlere Sicht"

    Über all die anderen Maßnahmen, um die Migration zu begrenzen, hat es übrigens schon vor dem Gipfel keinen Streit zwischen Bund und Ländern gegeben: Mehr Schleierfahndung und Grenzkontrollen an den Binnengrenzen soll es geben, beschleunigte Abschiebeverfahren, längeres Abschiebegewahrsam, Moldau und Georgien sollen sichere Herkunftsstaaten werden, die Digitalisierung der Ausländerbehörden.
    Alles Maßnahmen, wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) dann einräumen musste, die an der aktuellen Belastung der Kommunen nichts ändert. Sie kommen auf "lange und mittlere Sicht" und sie sind "geplant". Scholz ist sich auch sicher, dass die Grünen innerhalb der Ampel-Koalition zustimmen werden, die Zahl der sicheren Herkunftsstaaten zu erweitern. Alles, so Scholz, sei "sorgfältig vorbesprochen".

    Neuer Streit kündigt sich schon an

    Ob Scholz sich da sicher sein kann? Grünen-Co-Vorsitzender Omid Nouripour twittert nach Gipfelende: Man werde sich die auf der Ministerpräsidentenkonferenz besprochenen Punkte "genau anschauen. Es darf nicht zurück zu einer Innenpolitik gehen, bei der Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt, aber kein einziges der echten Probleme gelöst wird."
    Tweet von Omid Nouripour
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    Auch von der Union ist nicht unbedingt Stillhalten zu erwarten. Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt hielten in einer Protokollnotiz des Beschlusses fest, dass die zugesagte Milliarde Euro zwar gut, aber "völlig unzureichend" sei und "der Belastungssituation vor Ort in keiner Weise gerecht" werde.
    Nach dem Zusammenraufen ist vor dem zusammen Raufen.

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