Raab-Rücktritt: Ende mit Schrecken für Premier Sunak

    Wegen Mobbing-Vorwürfen:Raab-Rücktritt: Ende mit Schrecken für Sunak

    Andreas Stamm
    von Andreas Stamm, London
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    Die Entlassung seines Justizministers dürfte hart gewesen sein für den britischen Premier. Der Fall Raab aber zeigt vor allem Rishi Sunaks mangelndes Urteilsvermögen.

    Dominic Raab
    Der britische Vize-Premierminister und Justizminister Dominic Raab ist nach Mobbingvorwürfen zurückgetreten.
    Quelle: epa

    Ein loyaler politischer Weggefährte ist im Jahr 2023 etwas sehr Seltenes in der Tory-Partei. Für Rishi Sunak war das Dominic Raab. Der den parteiinternen Wahlkampf um die Nachfolge von Boris Johnson für Sunak organisiert hatte. Treue - vor allem deshalb dürfte der Premier alles versucht haben, Raab, der seinen Rücktritt eingereicht hatte, zu halten.
    Acht formale Beschwerden wegen Mobbing, von mindestens 24 Mitarbeitern während Raabs Zeit als Brexit-, Außen- und Justizminister unter drei Premiers seit 2016, ließ Sunak von einem unabhängigen Fachanwalt prüfen.

    Raab gibt sich kämpferisch: Vorwürfe übertrieben

    Der Report sollte ihm Zeit verschaffen. Eventuell könnte genug Entlastendes zu Tage gefördert werden. Ein Schachzug, den Kritiker Sunaks, selbst innerhalb seiner Partei, als unnötig bezeichnet hatten. Der Report könne nur das Unvermeidliche aufschieben, hieß es. Es gebe zu viele Vorwürfe aus zu vielen Ecken.
    Nun muss Raab gehen, weil er Mitarbeiter bloßgestellt hat. In seinem Auftreten immer wieder einschüchternd und beleidigend gewesen ist.
    Raabs Rücktrittsgesuch (engl.)
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    Raab gibt sich kämpferisch und wenig einsichtig. Die Latte, was unter Mobbing zu verstehen sei, hänge nun sehr tief, erklärt der 49-jährige Politiker. Er sei von den meisten Vorwürfen entlastet worden - und das, was übrig blieb, sei ebenfalls kein Mobbing gewesen. Die Anschuldigungen seien extrem übertrieben, die Schlussfolgerungen des Reports fehlerhaft, so die Erklärung Raabs. Unter anderen Vorzeichen hätte es vielleicht gereicht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

    Rishi Sunak unter Druck

    Doch Rishi Sunak ist nach den Skandaljahren unter Boris Johnson und der nicht einmal 50 Tage dauernden Chaos-Amtszeit der darauffolgenden Liz Truss angetreten, es anders zu machen. Es wurden "Fehler gemacht von seinen Vorgängern", hatte Sunak in seiner Antrittsrede im vergangenen Oktober erklärt. Er sagte:

    Aber diese Regierung wird sich auf jeder Ebene durch Integrität, Professionalität und verantwortliches Handeln auszeichnen.

    Rishi Sunak, britischer Premier, in seiner Antrittsrede

    Vertrauen müsse man sich verdienen, so Sunak, und er werde sich das der Bürger verdienen.
    An diesem Versprechen musste er sich schon häufiger messen lassen. Und sei gescheitert, erklärt die Opposition. An einem Minister hielt er so lange fest, dass die eigenen Parlamentarier unruhig wurden. Aus Angst, der Schaden beim Wähler werde zu groß. Am Ende musste Sunak ihn feuern.
    Und Innenministerin Suella Braverman erklärte schon einmal ihren Rücktritt. Da sie den Kodex für Minister gebrochen hatte, indem sie geheime Informationen an Unbefugte weitergegeben hatte. Doch Sunak berief sie wenige Tage später erneut in sein Kabinett. Hätte er Raab gehalten, so der Tenor unter den meisten politischen Beobachtern im Londoner Regierungsviertel Westminster, wäre seine Glaubwürdigkeit zu sehr beschädigt worden.

    Der "Bürgerkrieg" von Westminster

    Es geht dennoch um mehr als nur eine Personalie. Es ist zwar keine Regierungskrise. Doch es tobt ein Kleinkrieg, einer von großer Bedeutung für das Land, für die Regierungsfähigkeit - der zwischen Regierung und ihren Beamten, dem Civil Service. Seit dem Brexit-Entscheid 2016 hagelte es immer wieder Vorwürfe seitens vieler Konservativer, dass die Ministerialbürokratie zu sehr der EU zugeneigt sei und in Westminster den Brexit-Prozess torpediert. Gar versuche, den Brexit komplett zu verhindern.
    Ex-Premier Johnson und sein Brexit-Minister Jacob Rees-Mogg wollten bis zu 90.000 Stellen streichen, was ein wenig den Hauch von Rache in sich trug. Diese Nachwehen des Brexit dauern bis heute an. Die Stimmung unter des Civil Servants ist in weiten Teilen mies. Deren ganzer Stolz ist die Überparteilichkeit. Dass sie für jede Regierung, unabhängig von der politischen Ausrichtung, alles geben.

    Entscheidung Sunaks für die Ministerialbürokratie

    Doch Rishi Sunak scheint sich hier definitiv von seinen Vorgängern absetzen zu wollen. Die Entscheidung gegen Raab ist auch eine für den Civil Service. Ein mögliches, symbolisches Begraben des Kriegsbeils. Da es kaum möglich ist, ein Land gegen die Ministerialbürokratie zu regieren.
    Ohne deren Kompetenz und Unterstützung dürfte es für Sunak noch schwieriger werden, seine fünf Versprechen an die Wähler bis zur nächsten Wahl im kommenden Jahr zu halten. Inflation halbieren. Mehr Wirtschaftswachstum. Staatsschulden abbauen. Die Millionen-Menschen-lange Warteliste im staatlichen Gesundheitsdienst verkürzen. Und illegale Einwanderung bekämpfen.
    Das geht alles, wenn überhaupt, nur mit den Beamten im Rücken. Dass der Rücktritt helfen könnte, zeigen anonyme Kommentare von Spitzenbeamten. Von Gerechtigkeit hört man da. Davon, dass Rücktritte im Raum gestanden hätten, wäre Raab geblieben. Und am häufigsten ist die Rede von Erleichterung.
    Andreas Stamm ist Korrespondent im ZDF-Auslandsstudio London in Großbritannien.

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