Jewgeni Prigoschin: Chef der Wagner-Gruppe im Porträt

Silvester 2022: Ein russischer Unternehmer, 61, sitzt an einem Tisch mit jungen Männern. Alle tragen Camouflage, alle sind vermummt - nur er, der Alte, zeigt sein Gesicht und verkündet: "Zuerst bekämpfen wir unsere eigene Bürokratie und Korruption, dann besiegen wir die Ukrainer, die Nato und die ganze Welt." Die Runde lacht schüchtern und wohlwollend.

Dieser Mann ist Jewgeni Prigoschin. Mit markigen Worten wendet er sich an sein Söldner-Heer, die Gruppe Wagner und deren Fans, seine Gefolgschaft. Die Videos verbreitet er online, er inszeniert sich als der neue starke Mann Russlands, als der einzige wahre, glühende Patriot.

In Teilen der Bevölkerung kommt das gut an - verzeichnet der russische Präsident Wladimir Putin im Angriffskrieg gegen die Ukraine doch kaum noch Gewinne. Was treibt Prigoschin an, was ist sein Ziel?

Der russische Journalist Ilya Zhegulev glaubt, Leute wie er machen sich gerade bereit für die Zeit nach Putin: "Ich glaube, Prigoschin will nicht mehr nur Putins persönlicher Diener sein."

Prigoschin hat einen rasanten Aufstieg hinter sich: Noch in der Sowjetunion begeht er Überfälle, für neun Jahre kommt er in Haft. 1990 kommt er frei. Eine Zeit, als sich in Russland alles ändert. Prigoschin beginnt Hot Dogs zu verkaufen. Laut eigener Aussage als "der Erste in Leningrad".

Auch ein anderer macht in den 1990ern rasante Karriere in der Stadt, die bald wieder St. Petersburg heißt: Wladimir Putin. Prigoschin ergreift nun eine Geschäfts-Chance nach der anderen. Er wird erfolgreicher Gastronom und sucht die Nähe der Mächtigen.

1996 eröffnet er ein edles Restaurant im St. Petersburger Zentrum, das "Alte Zollhaus". Der Bürgermeister kehrt hier ein, oft mit seinem Vize: Wladimir Putin.

Als Putin einige Jahre später russischer Präsident wird, essen bald der französische Präsident Jacques Chirac und 2002 sein US-Kollege George W. Bush mit Putin in Prigoschins Restaurants. Bei solch hohem Besuch serviert der Inhaber selbst:

So kommt der Geschäftsmann Prigoschin zu seinem Spitznamen: Putins Koch. Ab sofort gibt es da diesen Mann, der Putin sehr nahe ist, aber doch in seinem Schatten bleibt, oder wie Putin sagen wird:

Ein guter Bekannter also, mit einem wachsenden Firmennetz rund um die bald größte Catering-Firma Osteuropas. Die Anfang der 2010er-Jahre die gesamte russische Armee fast alleine ernährt. Ein werdender Oligarch, der sich Putin andient und dabei vor schmutzigen Jobs nicht zurückschreckt.

Sein größter Auftrag: Er wird Kopf einer Privat-Armee für Russland namens "Wagner" - die russische Interessen durchsetzt und dabei offiziell nichts mit Russland zu tun hat. Jetzt serviert Prigoschin den Mächtigen nicht mehr nur ihr Essen, sondern ist Teil von ihnen.

Dabei wird er nicht nur zum Boss des berüchtigtsten Söldner-Heers der Welt, sondern auch zum Herr über einen riesigen Propaganda-Apparat mit Medien-Netzwerk und Spielfilm-Produktion. Prigoschin tritt aus Putins Schatten.

Der erste Schritt auf dem Weg hin zu dem Mann, der mit seiner Wagner-Truppe jetzt, ein Jahr nach Beginn des Angriffskrieges von Russland, eine wichtige Rolle in der russischen Militärstrategie einnimmt. Mächtige Beziehungen, populär in der Bevölkerung - Prigoschin und seine Privatarmee sind gefährlich wie nie. Vielleicht sogar für Putin.