Debatte bei "Lanz": Irans langer Arm nach Deutschland

    Iran-Debatte bei "Lanz":Irans langer Arm nach Deutschland

    von Felix Rappsilber
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    Der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd ist im Iran zum Tode verurteilt. Seine Tochter Gazelle macht der Bundesregierung Vorwürfe. Auch in Deutschland sei kein Regime-Gegner sicher.

    Markus Lanz vom 8. März 2023: Gilda Sahebi, Markus Lanz, Sebastian Fiedler, Gazelle Sharmahd (Schalte), Friedrich Merz (Schalte)
    Über den im Iran zum Tode verurteilten Deutschen Jamshid Sharmahd, das ausgeklügelte Herrschaftssystem der Mullahs, die Schikanen gegen politische Gefangene und protestierende Frauen im Iran.08.03.2023 | 44:43 min
    Vor zweieinhalb Jahren vom iranischen Geheimdienst in Dubai entführt, sitzt der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd seitdem in Isolationshaft. Ohne Kontakt zu Ehefrau und Tochter. An einem unbekannten Ort. Zum Tod verurteilt, wegen angeblichen Terrorverdachts.
    Die Tochter des Inhaftierten, Gazelle Sharmahd, blickte am Mittwochabend bei Markus Lanz sichtlich fassungslos auf das Vorgehen der Bundesregierung:

    Warum gab es diese Reaktion nicht schon vor zweieinhalb Jahren, als ein Deutscher entführt worden ist? Warum war das nicht schon Anlass genug, um da Konsequenzen zu zeigen? Es ist einfach alles viel zu wenig und viel zu spät.

    Gazelle Sharmahd

    Tochter weiß nicht, ob Vater noch lebt

    Seit der Urteilsverkündung werde im iranischen Staatsfernsehen immer wieder ein Video gezeigt, dass ihren Vater als Kriminellen darstelle und die Bevölkerung auf dessen Hinrichtung vorbereite, so Sharmahd:

    Es ist wirklich fünf vor zwölf.

    Gazelle Sharmahd

    "Wir haben wirklich keine Zeit mehr zu verlieren, und wir wissen noch nicht mal, ob mein Vater noch lebt, da wir keinen Zugang zu ihm haben."

    Baerbock verlangt Widerrufung des Todesurteils

    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte nach dem Todesurteil gegen Sharmahd in einem Schauprozess zwei iranische Botschaftsangehörige aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Sie verlangte, "das Todesurteil für Jamshid Sharmahd zu widerrufen und ihm ein faires und rechtsstaatliches Berufungsverfahren zu ermöglichen".
    Nicht nur Sharmahds Tochter ist das viel zu wenig. Die Journalistin Gilda Sahebi sprach von einer "sehr großen Naivität" gegenüber dem Mullah-Regime, "vor allem in Deutschland". Bis 2015 habe die iranische Führung vorrangig amerikanische Staatsbürger auf diese Weise aus dem Ausland entführt und inhaftiert. Seit 2015 nehme sie fast nur noch europäische Staatsbürger als Geiseln.

    Der lange Arm ist da und - was ich gerne verstehen würde - er wird ignoriert.

    Gilda Sahebi, Journalistin

    Fiedler: Agenten "im IT-Bereich unheimlich gut"

    Ein langer Arm, der bis nach Deutschland reiche, wie Sebastian Fiedler, Ex-Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, erklärte. Agenten der iranischen Revolutionsgarden seien "im IT-Bereich unheimlich gut".
    Mittels Gesichtserkennung werde Foto- und Videomaterial deutscher Demonstrationen gegen das Mullah-Regime ausgewertet. Daraufhin seien bereits "Hausbesuche" bei im Iran lebenden Angehörigen der Demonstranten erfolgt.

    Sharmahd fordert Rechenschaft und Druck

    Gazelle Sharmahd wisse nicht, "ob wir das nicht verstehen oder ob wir einfach wegschauen wollen, weil es einfacher ist, weil es andere Motive gibt, weil es vielleicht Business-Deals gibt, weil die Dollar Signs mehr wert sind als Menschenleben und weil man denkt, man kann das einfach ignorieren und nicht darauf eingehen".
    Die Geiselnahmen hätten sich seit 44 Jahren "weiterentwickelt" und seien "immer wieder passiert". Nachdem man Geiseln befreit habe, müssten Menschen zur Rechenschaft gezogen und Druck gemacht werden, so Sharmahd. Die Realität sei hingegen eine andere:

    Wir holen unsere Geiseln raus. Wir machen uns erpressbar. Und dann setzen wir uns wieder mit den Geiselnehmern an den Tisch.

    Gazelle Sharmahd

    "Dann machen wir mit denen Deals. Dann laden wir sie ein. Dann lassen wir den Außenminister des Terror-Regimes in unserer Konferenz in Genf über Menschenrechte sprechen."

    Sharmahd: "Niemand von uns ist sicher"

    Es sei verrückt, "wie wir mit Terroristen umgehen und die einfach nicht als Terroristen sehen oder nicht sehen wollen". Denn die Bilder, so Sharmahd, die man jetzt auf den Straßen des Iran sehe, gebe es seit 44 Jahren.

    Es wurde einfach aktiv weggeschaut. Das ist das Problem.

    Gazelle Sharmahd

    Gazelle Sharmahd appellierte: "Niemand von uns ist sicher. Das ist eine Angelegenheit von nationaler Sicherheit für uns in Europa, in Amerika, weltweit. Und ich möchte einfach sehen, dass unsere Regierungen zusammenarbeiten."
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