"Heil Selenskyj"-Clip: Das steckt hinter Propaganda-Video

    Propaganda-Video geht viral:Das steckt hinter dem "Heil Selenskyj"-Clip

    von Oliver Klein und Felix Klauser
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    Ein Satire-Video zeigt, wie Bundeswehrsoldaten eine deutsche Familie ausrauben, um der Ukraine zu helfen. Urheber: Angeblich die AfD. ZDFheute zeigt: Die Spur führt nach Russland.

    Screenshot Propaganda-Video
    Screenshot aus dem Propaganda-Video mit russischen Schauspielern: Die vermeintliche Bundeswehrsoldatin beschlagnahmt ein Kuscheltier - den Stoffleoparden des Jungen.
    Quelle: Screenshot Propaganda-Video

    Tausende bekamen das Satire-Video in Sozialen Medien in Deutschland bereits zu sehen: In einem idyllischen Weinort in der Pfalz klingelt die Bundeswehr an einem kleinen Haus, in dem gerade eine Familie vor dem Fernseher sitzt. Eine Anführerin und mehrere Soldaten räumen der Familie im Auftrag der Bundesregierung das Wohnzimmer leer. Das gesamte Hab und Gut ist angeblich "Hilfe für Herrn Selenskyj". Die Anführerin hängt stattdessen ein Bild des ukrainischen Präsidenten an die Wand und salutiert: "Heil Selenskyj!"
    Am Ende des Videos wird eingeblendet: "Ist Dein Haus in der Nato? Akzeptiere die Nato in Deinem Haus." Dazu die Information: Seit Anfang 2022 seien mehr als 22 Milliarden Euro "aus dem deutschen Haushalt an die Ukraine geflossen". Die Botschaft: Die Bundesregierung nimmt der Bevölkerung alles, nur um die Ukraine zu unterstützen. Am Mittwoch wurde der Clip online gestellt und geht seitdem viral.
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    AfD dementiert, mit dem Video etwas zu tun zu haben

    Diverse russische Staatsmedien verbreiten Artikel über das Video, unter anderem die "Komsomolskaja Prawda", aber auch die meistgelesene russische Wochenzeitung "Argumente und Fakten". Russische Telegramkanäle behaupten, das Video sei im Auftrag der AfD produziert worden - so schreibt es beispielsweise der populäre Fernsehmoderator Ruslan Ostashko. Was ist dran an der Behauptung? Woher stammt das Video wirklich? ZDFheute hat sich auf Spurensuche begeben.
    "Die Alternative für Deutschland ist nicht die Urheberin des Videos und hat erst durch Sie Kenntnis von diesem Video erhalten", heißt es auf unsere Anfrage von der Pressestelle der AfD. Tatsächlich spricht alles dafür, dass das Video nicht aus Deutschland, sondern aus Russland stammt.
    Screenshot Propaganda-Video
    Vermeintliche Bundeswehrsoldaten tragen den Fernseher der Familie weg, während Olaf Scholz im TV eine Ansprache hält (Screenshot Propaganda-Video).
    Quelle: Screenshot Propaganda-Video

    Video mit russischen Schauspielern inszeniert

    Es wurde am Mittwoch zuerst von russischsprachigen Accounts in Sozialen Medien verbreitet. Mit einem Tool für Gesichtserkennung konnte ZDFheute die Darstellerinnen und Darsteller identifizieren - sie stammen alle aus Russland. Bei der Mutter in dem Video handelt es sich um die russische Serienschauspielerin Julia Konyukhova. Der Faktenchecker Ilya Ber entdeckte auf ihrem Instagram-Kanal ein Posting, in dem sie erklärte, dass das Video im Auftrag des staatlichen Fernsehsenders "Russia Today" produziert wurde, das Kind in dem Clip sei ihr Sohn. Ihr Posting wurde inzwischen gelöscht, liegt ZDFheute aber als Screenshot vor.
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    Den Vater in dem Video spielt der Sankt Petersburger Theaterschauspieler Walentin Worobjov, der bereits im Dezember in einem Propaganda-Video zu sehen war. Die Anführerin wird von der Schauspielerin Julia Mandriko verkörpert. Die Rechercheergebnisse decken sich mit denen anderer Investigativjournalisten, unter anderem aus Russland.
    Aus Deutschland stammt immerhin die erste Szene des Videos - eine Straßenaufnahme zeigt die beschauliche Ortsgemeinde Rhodt unter Rietburg in der Pfalz, wie der Investigativjournalist Lars Wienand von t-online herausfand. Doch für die Szene wurde einfach ein jahrealtes Stock-Foto verwendet - nachträglich wurden offenbar die Äste eines Baumes mit Software animiert, so dass sie sich scheinbar im Wind bewegen.

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    Deutschland hat keine 22 Milliarden in Ukraine geschickt

    Und was ist dran an der Behauptung, Deutschland hätte über 22 Milliarden Euro an die Ukraine geschickt? Als Quelle für die Aussage wird im Clip eine aktuelle Pressemitteilung der Bundesregierung genannt. Tatsächlich veröffentlichte die Bundesregierung am 11. Juli eine Meldung, die sich mit den Hilfen für die Ukraine beschäftigt: Auf 26 Seiten wird ausführlich aufgelistet, welche Ministerien wie viel Geld aufgebracht haben.
    Zwar werden hier 22 Milliarden Euro als Gesamtausgaben genannt - allerdings ist nur ein Teil des Geldes direkt "an die Ukraine" geflossen, wie im Video behauptet wird. Der größte Teil, gut 14 Millilarden Euro, wurde dagegen für "Leistungen in Deutschland für die Ukraine" aufgebracht:
    Das ist beispielsweise finanzielle Unterstützung für Länder und Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten. Auch Sprachkurse und psychologische Hilfsangebote zählen dazu, genauso wie Stipendien für ukrainische Wissenschaftler in Deutschland. Von den 22 Milliarden, die für die Ukraine-Hilfe aufgewendet werden, bleibt also der größte Teil in Deutschland.
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    Verfassungsschutz: Propaganda will Bevölkerung aufwiegeln

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) kennt das Video - es "fügt sich inhaltlich in fortlaufende Bemühungen pro-russischer Desinformationsakteure ein", heißt es auf Anfrage von ZDFheute. Es werde immer wieder darauf abgezielt, "die hiesige Bevölkerung gegen die Bundesregierung sowie gegen die Unterstützung der Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen den russischen Aggressor aufzuwiegeln", schreibt die Behörde.
    Teil dieser Bemühungen sei das ständige Wiederholen bekannter Narrative in leicht abgewandelten Variationen - "in diesem Fall etwa einer angeblichen Enteignung der Bevölkerung zugunsten der Ukraine oder Nähe von Bundeswehr und ukrainischer Regierung zum Faschismus".
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