Ukraine: Wie gelingt Wiederaufbau - und wer bezahlt?

    Interview

    Zerstörung in der Ukraine:Wie gelingt Wiederaufbau - und wer bezahlt?

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    Der russische Angriffskrieg hat in der Ukraine große Schäden hinterlassen. Satellitenbilder zeigen das Ausmaß der Zerstörung. Wie kann das Land wiederaufgebaut werden?

    Satellitenbild: Petriwka vor der Zerstörung am 24.8.2022
    Satellitenbild: Zerstörung in Petriwka am 13.2.2023
    Satellitenbild: Theater in Mariupol vor der Zerstörung am 10.3.2022
    Das Satellitenbild vom März 2022 zeigt das Theater in Mariupol nach der Bombardierung.
    Satellitenbild: Brücke in Bachmut vor der Zerstörung am 1.8.2022
    Satellitenbild: Zerstörte Brücke in Bachmut am 4.1.2023
    Das Satellitenbild zeigt Soledar vor der Zerstörung, am 1. August 2022
    Satellitenbild: Zerstörte Schule und Gebäude in Soledar am 10.1.2023
    Satellitenbild: Lagerhäuser in Jakowliwka vor der Zerstörung am 1.8.2022
    Das Satellitenbild zeigt zerstörte Lagerhäuser in Jakowliwka am 11. Januar 2023

    Satellitenbilder aus der Ukraine

    Das Dorf Petriwka liegt in der Region Donezk im Osten der Ukraine.

    Quelle: Satellite image © 2023 Maxar Technologies


    ZDFheute: Frau Schröder, Satellitenbilder lassen das Ausmaß der Schäden in weiten Teilen der Ukraine erahnen. Wie groß ist die Zerstörung?
    Ursula Schröder: Es gibt dazu unterschiedliche Zahlen. Laut Analyse der Weltbank liegen die Kosten für den Wiederaufbau bei ungefähr 350 Milliarden US-Dollar. Es wird angenommen, dass diese Zahl deutlich steigen wird. Die Europäische Investitionsbank hat das mit 1,1 Billionen Dollar beziffert.
    Die Schäden sind also sehr groß - auch, weil zivile Infrastrukturen in der Ukraine bombardiert wurden. Transportwege, Krankenhäuser, insbesondere auch Wasser- und Energieinfrastrukturen wurden zerstört. Das sind Schäden, die natürlich schnell behoben werden müssen. 

    Ursula Schröder ist Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. 
    Quelle: IFSH

    ... ist Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. 

    Die Zerstörung endet aber nicht bei den Infrastrukturen. Genauso wurden Zukunftspläne, Hoffnungen und Lebenswege vieler Menschen zerstört, da die Bedrohung durch den Krieg so groß war und ist, dass viele Menschen sich gezwungen sahen, das Land zu verlassen. Eine der großen Herausforderungen für die Ukraine wird es sein, diesen geflüchteten Menschen wieder eine Perspektive zu bieten - ein Zuhause. 
    ZDFheute: Was kann auf die Ukraine noch zukommen? 
    Schröder: Wir wissen nicht, wie und wie lange dieser Krieg weitergehen wird. Das ist ein wirklich schwer zu lösender Konflikt und in diesem Krieg sehen wir momentan noch keinen klaren Weg für Friedensverhandlungen. Das kann noch sehr lange dauern.

    Klar ist: Wir werden nicht eines Morgens aufwachen und im Frieden leben.

    Denn die Herausforderung bei Kriegen ist, dass diese häufig gar nicht enden, sondern weiterschwelen. Und wenn das Ende eines Kriegs nicht absehbar ist, ist der Wiederaufbau besonders schwierig.  
    ZDFheute: Ergibt es Sinn, jetzt schon über den Wiederaufbau nachzudenken - oder riskiert man, dass die Reparaturen erneut zerstört werden?  
    Schröder: In bestimmten Bereichen muss jetzt schon Hilfe geleistet werden. Das betrifft insbesondere die kritischen Infrastrukturen, wie etwa die Wasser- und Energieversorgung.  
    Es gibt jetzt eine Geber-Plattform der G7-Staaten, die bei der Europäischen Kommission angesiedelt ist. Dort sollen die Hilfen, die von außen kommen, kanalisiert und koordiniert werden. Gemeinsam mit der Ukraine wird zu entscheiden sein, wie die externen Mittel für den Wiederaufbau am besten eingesetzt werden. 
    Die Geber müssen hier langfristig denken und Ziele klar setzen und kommunizieren: Wie soll ein Weg zu einem möglichen EU-Beitritt der Ukraine ausgestaltet werden? Mit welchem Ziel soll in die Wirtschaft der Ukraine investiert werden?

    Man muss frühzeitig politische Ziele setzen, im Rahmen derer wiederaufgebaut werden soll.

    ZDFheute: Worauf wird es beim Wiederaufbau ankommen? 
    Schröder: Der große Einsatz von Ressourcen in einem vom Krieg zerstörten Land hat immer auch Anreize für Korruption zur Folge. Das kann auch in der Ukraine passieren - einem Staat, der ohnehin auf dem internationalen Korruptionsindex schon sehr weit unten rangiert.
    Beim Wiederaufbau muss darauf geachtet werden, dass die Bekämpfung von Korruption und der Aufbau von demokratischen Kontrollinstitutionen gleichzeitig voranschreitet. Das ist aber sehr schwierig umzusetzen.
    ZDFheute: Wie lange würde ein Wiederaufbau dauern? 
    Schröder: Die Pläne für den Wiederaufbau der Ukraine haben sehr unterschiedliche Zeitvorstellungen. Da geht es häufig um ungefähr zehn Jahre. Üblicherweise sagt man aber, dass Staatsaufbau ein Generationenprojekt ist. 
    In diesem Fall haben wir es natürlich mit einem Staat zu tun, der sehr gute Bedingungen für einen Wiederaufbau hat. Die Ukraine hat funktionierende politische Institutionen, sehr gut qualifizierte Arbeitskräfte - und die nötigen staatlichen Infrastrukturen. 
    Es ist aber schwierig zu sagen, wie lange Hilfen geleistet werden sollen und ab wann wir Abhängigkeiten von internationalen Hilfen erzeugen. 



    ZDFheute: Wer soll den Wiederaufbau auf lange Sicht bezahlen? 
    Schröder: Ein möglicher Weg wäre es, die Vermögenswerte der russischen Zentralbank einzusetzen, die auf europäischen oder internationalen Konten lagen und die dort eingefroren worden sind. Das wird noch rechtlich ausgefochten werden. Ob das möglich sein wird oder ob Russland Reparationen zahlen muss, steht noch aus. 
    Ansonsten gibt es auch Hilfszusagen der Europäischen Union, der Weltbank, der Europäischen Investitionsbank und anderen. Da gibt es ganz viele Geber, die jetzt schon Hilfen leisten.
    Das Interview führte Gary Denk.
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