Münchener Sicherheitskonferenz und der Ukraine-Krieg

    Wie beendet man einen Krieg?:Sicherheitskonferenz unter neuen Vorzeichen

    SGS mit Ines Trams am 28.10.2022
    von Ines Trams, München
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    Der Ukraine-Krieg bestimmt die Münchener Sicherheitskonferenz. Während Präsident Selenskyj Kampfjets fordert, mahnt Bundeskanzler Scholz zur "sorgfältigen Abwägung". Ein Überblick.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf der Sicherheitskonferenz.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf der Sicherheitskonferenz.
    Quelle: dpa

    Die Limousinen in den Nebenstraßen, das Gedränge der Politprominenz am Eingang, übervolle Gänge im altehrwürdigen Bayerischen Hof. So weit alles wie immer. Doch es ist Krieg in Europa. Und so muss sich die Münchner Sicherheitskonferenz dieses Jahr einer neuen Herausforderung stellen. Es geht nicht mehr darum, Sicherheit in Europa und in der Welt herzustellen. Es geht um nichts weniger als die Frage: Wie beendet man diesen Krieg mitten in Europa? Zentral dabei die Frage nach Deutschlands Rolle - setzt es die Zeitenwende um?

    Alt-Bundespräsident fordert eine Politik, die was wagt

    Den Auftakt macht noch vor der offiziellen Eröffnung Alt-Bundespräsident Joachim Gauck. Schon 2014 hatte er genau hier auf der MSC eine neue, eine stärkere Rolle Deutschlands in der Welt gefordert. Viel Ärger hat er dafür damals bekommen. Nun, neun Jahre später, erkennt er eine "langsam wachsende Entschlossenheit" der deutschen Politik.
    Doch er schränkt ein, vieles sei zu spät der Ukraine geliefert worden. "Wir brauchen eine Politik, die was wagt, nicht abwartet", sagt er. Immer wieder aber wäre da diese Angst, die er, Gauck so oft in den Deutschen erkennt. Dabei dürfe "die deutsche Vergangenheit nicht dazu bestimmt sein zu entmächtigen, sondern - im Gegenteil - Politik mit Gewissen zu machen". Das bedeute eine entschlossene Unterstützung des Opfers, der Ukraine.

    Selenskyj: "David braucht bessere Steinschleudern"

    Zur Eröffnung wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet. Bei der letzten Sicherheitskonferenz im vergangenen Jahr war er noch persönlich in München und hielt eine wütende Rede. Viele folgten seinen dramatischen Befürchtungen nicht. Vier Tage später überfiel Russland die Ukraine. Damals bereits sei er auf der Suche nach gemeinsamer Entschlossenheit gewesen, sagt er, doch gehört worden sei er erst, als Putins Panzer rollten.
    Heute nun vergleicht er sein Land mit dem biblischen David, der gegen den übermächtigen russischen Goliath kämpft. Der russische Goliath hätte begonnen zu verlieren, der David am Dnipro müsse siegen, es gäbe keine Alternative. Doch dafür müsse David mit noch wirkungsvolleren Steinschleudern ausgestattet werden, Selenskyjs Bild für die Waffenlieferungen des Westens. Erneut fordert er Kampfjets und fordert sie bald. Und er drückt aufs Tempo - er fordert Schnelligkeit, Verzögerungen seien gefährlich. Jede Verzögerung nutze Putin und bringe mehr Zerstörung. Er erinnert an die Krim - "je unsicherer wir waren, umso schamloser ging Putin vor."
    Fragen und Antworten zur Münchener Sicherheitskonferenz auf einen Blick:

    Treffen in München
    :Sicherheitskonferenz startet - darum geht es

    Bei der Münchner Sicherheitskonferenz steht vor allem ein Thema im Fokus: Wie geht es weiter im Ukraine-Krieg? Was zu erwarten ist und wer dabei sein darf - ein Überblick.
    59. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)
    FAQ

    Scholz setzt auf sorgfältiges Abwägen

    Kanzler Olaf Scholz folgt Selenskyj als Redner und es wird klar: Hier im Saal des Bayerischen Hofs treffen zwei Geschwindigkeiten aufeinander. Während Selenskyjs Botschaft "Tempo" war, bemüht Kanzler Scholz erneut eines seiner Lieblingsworte, um seine Politik zu umreißen: "sorgfältige Abwägung". Seine Sorge vor einer Eskalation, vor einem Krieg zwischen der Nato und der Atommacht Russland wird abermals deutlich, sie leitet ihn:

    Die Balance zwischen bestmöglicher Unterstützung der Ukraine und der Vermeidung einer ungewollten Eskalation werden wir auch weiterhin wahren.

    Olaf Scholz, Bundeskanzler

    Er spricht von "einem gefährlichen Krieg in unserer Nähe", von "unkartiertem Gelände" und einer fehlenden Blaupause für einen imperialistischen Angriffskrieg einer Nuklearmacht auf europäischem Boden. "Sorgfalt vor Schnellschuss" seine Devise. Eine Devise konträr zu der Selenskyjs.
    Stolz verweist Scholz auf das Sondervermögen für die Bundeswehr, es müsse Schluss sein mit der "Vernachlässigung der Bundeswehr". Als Scholz betont, Deutschland werde seine Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben, raunt es "Wann denn?" von der Tribüne. Scholz verschweigt, dass die Ausgaben derzeit gerade mal bei 1,6 Prozent liegen und der reguläre Verteidigungshaushalt gar leicht gesunken ist, während die internationale Debatte sich bereit in Richtung drei Prozent dreht.
    Deutlich dagegen Scholz' Botschaft an die Gegner militärischer Hilfe, die statt Waffen Verhandlungen wollen. Ihnen ruft er entgegen: "Nicht unsere Waffenlieferungen sind es, die den Krieg verlängern". Das Gegenteil sei richtig: Je früher Putin einsehe, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreiche, "desto größer ist die Chance auf ein baldiges Ende, auf Rückzug russischer Eroberungstruppen." Eine Ansage, die nicht jeder in der SPD gern hören wird.
    Selenskyj schloss seine Ansprache an die Konferenz mit der Hoffnung, nächstes Jahr wieder persönlich an der Konferenz teilnehmen zu können - wenn es denn die erste Konferenz nach Ende des Krieges wäre. Es ist eine Hoffnung, die nur wahr wird, wenn der Westen, auch Berlin aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und geschlossen und entschlussfreudig der Ukraine beisteht in den nächsten entscheidenden Monaten.
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