Die gefürchtete Wagner-Gruppe um Prigoschin wird schwächer

    Prigoschins Konflikte mit Moskau:Die Wagner-Gruppe wird schwächer

    von Christian Mölling, András Rácz
    |

    Der Stern der gefürchteten Wagner-Gruppe scheint zu sinken. Die Erfolge in der Ukraine bleiben aus, der Konflikt mit Moskau eskaliert. Was das für den Krieg bedeutet - die Analyse.

    Militärangehörige des russischen privaten Militärunternehmens Wagner Group laufen in einer Straße von Soledar
    Wagner-Söldner in der Ukraine: Sie foltern und töten offenbar auch Zivilisten.
    Quelle: imago

    Nach monatelanger spektakulärer Medienpräsenz und verschiedenen Artikeln über seinen wachsenden Einfluss auf Entscheidungen der russischen Führung rund um Präsident Wladimir Putin sieht es so aus, als ob Jewgeni Prigoschin sowohl auf dem Schlachtfeld als auch in Moskau das Glück verlässt.

    Sinkt der Stern der gefürchteten Wagner-Gruppe?

    Im Donbass erlitten die Kämpfer der Wagner-Gruppe bei Bachmut verheerende Verluste. Zehntausende ihrer Kämpfer, die getötet, schwer verwundet oder gefangen genommen wurden. Dem stehen nur geringe Erfolge wie die Einnahme von Soledar - einer kleinen Bergbaustadt - gegenüber. [Aktuelles zum Krieg in der Ukraine im Liveblog.]
    Außerdem machten die heftigen Kämpfe die kritische Abhängigkeit Wagners von Nachschub und Waffen deutlich, insbesondere von Artilleriemunition, die von der regulären Armee und damit letztlich vom Verteidigungsministerium bereitgestellt wurde im Invasionskrieg gegen die Ukraine.

    Söldnertruppe vom Nachschub aus Moskau abhängig

    Solange sich die Söldnertruppe auf eine ununterbrochene Versorgung mit schweren Waffen und Munition durch die russische reguläre Armee verlassen konnte, war es ihr möglich, effiziente, wenn auch kostspielige Angriffe durchzuführen.
    Da sie jedoch weder über nennenswerte Lagerbestände noch über eigene Produktionskapazitäten verfügte, blieb sie in Bezug auf die Versorgung vollständig vom Militär abhängig.

    Prigoschin wurde immer mächtiger im Krieg

    Was die politischen Aspekte anbelangt, so wuchs Prigoschins Bekanntheitsgrad während des Sommers, des Herbstes und des frühen Winters rasch an. Unterstützt durch seine umfangreichen Informationsressourcen (einschließlich mehrerer "Trollfabriken" und prominenter Militärblogger, die mit ihm in Verbindung stehen) wurde Prigoschin zu einem einflussreichen Akteur bei der Gestaltung der russischen Diskussionen über den Krieg, wie im Video zu sehen ist:
    Der Söldnerchef und Unternehmer Jewgeni Prigoschin schaut auffordernd in die Kamera, er ist neben einem großen Fragezeichen zu sehen. Das Foto ist schwarz-gelb eingefärbt.
    Jewgeni Prigoschin wurde als Gastronom reich, nun führt er die berüchtigtste Privatarmee der Welt – und ist im russischen Volk beliebt.22.02.2023 | 15:54 min
    Seine Macht wuchs weiter, als Sergej Surowikin, ein notorisch brutaler russischer General, der in Syrien den Spitznamen "General Armageddon" trägt, am 8. Oktober 2022 mit der Leitung der Operation in der Ukraine betraut wurde. Prigoschin macht Geschäfte mit Surovikins Frau Anna.

    Überraschend beginnt die Schwächung Prigoschins

    Am 12. Januar übernahm jedoch Generalstabschef Waleri Gerassimow das Kommando über die Operationen in der Ukraine. Surowikin wurde zu seinem Stellvertreter degradiert. Dies läutete die Schwächung Prigoschins ein.
    Das Ausbleiben von Erfolgen auf dem Schlachtfeld, verbunden mit extrem hohen Verlusten, war sicherlich ebenso wenig hilfreich. Der entscheidende Faktor war jedoch, dass sein wichtigster Förderer innerhalb des russischen Militärs schwächer wurde.

    Keine weitere Rekrutierung aus Gefängnissen

    Am 9. Februar schrieb Prigoschin in seinem Telegramkanal, dass die Wagner-Gruppe keine Kämpfer mehr aus russischen Gefängnisinsassen rekrutiert. Die genauen Gründe dafür sind zwar unklar, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass die russische Regierung Prigoschin dies untersagt hat. Damit versiegt Wagners lukrativste Quelle von Arbeitskräften, aus der rund 40.000 (!) freiwillige Kämpfer rekrutiert wurden.



    Tatsächlich war Wagner in den letzten Monaten immer weniger erfolgreich bei der Rekrutierung von Gefangenen. Einer der Gründe dafür war, dass Gerüchte darüber, wie schlecht die Gruppe Sträflinge behandelt, die Gefängnisse erreichten, was das Angebot Wagners für die Insassen weniger attraktiv machte.
    Es wird gemutmaßt, dass Sträflinge nur mit minimaler Ausbildung und schlechter Ausrüstung in den Kampf geschickt werden, sowie Ungehorsam unverzüglich mit dem Tode bestraft wird.

    Wagner-Chef kritisiert Verteidigungsministerium in Moskau

    Zuletzt versuchte Prigoschin, sich der Entscheidung des russischen Verteidigungsministeriums zu widersetzen, die Streitkräfte der sogenannten Donezker Volksrepublik (DNR) und der Luhansker Volksrepublik (LNR) in das reguläre russische Militär zu integrieren.
    Montage: Abzeichen der Wagner Gruppe, rechts ein Söldner mit Schirmmütze, Sonnenbrille und Maschinengewehr in der Hand
    Die Wagner-Gruppe ist weltweit im Einsatz und kämpft im Auftrag der russischen Regierung. 02.06.2022 | 58:22 min
    Die Wagner-Gruppe ist weltweit im Einsatz und kämpft im Auftrag der russischen Regierung. Sie foltert und ermordet Zivilisten. Offiziell wird ihre Existenz bestritten:
    Als einer der Anführer der DNR-Milizen, Eduard Basurin, vom Verteidigungsministerium entlassen wurde, kritisierte Prigoschin diese Entscheidung öffentlich, wahrscheinlich in der Hoffnung, sie rückgängig zu machen oder zumindest seine eigenen Grenzen austesten zu können.

    Prigoschin rügt Moskau: Keine Munition, keine Erfolge

    Dies war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Gleich am nächsten Tag, dem 20. Februar, beschwerte sich Prigoschin öffentlich darüber, dass das Verteidigungsministerium seine Streitkräfte nicht mit der erforderlichen Menge an Munition versorgte, was Wagner daran hindere, Erfolge auf dem Schlachtfeld zu erzielen.
    Er behauptete, er müsse sich bei "jemand Hochrangigem" entschuldigen, und signalisierte, dass ihm klar sei, dass er und seine Truppen Gehorsam leisten müssten.

    Machtkampf mit Verteidigungsminister Schoigu

    Dennoch veröffentlichte er am 21. Februar ein ungewöhnlich offenen und vulgäres Statement, in dem er Gerasimow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu beschuldigte, die Wagner-Gruppe ruinieren zu wollen, indem sie nicht nur die Bereitstellung von Munition, sondern auch von grundlegender Ausrüstung verweigerten.
    Noch ist unklar, ob der Kreml oder das Verteidigungsministerium die Wagner-Gruppe tatsächlich zerstören will oder ob das Ziel eher darin besteht, das Unternehmen und damit auch Prigoschins Macht entscheidend zu schwächen.

    Prigoschin hat seine Macht überschätzt

    Schon jetzt ist jedoch klar, dass Prigoschin seine tatsächliche Macht massiv überschätzt und die Geduld der russischen Militärführung, von der das gesamte Wagner-Unternehmen abhängig war, überstrapaziert hat.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Patriot-System
    Liveblog

    Aktuelle Nachrichten zur Ukraine