Marokkos Fußball: Jetzt sind die Frauen dran

    Bei der WM gegen Frankreich:Marokkos Fußball: Jetzt sind die Frauen dran

    von Frank Hellmann
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    Marokkos Fußballerinnen werden zu Vorbildern. Auch wenn sie noch nicht so populär sind wie die Männer, hat das WM-Achtelfinale gegen Frankreich eine historische Dimension.

    Marokkos Torhüterin Khadija Er-Rmichi (links) und Stürmerin Fatima Tagnaout freuen sich bei der Fußball-WM 2023 nach ihrem Sieg über Kolumbien über den Einzug ins Achtelfinale.
    Ekstase nach dem Schlusspfiff im Parallelspiel Südkorea gegen Deutschland: Marokkos Torhüterin Khadija Er-Rmichi (links) und Stürmerin Fatima Tagnaout feiern Marokkos Einzug ins Achtelfinale.
    Quelle: Colin Murty / AFP

    Vielleicht kommt dieses Telefon bald auch noch ins FIFA-Museum. Geschichte geschrieben hat der Apparat ja schon, als er am vergangenen Donnerstag im Perth Oval auf dem Rasen lag. Drumherum hatten sich die Fußballerinnen Marokkos, die gerade ihr letztes Gruppenspiel gegen Kolumbien gewonnen hatten, versammelt.
    Aber da liefen ja noch die letzten Minuten von Deutschland gegen Südkorea. "Wir haben es auf den Boden gelegt und gebetet", erzählte die Torschützin Anissa Lahmari später: "Und dann sind wir vor Freude explodiert."

    Wie Südkoreas Remis Marokko ins Achtelfinale half

    Denn: Kein Sieg für die deutschen Frauen im Brisbane Stadium auf der anderen Küstenseite des fünften Kontinents - und damit war der Außenseiter trotz seiner 0:6-Demütigung zum Auftakt durchs DFB-Team weiter.
    Lahmari hat irgendwann mit ihren Mitspielerinnen nur noch gelacht, wie so etwas möglich ist. Nun wartet auf den Novizen aus Nordafrika ein Achtelfinale gegen Frankreich in Adelaide (Dienstag, 13 Uhr MESZ/live im ZDF).

    Pedros auf Regraguis Spuren

    Wer den Coup ergründen will, muss Reynald Pedros zuhören. Ein Trainer aus Frankreich, der in seinem Habitus an Volksheld Walid Regragui erinnert, der mit der Männer-Nationalmannschaft in Katar ins Fußball-Geschichtsbuch kam.

    Trainer Walid Regragui
    :Marokkaner mit französischer Prägung

    Marokkos Männer-Nationaltrainer Walid Regragui hat mit seiner Mannschaft alle überrascht. Im WM-Halbfinale gegen Frankreich soll die Reise aber noch nicht zu Ende sein.
    von Frank Hellmann
    Walid Regragui, Trainer von Marokko
    Die Parallelen in der Persönlichkeit sind frappierend: Beide Fußballlehrer, beide Typ Sozialarbeiter, die auch Lehrer an einer Problemschule im Pariser Großraum sein könnten.

    Auch die Frauen im K.o.-Spiel gegen Frankreich

    Pedros hatte sich vor der Reise nach Down Under häufiger mit Regragui ausgetauscht, um einige Erfahrungen für seine Mission zu übernehmen. Es mutet fast kitschig an, dass sich jetzt die Kreise schließen.
    Reynald Pedros, Trainer der marokkanischen Frauen-Fußballnationalmannschaft, beglückwünscht Spielerin Elodie Nakkach nach dem Sieg bei der WM 2023 gegen Kolumbien.
    Reynald Pedros, Trainer der marokkanischen Frauen-Fußballnationalmannschaft: Im Achtelfinale soll nicht Schluss sein.
    Quelle: EPA/Richard Wainwright

    Der Siegeszug der "Löwen vom Atlas" endete bei der WM 2022 erst im Halbfinale gegen Frankreich, gegen denselben Gegner müssen auch die "Löwinnen" ran. Für die Ambitionen von Pedros ("Unser Ziel ist es nicht, im Achtelfinale aufzuhören") ist die Konstellation wie gemacht.

    Pedros ein ausgewiesener Frankreich-Kenner

    Schließlich kam er vor knapp drei Jahren als ein Coach nach Marokko, der mit den Frauen von Olympique Lyon zuvor zweimal die Champions League gewann. Dem 51-Jährigen muss niemand erzählen, wo die Schwachstellen bei "Les Bleues" liegen könnten.

    Ich kenne die französische Nationalmannschaft sehr gut, das ist ein Vorteil.

    Reynald Pedros, Nationaltrainer von Marokkos Frauen

    Auch bei seinen Spielerinnen bestehen viele Schnittmengen. Sechs seiner Akteure spielen in Frankreich, von denen aber nur die Mittelfeldspielerin Lahmari und das Talent Sarah Kassi in der ersten Liga zum Einsatz kamen.

    Torhüterin Khadija Er-Rmichi steht für die Wandlung

    Pedros hat das nicht davon abgehalten, eine Einheit zu formen, die aus der Überforderung im ersten WM-Spiel sofort Stärke gewonnen hat. Da sei man "auf Zehenspitzen" ins Spiel gegangen, erst danach habe man richtig Widerstand geleistet.
    Am besten illustriert Torhüterin Khadija Er-Rmichi die Wandlung: War die 33-Jährige gegen Deutschland noch Schwachpunkt, stellte sie den Rückhalt gegen Südkorea und Kolumbien.

    WM-Überraschung Marokko
    :Fußball ist des Königs liebster Sport

    Marokko steht erstmals in einem WM-Viertelfinale. Ein sportlicher Erfolg, auf den König Mohammed VI. lange hingearbeitet hat. Seit Jahren investiert er in den Fußball.
    von Luis Nicolas Jachmann
    Marrokanische Fans während dem Achtelfinalspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 zwischen Marokko und Spanien. Ein Fan trägt ein Trikot mit dem Bild des marokkanischen Königs Mohammed VI..
    Sie widmete das Weiterkommen König Mohammed VI., was seinen Grund hatte: Der eng mit dem Königshaus verbandelte Fußballverband übernimmt für seine Vereine einen Großteil der Gehälter der Spielerinnen.

    Mehr Geld für Marokkos Frauen und Mädchen

    Es hat ein komplettes Umdenken stattgefunden: In den Frauen- und Mädchenfußball sollen in den nächsten Jahren noch viel mehr Mittel fließen. Was früher fast geächtet wurde, wird jetzt geachtet.
    Nicht zu unterschätzen ist die gesellschaftliche Botschaft: Unternehmerin Souad Soulimani, die einen Radiosender betreibt, der sich an die Bewohner in französischen Arbeitervierteln richtet, hat im "Figaro" einen Gastbeitrag über die Vorbildrolle marokkanischer Spielerinnen verfasst und schrieb dort: "Wie wäre es, wenn auch ein Frauenteam vom ganzen Volk getragen wird. … Der Wille ist derselbe, um der Welt zu zeigen, wie sehr man sich der Erwartung des Landes bewusst ist."
    Sie ist überzeugt, dass die Fußballerinnen für viele junge Frauen unter den 15- bis 24-Jährigen - eine Altersgruppe, die in Marokko sechs Millionen der Gesamtbevölkerung stellt - eine Inspiration bilden werden.
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