Jahr für Jahr wird mit dem Ende ihres Höhenflugs gerechnet - und dann klettern die "Eisernen" doch weiter hoch. Jetzt ist Union Berlin ein Spitzenteam. Wohin kann das führen?
Union Berlin sorgt in der Bundesliga für Furore und hält sich in der Spitzengruppe. Sportjournalist Manu Thiele geht der Frage nach, ob die "Eisernen" tatsächlich titelreif sind.
"Endlich wieder Spannung im Titelkampf" – so titelte ZDFheute vor der laufenden Bundesliga-Saison. Damit war das Vorhersage-Pulver aber auch schon fast verschossen. Dass ausgerechnet Union Berlin für einen Hauptteil dieser Spannung sorgen würde, war im August nicht abzusehen.
Union Berlin: Schritt für Schritt nach oben
Seit dem Aufstieg der Fußballer aus dem Ostberliner Stadtteil Köpenick in die Bundesliga zur Saison 2019/2020 wird vor jeder Saison die Frage laut, wann dem laufstärksten Team der Liga die Luft ausgeht. Und dann macht es wieder einer Schritt nach oben. 11 - 7 - 5 lauteten die Tabellenplätz am Ende der letzten drei Spielzeiten. Und jetzt - auf Platz drei und punktgleich mit Tabellenführer Bayern München - heißt die Frage plötzlich: Können die etwa deutscher Meister?
Sportjournalist Manu Thiele hält diese Vorstellung für "ein modernes Fußball-Märchen", das Realität werden könnte. "Die Bundesliga hat nämlich ein großes Problem", sagt Thiele in der aktuellen Bolzplatz-Sendung.
Energie, Chemie, Einheit
Die wesentlichen Gründe für den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg des einstigen Underdogs liegen allerdings in den eigenen Stärken. Beim Versuch diese auf den Punkt zu bringen, fallen schnell Begriffe, die wie Klubnamen aus DDR-Oberligazeiten klingen: Energie, Chemie, Einheit.
Quelle: dpa
"Es ist wirklich unfassbar, was da für eine Energie herrscht", sagt Ex-Union-Spieler Torsten Mattuschka über die enge Heimspielstätte mit den drei Stehplatz-Tribünen. "Wenn du zurückgelegen hast, sind sie (die Fans) noch lauter geworden." Solche Schilderungen kennt man auch aus anderen Städten, aber bei Union gibt es dazu noch die passende Geschichte: Die Alte Försterei ist von den Fans selbst gebaut worden.
Passende Geschichte, passender Stil
Passend dazu ist auch der Spielstil. "Es wird geackert", sagt Manu Thiele. "Leidenschaft ist wichtig, sie laufen mehr als jeder andere Klub in der Liga und das bringt den Erfolg."
So ein Stil ist nur durchzuhalten, wenn die Chemie in der Mannschaft stimmt. Auf die wird in der Kaderplanung offenbar viel Wert gelegt. "Die gehen zu sechst, siebt oder acht essen", wunderte sich Ex-Union-Spieler Max Kruse jüngst bei "Sport1". Das gäbe es in anderen Vereinen nicht.
Die Torlos-Spezialisten haben es wieder getan. Bei Union Berlin spielt der FC Schalke zum vierten Mal in Serie 0:0. Die Eisernen verpassen den Sprung an die Tabellenspitze.
"Dort steht kein Spieler über dem Verein und keiner verdient mehr als fünf Millionen Euro im Jahr", sagte Kruse weiter. "Es hört sich komisch an, aber es ist, als wenn du zum Kreisliga-Spiel gehst. Es gibt vielleicht kein Bier, aber die Stimmung ist so. Diese Ruhe, die Urs Fischer austrägt, überträgt sich auf die Spieler und den Verein."
Klare Struktur, klarer Plan
Bei allen Anklängen an Fußballromantik und Understatement verfügt Union über eine glasklare Hierarchie und einen ebenso klaren Plan. Präsident Dirk Zingler kümmert sich um die Finanzen, Sportchef Oliver Ruhnert um die sportliche Ausrichtung und Trainer Urs Fischer um Mannschaft und Taktik. "Jeder bringt seine Stärken ein, das alles geht Hand in Hand", sagt Manu Thiele.
Union Berlin bleibt dem FC Bayern auf den Fersen. Das Team von Urs Fischer beendete mit dem 2:1 die Leipziger Serie von 18 ungeschlagenen Pflichtspielen in Folge.
Als die meisten Klubs wegen der Corona-bedingten Ausfälle den Rotstift ansetzten, handelte Union gegen den Trend. "Wir haben trotz wirtschaftlicher Einbußen investiert und Verluste bewusst in Kauf genommen, weil wir unsere Entwicklung nicht unterbrechen wollten", sagte Präsident Zingler. Inzwischen schreibt der Klub wieder schwarze Zahlen, gehört bei den Kaderkosten aber weiter zu den Underdogs der Liga.
Träume von der Champions League
Da die Mannschaft permanent am oberen Leistungslevel agiert und meist gegen defensive Mannschaften keine Mittel findet, wie beim 0:0 gegen Schalke 04 , hält Manu Thiele den Meistertitel für "relativ unrealistisch".
Die Vorstellung, dass Real Madrid an der Alten Försterei aufläuft, ist dann doch wieder sehr romantisch.
- Bundesliga
Alle Spiele, alle Tore der Bundesliga und ausgewählter Spiele der 2. Bundesliga.
