Deutsche Investitionen in der Ukraine trotz Krieg

    Bundesregierung sichert Geld ab:Warum Unternehmer in die Ukraine investieren

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    Während die Soldaten in der Ukraine kämpfen, beschließen manche deutsche Unternehmen in der Ukraine neue Investitionen. Eine Garantie der Bundesregierung soll Sicherheit geben.

    Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, r), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, besichtigt mit Wolodymyr Kudrytski, Vorstandvorsitzender von Ukrenergo, eines der Umspannwerke von "Ukrenergo"
    Robert Habeck (r.) besichtigt mit Wolodymyr Kudrytski, Vorstandvorsitzender von Ukrenergo, eines der Umspannwerke des Energieversorgers.
    Quelle: dpa

    Im Osten der Ukraine herrscht Krieg, Raketen schlagen ein, Menschen sterben, jeden Tag - seit mehr als einem Jahr. Anders als an der Front scheint das Leben in der Hauptstadt Kiew weitgehend normal, aber die grausige Realität ist nie ganz auszublenden. Obwohl Krieg herrscht, investieren deutsche Unternehmen. Warum?
    "Ich war vorher, ehrlich gesagt, zurückhaltend, habe gesagt, das geht jetzt vor allen Dingen um Nothilfe und nicht zu sehr um Investitionen", sagt der Geschäftsführende Direktor des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Michael Harms.
    Nach zwei Tagen voller Gespräche in Kiew mit Wirtschaftsvertretern, Behördenchefs und Politikern hat er seine Meinung geändert. Harms ist Teil der Delegation von sechs Wirtschaftsvertretern und einer Gesandten der Förderbank KfW, die mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in das von Russland angegriffene Land gereist ist.

    Hohe Nachfrage in der Bau- oder Energiebranche

    Harms weist auf die stabile Lage im Westen des Landes inklusive der Hauptstadt Kiew hin. Und die Nachfrage sei hoch in Branchen wie der Baustoffproduktion, Landwirtschaft, Logistik und dem Energiesektor. Er räumt aber auch ein:

    Den wirklichen Wiederaufbau, die große Investitionswelle wird es erst dann geben, wenn der Krieg zu Ende ist.

    Michael Harms, Direktor des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft

    An Unternehmen, die tatsächlich in der Ukraine aktiv sind, gehen die Kämpfe bei Weitem nicht spurlos vorbei. Gleich zu Beginn des im Februar vergangenen Jahres ausgeweiteten russischen Kriegs gegen die Ukraine sei die Bayer-Fabrik angegriffen worden, sagt Matthias Berninger, der beim Pharma- und Pflanzenschutzkonzern Bayer den Bereich Nachhaltigkeit und Beziehungen zu Politik und Zivilgesellschaft verantwortet.
    "Das war für uns ein großer Schock. Und dann haben wir überlegt 'Was machen wir jetzt?'". Die Antwort war: weitermachen. "Wir werden noch mal weitere 60 Millionen in eine Kapazitätsausweitung investieren", sagt Berninger.

    Die Idee ist ganz einfach: Wir glauben, dass die Ukraine der beste Standort ist für die Saatgutproduktion in Europa.

    Matthias Berninger, Bayer

    Derzeit gehe es hauptsächlich um die Produktion von Mais-Saatgut, Sonnenblumenkerne sollten noch dazu kommen.

    Stromausfälle und Mitarbeiter, die in den Krieg ziehen

    Auch die Freisinger Fixit Gruppe, die Baustoffe herstellt, war schon lange vor der Ausweitung des russischen Kriegs gegen die Ukraine im Land aktiv mit inzwischen zwei Standorten. "Wir hatten im letzten halben Jahr massiv mit Stromausfällen zu kämpfen, der aufgrund der massiven Angriffe auf die Energie-Infrastruktur unvermeidlich war", sagt Michael Kraus, Geschäftsführer Region Ost bei dem Unternehmen.

    Wir haben im letzten halben Jahr bis vor kurzem nur noch in der Nachtschicht produzieren können, weil untertags nicht ausreichend Strom zur Verfügung gestanden ist.

    Michael Kraus, Freisinger Fixit Gruppe

    Mitarbeiter seien zum Militär gegangen. Und manche auch nicht zurückgekommen.

    Bundesregierung sichert deutsche Investitionen ab

    Um deutschen Firmen unter diesen Bedingungen die Arbeit in der Ukraine schmackhaft oder überhaupt möglich zu machen, sichert die Bundesregierung deren Investitionen ab. Das geschieht im Falle der Ukraine seit Jahren - geht nun aber unter dem ausgeweiteten russischen Angriffskrieg weiter. "Das machen wir normalerweise nicht", sagt Habeck.

    Wirtschaftsminister in Kiew
    :Habeck: Wiederaufbau mit "brutal viel Geld"

    Der Bundeswirtschaftsminister ist in Kiew und wirbt für Investitionen in die Ukraine. Das Land soll wieder auf die Beine kommen, sobald der Krieg zu Ende ist.
    Robert Habeck in Kiew
    Interview
    Für sein Unternehmen sei die gewährte Garantie ein "Game Changer" gewesen, meint Geschaftsführer Kraus. Damit könne der Werksneubau weitergehen.

    Laut Wirtschaftsministerium sichert die Bundesregierung derzeit elf Projekte in der Ukraine mit 21 Investitionsgarantien mit einer Kapitaldeckung von insgesamt 221 Millionen Euro ab. Drei davon sind seit dem Krieg dazu gekommen. 21 Anträge sind laut Ministerium derzeit noch offen.

    Auch deutsche Exporte in die Ukraine sichert die Bundesregierung ab, 2022 in Höhe von 144,2 Millionen Euro. Dabei geht es zum Beispiel um die Absicherung von Bahn-Waggons mit Getreideexporten sowie um Exporte von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut.

    Quelle: dpa

    Die Folgen des Kriegs könnten die Ukraine am Ende wohlmöglich noch länger verfolgen. Die Feldarbeit werde teils zum "Lotteriespiel", sagt Berninger von Bayer. "Weil wir wissen, dass die Russen auch im Rückzug ganz bewusst Minen so in Feldern hinterlassen haben, dass sie wirklich erst dann explodieren, wenn man mit schwerem Gerät drüberfährt." Wie es oft passiert in der Landwirtschaft.
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    Quelle: Martina Herzog, dpa
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