Rheinmetall-Chef: Für Gewinne "muss man sich nicht schämen"

    Interview

    Rheinmetall-Chef zu Gewinnen:"Dafür muss man sich nicht schämen"

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    Erstmals waren die Chefs großer Rüstungskonzerne bei der Nato zu Gast. Rheinmetall-Chef Papperger verteidigt Rekordgewinne, die der Ukraine-Krieg seinem Konzern verschafft.

    Der Veranstaltungsort während des Treffens der NATO. Brüssel, 15.06.2023
    Die Nato-Staaten gehen davon aus, dass der Krieg in der Ukraine noch lange andauern könnte. Sie wollen mehr Waffen produzieren lassen - und weiter an die Ukraine liefern. 15.06.2023 | 3:03 min
    Armin Papperger steht seit zehn Jahren an der Spitze des Rüstungskonzerns Rheinmetall. Zusammen mit rund 20 weiteren Vorstandschefs von Rüstungskonzernen war der 60-Jährige am Donnerstag zu Gast bei den Nato-Verteidigungsministern in Brüssel: eine Premiere.
    Der Blick auf seine Industrie hat sich gewandelt, das berichtet er selbst. Ebenso von dem Projekt, eine Panzerfabrik in der Ukraine zu bauen. Dass sein Unternehmen moralische Grenzen überschreitet, weist er zurück.
    ZDFheute: Herr Papperger, die Chefs der großen Rüstungskonzerne waren erstmals zu Gast bei der Nato. Wie war das für Sie?
    Armin Papperger: Wir hatten viele interessante Gespräche. Statt an einem großen runden Tisch gab es viele kleine Tische, und wir hatten viele, viele Diskussionen. Es war ein bisschen wie ein Speeddating.
    ZDFheute: Gehen Sie mit konkreten Aufträgen nach Hause?
    Papperger: Das nicht. Aber mein Gefühl ist, dass es einen Schulterschluss gibt zwischen den Verteidigungsministern und der Nato. Und mit diesem Schulterschluss kann die Industrie nachhaltig und langfristig kalkulieren. Wir müssen über einen Zeitraum von zehn Jahren reden, um dann vernünftig produzieren zu können.
    Zu sehen ist Brüssel-Korrespondent Florian Neuhann im Gespräch mit heute-Moderatorin Jana Pareigis.
    Beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel wurde über den Ausbau von Munitionsbeständen gesprochen. ZDF-Korrespondent Florian Neuhann berichtet, warum auch Rüstungskonzerne dabei waren. 15.06.2023 | 1:02 min
    ZDFheute: Sie fordern langfristige Aufträge von den Regierungen?
    Papperger: Das wird auch passieren, da bin ich sicher. Es wird nachhaltige Rahmenverträge geben. Wir sind im Augenblick dabei, mit der Bundesrepublik Deutschland einen Rahmenvertrag zu unterschreiben - über viele, viele Jahre.
    ZDFheute: In den Debatten um die Munitionslieferungen für die Ukraine heißt es immer: Die Industrie könne nicht so schnell produzieren. Wo ist in Ihren Augen der wichtigste Engpass?
    Papperger: Wir haben die meisten Engpässe mittlerweile geschlossen. Wir haben die Materialien gekauft. Auch die Lieferketten haben wir heute unter Kontrolle, ob bei der Elektronik, beim Stahl für die Panzer oder beim Pulver für die Munition. Das ist alles im Haus. Und die Munitionsfertigung läuft auf vollen Touren.
    Armin Papperger,
    Armin Papperger, der Chef von Rheinmetall.
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Das klingt so, als gebe es keine Probleme. Dabei wird die Europäische Union ihr Versprechen doch vermutlich nicht erreichen, der Ukraine binnen eines Jahres eine Million Geschosse zu liefern.
    Papperger: Ich bin mir nicht so sicher, dass die EU das nicht erreicht. Man will es ja erst aus den bestehenden Lagern nehmen, den Rest soll die Industrie füllen. Und wir haben unsere Kapazität auf 450.000 Artilleriegeschosse in diesem und 600.000 Geschosse im nächsten Jahr aufgebaut. Von daher denke ich, dass wir in Europa durchaus in der Lage sind, eine Million Schuss Artillerie zu liefern.
    ZDFheute: Sie wollen ja auch in der Ukraine selbst Panzer produzieren. Wie steht es um dieses Projekt?
    Papperger: Wir haben mit der ukrainischen Regierung ein Joint Venture gegründet, wobei Rheinmetall 51 Prozent hält. Wir werden wahrscheinlich im Juli oder August den Vertrag abschließen. Zunächst werden wir für Panzer jeglicher Art Service anbieten.
    Das heißt, die ukrainischen Streitkräfte dabei unterstützen, dass die Fahrzeuge wieder einsatzbereit sind. Und dann ist dieses Werk natürlich auch bereit für die Neuproduktion. Die erste Idee ist, zum Beispiel einen Transportpanzer den Fuchs zu produzieren.
    ZDFheute: Und das funktioniert in einem Land, das mitten im Krieg ist?
    Papperger: Die ukrainische Firma, die über 60.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, produziert ja auch heute. Die werden genauso weiter produzieren, wenn wir mit dabei sind.
    ZDFheute: Der Blick auf Ihre Industrie hat sich ja stark gewandelt. Noch vor Jahren waren Sie ja so etwas wie die Schmuddelkinder der deutschen Wirtschaft - mit denen sich die Politik nicht immer gern gezeigt hat. Das ist heute anders.
    Papperger: Das hat sich geändert, auf jeden Fall. Wobei ich diesen Ausdruck Schmuddelkinder nicht gebrauchen möchte - das waren wir vorher auch nicht. Wir haben immer für die Sicherheit unserer Länder gekämpft. Und heute freue ich mich vor allen Dingen für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über Jahre hinweg nicht die Anerkennung bekommen haben, die sie verdienen.

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    ZDFheute: 2022 war für Rheinmetall ein Rekordjahr. Wird das jetzt so weitergehen?
    Papperger: Das Jahr 2023 wird besser als das Jahr 2022. Wir gehen davon aus, dass wir weiterhin gut zweistellig pro Jahr wachsen. Und im Jahr 2023 erwarten wir einen Rekord im Auftragseingang: zwischen 15 und 20 Milliarden Euro.
    ZDFheute: Am Ende verdienen Sie mit dem Krieg in der Ukraine Geld. Gibt es für Sie eine moralische Grenze des Geldverdienens?
    Papperger: Ich glaube, wir bieten Produkte an zu einem fairen Preis. Diese Preise werden ja auch dementsprechend überprüft. Und wir liefern das, was für die Sicherheit unserer Länder notwendig ist. Das liefern wir - und dafür muss man sich nicht schämen.
    Das Interview führte Florian Neuhann, ZDF-Korrespondent in Brüssel
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