Keine Parität im Kabinett: SPD-Frauen sprachlos

    Keine Parität mehr im Kabinett:SPD-Frauen sprachlos wegen Pistorius

    von C. Hübscher, D. Rzepka
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    Olaf Scholz bricht ein Versprechen: Sein Kabinett besteht künftig nicht mehr zur Hälfte aus Frauen. Noch am Morgen hatten die SPD-Frauen darauf gepocht. Jetzt sind sie verstummt.

    Olaf Scholz
    Olaf Scholz, von Frauen umrahmt (links Christine Lambrecht, rechts Nancy Faeser).

    Am 27. November 2020 gibt Olaf Scholz (SPD) ein Versprechen ab. Noch ist er Kanzlerkandidat. Noch ist er weit entfernt von einem Wahlsieg. Und noch ist er Feminist.

    Ein von mir als Bundeskanzler geführtes Kabinett ist mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt!

    Olaf Scholz am 27. November 2020

    Am 17. Januar 2023 bricht Scholz sein Versprechen. Denn Scholz' neue Verteidigungsministerin heißt nicht etwa Eva oder Siemtje. Sondern Boris. Damit sind künftig neun Männer und nur noch sieben Frauen im Kabinett, nicht mehr acht zu acht. Parität war zu Beginn seiner Amtszeit ohnehin nur erreicht, wenn man den Kanzler nicht mitzählt in der Statistik.

    SPD-Frauen wollen sich nicht äußern

    Die SPD-Frauen macht das sprachlos. Noch am Dienstagmorgen sagt Maria Noichl, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen:

    Fifty-fifty muss weiter gelten. Dafür steht die SPD.

    Maria Noichl (SPD) vor der Pistorius-Entscheidung

    Am Dienstagvormittag gilt das nicht mehr und Noichl taucht ab. Eine ZDFheute-Anfrage werde sie bestimmt nicht beantworten, sagt ihre Mitarbeiterin. Überhaupt werde Frau Noichl die Personalie Pistorius heute nicht kommentieren.
    Absage auch von Jessica Rosenthal. Die Juso-Vorsitzende vermeidet die offene Kritik am Kanzler. Und weitere junge SPD-Frauen im Bundestag wissen nicht, was sie zu Olaf Scholz noch sagen sollen. Josephine Ortleb, Jahrgang 1986, hat keine Zeit. Elisabeth Kaiser, Jahrgang 1987, kann heute leider auch keinen Beitrag leisten, sie bittet um Verständnis, lässt sie ausrichten.

    Lambrecht-Nachfolge
    :"Fifty-fifty": SPD-Frauen pochen auf Parität

    Wer wird Lambrecht im Amt nachfolgen? Das soll laut Minister Heil heute entschieden werden. Die SPD-Frauen pochen dabei auf Parität im Kabinett. "Fifty-fifty muss weiter gelten."
    Christine Lambrecht (SPD)

    Högl: Geschlecht ist nicht ausschlaggebend

    Auch die Wehrbeauftragte Eva Högl, die für die Lambrecht-Nachfolge im Gespräch war, weicht aus. Das Geschlecht des neuen Ministers spiele nicht die ausschlaggebende Rolle, sagt sie ZDFheute. Sie freue sich über die Entscheidung für Boris Pistorius, er sei für das Amt geeignet.
    Das Thema Parität kommentiere sie nicht weiter. "Das ist auch nicht meine Aufgabe als Wehrbeauftragte." Auf die Frage, ob die Frauen in der SPD jetzt sauer seien, antwortet Högl: "Das müssen Sie die Frauen in der SPD fragen." Das Schweigen ist dröhnend.




    Heftige Kritik von den Grünen

    Dafür reden die Grünen. "Ein SPD-Kanzler hat keinen Platz an seinem Kabinettstisch für starke Frauen", sagt die Berliner Grünen-Fraktionsvorsitzende Silke Gebel. Grünen-Abgeordnete Nyke Slawik findet die Entscheidung des Kanzlers schade. "Dabei waren ja gleich mehrere äußerst qualifizierte Frauen im Gespräch", kritisiert sie.
    Berliner Grüne kritisieren Scholz
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    Und Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge erinnert Scholz daran, dass Frauen mindestens gleich qualifiziert seien. Es hätte auch erneut eine Frau als Verteidigungsministerin geben können, ein paritätisch besetztes Kabinett sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit. "Das sollte auch bei allen künftigen Entscheidungen so sein", sagt sie. Ein Hinweis darauf, dass in Kürze eine weitere Kabinettsumbildung folgen könnte?

    Rückt bald noch eine Frau ins Kabinett nach?

    Was, wenn Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Hessen wechseln sollte, als Spitzenkandidatin für die anstehende Landtagswahl? Kommt dann eine größere Rochade? Wird dann eine Frau auf einen Posten gesetzt, den derzeit ein Mann innehat? Nach ZDFheute-Informationen ist das vorerst nicht geplant. Keine schnelle Umstellung im Kabinett. Die Grünen dürften damit nicht einverstanden sein. Die SPD-Frauen auch nicht.
    SPD-Chef Lars Klingbeil verteidigt die Entscheidung für Boris Pistorius hingegen. Die Frage der Parität sei dem Bundeskanzler und der SPD-Parteispitze wichtig. "Die bleibt auch wichtig", sagt er.

    Aber wir hatten jetzt in den vergangenen Tagen in einer konkreten Personalfrage zu entscheiden. Und Boris Pistorius ist der richtige für diesen Job. Und danach haben wir entschieden.

    Lars Klingbeil, SPD

    SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich schiebt die Schuld weiter an die FDP, die drei Männer und eine Frau ins Kabinett geschickt hat. Die Parität wäre kein Problem, wenn sich alle Koalitionspartner daran halten würden, sagt er. Fazit: Die einzigen, die sich aus der SPD heute äußern, sind - zwei Männer.

    Wer bisher das Amt innehatte

    Verteidigungsministerin Christine Lambrecht spricht während eines Truppenbesuchs in der Alb-Kaserne in Stetten am kalten Markt.
    Franz-Josef Strauss und Konrad Adenauer
    Kai-Uwe Hassel 1970
    Verteidigungsminister Georg Leber (BRD/SPD)
    Rupert Scholz und Dorothee Wilms beim Oktoberfestauftakt in Bonner Landesvertretung in München 1989
    Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (1990)
    Verteidigungsminister Rudolf Scharping mit Soldaten in Sarajevo 2001
    Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung im Raketenartilleriebataillon in Sondershausen 2007
    guttenberg, karl-theodor zu in afghanistan
    Thomas de Maizière
    Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen besucht Bundeswehrsoldaten in Afghanistan (2013)

    Christine Lambrecht, SPD (seit 2021)

    Das Verteidigungsministerium - ein heikler Posten in der Regierung. Der Rücktritt von Christine Lambrecht ist der aktuellste in einer Reihe von Rücktritten oder Entlassungen. Ein Überblick:

    Quelle: dpa


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