Energieverbrauch sinkt, Emissionen stabil: Warum das so ist
Verbrauch sinkt, Emission gleich:Kohle-Rückkehr lässt die Klimaziele platzen
von Silas Thelen
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Weniger Energieverbrauch, Erneuerbare Energien auf Rekordhoch - trotzdem verfehlt Deutschland seine Klimaziele beim CO2-Ausstoß. Warum das so ist und was Experten jetzt fordern.
Sinkender Energieverbrauch, ein günstiges Wetterjahr für Erneuerbare Energien: Eigentlich hätte Deutschland 2022 gute Bedingungen gehabt, seine Klimaziele zu erreichen. Eigentlich - denn es kam anders. Deutschlands Treibhausgasausstoß stagnierte bei rund 761 Millionen Tonnen CO2 und liegt damit zum zweiten Mal hinter dem 2020 erreichten Klimaziel von 40 Prozent CO2-Einsparung gegenüber dem Referenzjahr 1990.
Haupttreiber der Emissionen: Der verstärkte Einsatz von Kohle infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Das zeigen aktuelle Berechnungen des Thinktanks Agora Energiewende in der Auswertung des Energiejahres 2022. Die Bundesregierung hatte sich im vergangenen Sommer auf stärkeren Einsatz von Kohlekraftwerken verständigt, um bei der Stromerzeugung Gas einzusparen.
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Ganze 4,7 Prozentpunkte lag der Energieverbrauch 2022 unter dem Vorjahreswert und damit auf dem niedrigsten Stand in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Autoren führen die Einsparungen auf den massiven Kostenanstieg bei Gas und Strom und auf die milde Witterung zurück. 2022 lag zudem der Anteil der Erneuerbaren Energien am Strommix mit 46 Prozent so hoch wie nie zuvor.
Trotz dieser Potentiale liegt der Ausstoß im Energiebereich nur knapp innerhalb der Klimaziele für den Sektor - und kann die Zielwert-Überschreitungen der Sektoren Verkehr und Gebäude nicht kompensieren. Der Industriesektor sparte 8 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß ein und konnte seine Ziele einhalten. Insgesamt stagniert der Ausstoß - Klimaziel verfehlt.
Die Klimaziele der verschiedenen Sektoren im Überblick:
Der CO2-Ausstoß der Energiewirtschaft stieg laut Schätzung von Agora 2022 erstmals wieder an. Zum Jahresende betrugen die Emissionen 255 Millionen Tonnen CO2 (plus 8 Millionen Tonnen im Vergleich zu 2021). In Summe wurde damit das im Klimaschutzgesetz vorgeschriebene Reduktionsziel von 257 Millionen Tonnen CO2 nur knapp eingehalten.
Der Gebäudebereich überzog mit 113 Millionen Tonnen CO2 das Sektorziel um 5 Millionen Tonnen. Der Einsparerfolg von minus 16 Prozent beim Erdgasverbrauch im Vergleich zum Vorjahr führte zwar zu einem Emissionsrückgang von 7 Millionen Tonnen CO2 gegenüber 2021, der Rückgang reicht jedoch nicht aus, um den Zielwert zu unterbieten.
Im Verkehr lag der CO2-Ausstoß mit 150 Millionen Tonnen CO2 deutlich über dem erlaubten Wert von 139 Millionen Tonnen CO2.
Die Industrie verzeichnete mit 173 Millionen Tonnen CO2 einen Emissionsrückgang um 8 Millionen Tonnen. Der Industriesektor hielt damit das Klimaziel ein.
Müller: Jahr 2022 eine "Notfallsituation"
"Wir müssen schneller werden beim Ausbau der Erneuerbaren" fordert Simon Müller von Agora Energiewende im ZDF. Er schlägt vor, Öl- und Gasheizungen aus den Kellern zu verbannen und durch Wärmepumpen zu ersetzen. Die Industrie brauche zudem Unterstützung bei der Transformation zur Klimaneutralität.
2022 sei durch den Krieg in der Ukraine eine Notfallsituation gewesen, die auch extreme Maßnahmen erforderlich gemacht habe. Was 2023 passieren müsse, sei, dass die Transformation zur Klimaneutralität "die gleiche Aufmerksamkeit bekommt wie beispielsweise der Ausbau von LNG-Terminals oder auch die Impfstoffentwicklung zu Zeiten von Corona", so Müller.
Dr. Christoph Kost, Leiter der Gruppe Energiesysteme und Energiewirtschaft am Fraunhofer-ISE in Freiburg schätzt die notwendige jährliche Zubaumenge bei den Erneuerbaren auf 20 Gigawatt bei Solarenergie sowie sieben Gigawatt bei Windkraft an Land und weiteren vier Gigawatt Offshore-Windkraft.
Dafür müsse die Bundesregierung auf bessere und stabilere Finanzierung- und Marktsysteme, stärkeren Netzausbau, Erleichterungen bei Steuern und Flächengenehmigungen sowie weniger Regulierung setzen. Generell seien die Erneuerbaren Energien in 2022 die zuverlässigste Energiequelle gewesen, erklärt Kost gegenüber ZDFheute:
Im Betrieb bleibe Strom aus Sonne und Wind jedoch immer wetterabhängig. Daher benötige es unter anderem zusätzliche Speicher, mehr Flexibilität in der Stromnachfrage sowie mehr Offshore-Windanlagen mit höheren Volllaststunden. Gas- oder Wasserstoffkraftwerke sollten als Backup dienen, aufgrund hoher Kosten jedoch nur wenige Stunden im Jahr laufen, so Kost.