Kann Gesellschaft ohne Kirche?

Die Augsburger Fuggerei gilt als eine der ältesten, heute noch bestehenden Sozialsiedlungen der Welt. Seit dem Jahr 1521 beherbergen 67 Häuser bzw. 142 Wohnungen insgesamt 150 bedürftige Menschen. Sie entrichten eine Jahreskaltmiete von 0,88 Euro und sprechen täglich drei Gebete – denn das Projekt ist aus dem katholischen Glauben heraus entstanden.

Gegründet wurde die Siedlung vom Kaufmann Jakob Fugger, der nicht nur seinen Namen, sondern auch viel Geld stiftete für das Projekt mitten in der Augsburger Altstadt. Seit 1367 in der Reichsstadt ansässig, verdiente die Familie Fugger ihr Geld zunächst mit dem Vertrieb von Webwaren. Jakob Fugger, auch genannt „der Reiche“, verstand es, seine guten Beziehungen zu den Habsburgern dafür zu nutzen, verschiedene Geschäftsfelder extrem gewinnbringend zu verbinden. Auch deswegen stellte die Gründung der Fuggerei für den Kaufmann wohl keine allzu große finanzielle Belastung dar, denn er erwirtschaftete für damalige Verhältnisse ein unglaubliches Vermögen: Hochrechnungen ergeben einen Betrag von mehreren Billionen Euro, die Fugger heute auf seinem Konto hätte.

Dass es zur Gründung der Siedlung kam und diese bis heute fortbesteht, ist Fuggers sozialer Adler zu verdanken. Aus seinem christlichen Glauben heraus wollte er etwas an die bedürftigen Menschen seiner Stadt zurückgeben und sicherte dies auch für die Zukunft ab: Mit dem Stiftungsbrief von 1521 steckte er die Ausrichtung der drei Kernstiftungen der Familie Fugger juristisch ganz klar ab. Da alle auf ihn folgenden Generationen der Fugger an diese Weisungen gebunden sind, finanziert sich die Fuggerei bis heute aus seinem Vermögen.

Touristen aus aller Welt besuchen heutzutage die Fuggerei und können vier Museen, eine rekonstruierte historische Wohnung sowie eine Ausstellung im hauseigenen Weltkriegsbunker besichtigen. In der Kirche St. Markus, die sich ebenfalls auf dem Gelände befindet, werden jeden Sonntag Gottesdienste abgehalten. Und spricht man mit den Bewohnern der ikonischen gelben Häuser aus dem Mittelalter, schwingt häufig eine große Dankbarkeit für diesen ganz besonderen Wohnort mit.

Bildquelle: ZDF/Tom Bresinsky