Kommentar zu AKW-Debatte: Ideologische Energieverschwendung

    Kommentar

    Vor dem Atom-Aus:AKW-Finale: Ideologische Energieverschwendung

    von Winnie Heescher
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    Welch Finale: Am Samstag werden die letzten drei Atommeiler abgestellt. Bis dahin gibt die Politik nochmal alles. Das aber ist leider eher dürftig, findet Korrespondentin Heescher.

    Bayern, Essenbach: Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks Isar 2.
    Bayern, Essenbach: Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks Isar 2.
    Quelle: dpa

    Am Dienstag haben wir in der Redaktionssitzung noch gewitzelt: "In Umfragen ist eine Mehrheit der Deutschen gegen den Atomausstieg. Ist Markus Söder (CSU) schon dementsprechend umgeschwenkt?"
    Am Donnerstag steht der bayerische Ministerpräsident vor dem Kernkraftwerk "Isar 2" in Bayern und verkündet, welch schwerer politischer Fehler, ja welch "Sünde" es sei, die Kraftwerke nicht länger laufen zu lassen. Es sei eine rein ideologische Entscheidung der Bundesregierung.
    Und dann überholt Söder die FDP, die Wirtschaftsverbände und alle, die in den vergangenen Tagen eine Verlängerung der Atomkraft gefordert hatten, nochmals. Und fordert, die Meiler bis Ende des Jahrzehnts laufen zu lassen und weitere Reaktoren reaktivieren zu wollen.

    Fukushima ändert alles - Fukushima ändert nichts

    Söder überholt sich auch selbst mal wieder: Als Umweltminister hatte er wenige Tage nach dem Unglück in Fukushima als erstes Bundesland in Deutschland den Reaktor Isar 1 abschalten lassen. Zum zehnten Jahrestag der japanischen Reaktorkatastrophe 2021 sagte er:

    Fukushima ändert alles. Auch wenn alles sicher scheint, gibt es die winzige Möglichkeit, dass etwas passiert. Die Folgen wären dramatisch.

    Markus Söder, seinerzeit Umweltminister in Bayern

    Fukushima ändert alles - Fukushima ändert nichts! Im selben Statement, das heute bei Twitter wieder hervorgekramt wurde, verschreibt er sich rhetorisch den Erneuerbaren Energien. Praktisch hat Bayern dieses Versprechen nicht eingelöst. Sowohl beim Netzausbau wie auch bei der Windkraft gibt es viel nachzuholen. Das aber ist ein anderes Kapitel.
    Die Stilllegung von Isar 2 ist für Markus Söder ein Wahlkampfgeschenk - der Meiler lieferte über mehr als drei Jahrzehnte zuverlässig Strom ohne Panne für mehr als drei Millionen bayerische Haushalte. Der bayerische Ministerpräsident wird bis zum Wahltag wettern können.
    Der nächste Winter, in dem sich beweisen wird, wie gut oder schlecht das Land ohne deutschen Atomstrom klarkommt, ist dann noch weit genug weg. Warum ihm der Aufschrei zwei Tage vor Abschaltung des AKW einfällt, muss er sich genauso fragen lassen wie die FDP.

    Wo waren die AKW-Befürworter in den vergangenen Monaten?

    "Mission Tomorrow" lautet der Titel eines Papiers der FDP-Fraktion, das am vergangenen Wochenende publik wurde. Darin wird gefordert, die Meiler noch für ein weiteres Jahr betriebsbereit zu halten. Dass der 15. April 2023 der letzte Tag für die drei Meiler sein würde, steht seit dem 17. Oktober 2022 fest. Damals verschickte Kanzler Olaf Scholz einen Brief, in dem er den Weiterbetrieb von Isar 2, Emsland und Neckarwestheim entschied - per Richtlinienkompetenz, weil die beiden Minister Christian Lindner und Robert Habeck sich öffentlich über die Laufzeitfrage gestritten hatten und unfähig waren zur Einigung.

    CO2-Bilanz, Energiesicherheit
    :Was der Atomausstieg für Deutschland bedeutet

    Am Samstag werden die letzten AKW abgeschaltet. Wie viel Strom lieferte die Kernkraft zuletzt? Ließe sich mit einem Weiterbetrieb CO2 sparen? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
    von Oliver Klein
    Das Kernkraftwerk Emsland bei Nacht
    FAQ
    Es war also mehr als ein halbes Jahr Zeit, sich der Debatte sachlich zu stellen. Wo waren die, die gute Argumente für eine Verlängerung haben, in den vergangenen Monaten? Glauben sie ernsthaft, dass Bundeskanzler Olaf Scholz eine Woche vor dem Abschalten sich selbst revidiert - nach einem Winter, in dem Deutschland besser durchgekommen ist als erwartet?

    Grüne warten auf’s Korkenknallen - und die Kohle-Rechnung

    Das Kanzleramt und die SPD halten sich vornehm raus aus der Debatte, sagen, das Machtwort von Scholz gelte. Und Umweltministerin Steffi Lemke und Wirtschaftsminister Robert Habeck lassen sich so zitieren:

    Die Energieversorgungssicherheit in Deutschland ist und bleibt gewährleistet, sie ist im internationalen Vergleich weiterhin sehr hoch.

    Robert Habeck, Wirtschaftsminister

    Die Grünen sind froh, wenn sie Samstag vor dem Brandenburger Tor und den Atomkraftwerken die Sektflaschen öffnen und ein jahrzehntelanges Versprechen einlösen können. Die Rechnung aber, wieviel klimaschädliche Kohlekraftwerke sie statt der AKWs laufen lassen müssen, wird ihnen gestellt werden, weil die Erneuerbaren Energien noch nicht soviel Energie bringen, wie sie bringen müssten.
    Grafik: Harald Lesch umgeben von Windrädern, E-Auto, Einstürzendem AKW und Solarzellen
    Der Atomausstieg ist überfällig. Sind wir vorbereitet? Wie können wir Wärme und Energie in Zukunft sichern? Der Ausstieg allerdings schafft auch Raum für Zukunftstechnologien.11.04.2023 | 27:47 min

    Politische Energieverschwendung

    Alle haben in den vergangenen Tagen nochmal klar gemacht, wofür und wogegen sie sind. Haben sich mit Statistiken, Studien und Endzeitszenarien befeuert. Für das, was Deutschland in den nächsten Jahren an Ideen, Tatkraft und gutem Willen für eine klimafreundliche, bezahlbare und sichere Energieversorgung braucht, war diese politische Woche eine ziemliche dürftige Veranstaltung. Man könnte sagen: ideologische Energieverschwendung. Hoffentlich wird’s besser. Nach Samstag.
    Winnie Heescher ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.

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