Krieg in der Ukraine: Acht Tage in der Welt der Diplomatie

    Krieg gegen die Ukraine:Acht Tage in der Welt der Diplomatie

    Thomas Reichart
    von Thomas Reichart, New York
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    Russlands Krieg gegen die Ukraine hält die Welt auch nach zwei Jahren in Atem. Was lernt man, wenn man der internationalen Diplomatie eine Woche lang um den halben Globus folgt?

    Annalena Baerbock auf Auslandsreise
    Annalena Baerbock auf Auslandsreise
    Quelle: ZDF

    Diese Reise beginnt am vergangenen Wochenende in München bei der Sicherheitskonferenz, geht weiter nach Rio de Janeiro zum G20-Gipfel der Außenminister und von dort nach New York zu den Vereinten Nationen. Acht Tage in der Welt der Diplomatie - die nicht mehr im Kammerton miteinander spricht, sondern gestikuliert, scharf formuliert und manchmal auch emotional wird.
    Acht Tage in einer Welt, in der sich überdeutlich zeigt, wie Russlands Krieg alles überlagert, selbst für Staaten, die weit entfernt sind. In der sich abzeichnet, wie sich neue Lager und Allianzen bilden. Und wo der Small Talk und die Art der Begrüßung schon die halbe Geschichte erzählen.
    Ukraine-Aktuell
    Selenskyj trifft sich mit verschiedenen Unterstützern. Währenddessen fehlt an der Front Munition. Zuletzt musste die Stadt Awdijiwka aufgegeben werden.24.02.2024 | 2:03 min

    Sicherheitskonferenz in München

    In München ist der Westen vor allem mit sich selbst beschäftigt. Oder anders: Die Europäer sind es mit den Amerikanern. Werden die Republikaner das US-Hilfspaket freigeben, das für die Ukraine Hilfen in Höhe von rund 56 Milliarden Euro bereithält?
    Die Europäer argumentieren, dass die Ukraine-Unterstützung im amerikanischen Interesse sei. "Es ist ein guter Deal für Amerika", wird Polens Außenminister Sikorski am Ende der Woche argumentieren.
    Die Ukrainer würden für eine überschaubare Unterstützung die russische Armee nachhaltig schwächen.
    23.02.24, Lviv: Ukraines Präsident steht vor einer ukrainischen und einer dänischen Flagge.
    Seit zwei Jahren hört die Ukraine dieses Versprechen aus dem Westen: Solange wie nötig. Nach weiteren Gebietsverlusten sinkt aber die Zuversicht. So ist die Lage zur Hilfe aktuell.23.02.2024 | 2:52 min
    Die Botschaft der US-Delegation ist verhaltener Optimismus. Eine weitere ist dafür umso klarer. Europa muss sich selbst mehr um diesen Krieg kümmern, wird mehr, viel mehr zahlen müssen zur Unterstützung der Ukraine. Amerika schaut nach Asien und auf das Weltmachtringen mit China.
    Chinas Außenminister Wang Yi ist in München dabei, sein russischer Kollege ist es nicht. Im großen Saal unter den Kronleuchtern inszeniert Wang Yi sein Land als globale Friedensmacht. Auf den Gängen wird darüber geschimpft. China hätte die Macht den Krieg zu beenden, wenn es aufhören würde, Russland zu unterstützen, indem es billig Öl und Gas kauft und selbst Material liefert.
    Abschluss 60. Münchner Sicherheitskonferenz
    Ukraine und Nahost: Die beiden Kriege dominierten die 60. Ausgabe des Treffens. Es ging auch um die zukünftige Verteidigung Europas – und die mögliche Rolle der USA unter Trump.18.02.2024 | 2:58 min

    G20-Gipfel der Außenminister in Rio de Janeiro

    Die Minuten bevor eine Konferenz wie die G20 beginnen, wenn die Mächtigen der Welt mit ihrer Entourage in den Verhandlungssaal kommen, das sind die eigentlich entscheidenden. Wer begrüßt wen, wer redet, wie lange mit wem - das sagt viel über die Beziehungen oder darüber, wie isoliert ein Land ist.
    Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein Land müssten demnach ziemlich isoliert sein. Kaum jemand nimmt ihn wahr, als er in Rio den Raum betritt. Nicht einmal Gastgeber Brasilien, dessen Staatspräsident Lula Russland nicht eindeutig verantwortlich gemacht hat für den Krieg und der seit Monaten verspricht Friedensverhandlungen voran zu bringen. Aus denen mangels Interesse von Russland aber bislang nichts geworden ist.
    Annalena Baerbock (2.v.l, Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, sitzt nur drei Plätze neben Sergej Lawrow (r), Außenminister von Russland
    Deutschlands Außenministerin Baerbock fordert ihren russischen Amtskollegen auf, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Das Treffen zeigt erneut die Kluft zwischen Ost und West.22.02.2024 | 1:10 min
    Lawrow jedenfalls ist in diesen Minuten viel mit seinem Handy beschäftigt. Während Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock sich lange mit ihrer Kollegin aus Südafrika unterhält, was insofern bemerkenswert ist, als die beiden mit Blick auf den Krieg in der Ukraine ziemlich viel trennt.
    Zumindest war das zu Beginn so. Inzwischen aber ist auch eine Initiative Südafrikas auf Verhandlungen am russischen "Nein" abgeprallt. Während gleichzeitig die Folgen des Krieges in Form von Lebensmittelpreisen, Versorgungsketten, Wirtschaftskrisen gerade auch die Länder des sogenannten globalen Südens hart trifft.
    Annalena Baerbock bei G20 Gipfel in Brasilien
    Der Ukraine-Krieg ist ein Thema beim G20-Gipfel in Brasilien. Außenministerin Baerbock wandte sich direkt an Russlands Außenminister Lawrow und drängt auf ein Ende des Krieges.22.02.2024 | 1:27 min

    UN-Sicherheitsrat in New York

    Es ist das erste Mal in dieser Woche, ja seit Monaten, dass sich die Ukraine und Russland gegenüber sitzen. Aber bevor es dazu kommt im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, gibt es ein bemerkenswertes Gruppenbild. Dutzende Außenminister verschiedener Staaten stehen hinter Ukraines Außenminister Kuleba, als der vor den Türen des Sicherheitsrats zur internationalen Presse spricht. In der kühlen, ritualisierten Welt der Diplomatie ist das ein ungewöhnlich emotionales Zeichen, wer alles zur Ukraine steht.
    Im Sicherheitsrat entwirft kurz darauf Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja ein wirres Bild. Die Ukraine sei selbst schuld an Zerstörung, Leid und tausendfachem Sterben. Sie müsste sich halt Russland ergeben. Je eher sie das täte, desto vorteilhafter seien dann auch für Kiew die Bedingungen. Nebensja breitet die russische Propaganda aus vom Krieg, den angeblich andere begonnen hätten, den die Nato, der Westen an seiner Stelle kämpfen lasse.
    23.02.24, Kiew: Die Mauer der Erinnerung an die gefallenen ukrainischen Soldaten in Kiew.
    Christian Sievers trifft Menschen in der Ukraine, die seit der Invasion über ihre Angst, den Tod und ihren Schmerz sprechen. Denn niemand weiß, wie lange der Krieg noch andauert.23.02.2024 | 5:08 min
    Auffallend ist dabei, dass am großen Hufeisentisch des Sicherheitsrates kein anderes Land diese Argumente aufnimmt. Außer vielleicht China. UN-Botschafter Zhang Jun spricht von Russlands legitimen Sicherheitsinteressen. Das ist Pekings Linie seit Beginn.

    Ringen um Gefolgschaft in der Welt

    Andere Staaten Asiens und Lateinamerikas aber, die hier vertreten sind, verurteilen Russland klar und scharf. Und die Afrikaner reden zwar nur von einem Konflikt, so als hätten Russland und die Ukraine zu gleichen Teilen schuld an diesem Krieg. Aber sie folgen nicht oder besser nicht mehr der russischen Logik, dass der Westen im Grunde an allem schuld sei.
    Schon möglich, dass das Russland nicht weiter interessiert, solange es China an seiner Seite weiß. Solange es Drohnen aus dem Iran, Artillerie aus Nordkorea bekommt. Aber die Diplomatie, das war in diesen acht Tagen überdeutlich zu sehen, ist im Moment auch ein Ringen um Gefolgschaft in einer Welt, die sich in Lager sortiert. In dieser Hinsicht war das keine so schlechte Woche für die Ukraine.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

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    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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